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Debatte ums Tempelhofer Feld„Das Gesetz nicht ändern“

Der Senat will das Tempelhofer-Feld-Gesetz verändern, um mehr Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen. Völlig unnötig, sagt Dirk Müller von der Initiative AG Village.

Was Privatsphäre angeht, nicht gerade ein Vorbild: die Unterkünfte für Flüchtlinge im einstigen Tempelhofer Flughafen. Foto: dpa
Interview von Luciana Ferrando

taz: Herr Müller, was will die Initiative AG Village erreichen?

Dirk Müller: Wir möchten nicht, dass das Tempelhofer Feld bebaut wird. Wir glauben, dass wir den Zufluchtsuchenden eine bessere Lebensqualität ermöglichen können, ohne dass das Tempelhof-Gesetz verändert werden muss.

Der Senat möchte das Gesetz ändern, um neben dem einstigen Flughafenvorfeld Flüchtlinge unterbringen zu können. Voraussichtlich am 28. Januar werden die Abgeordneten darüber entscheiden. Warum sind Sie gegen eine Gesetzesänderung?

Die Mehrheit der Berliner hat sich im Mai 2014 gegen eine Bebauung entschieden. Wir glauben, dass eine Gesetzesänderung die Tür aufmachen könnte, damit auch Flächen, die geschützt sind, doch noch bebaut werden können. Menschen, die in Berlin Zuflucht suchen, für ein solches Gesetz zu instrumentalisieren, ist nicht richtig. Deshalb haben wir ein integratives Konzept entwickelt, das zeigt, dass man Flüchtlinge in Tempelhof würdevoll unterbringen kann, ohne das Gesetzt zu ändern.

Wie würde Ihr Konzept funktionieren?

Das Konzept heißt „Dreiklang“, weil uns drei Räumlichkeiten wichtig sind: Hangars, Vorfeld und Flugfeld. In den Hangars können dreistöckige Modulbauten in Holzbauweise entstehen, die mehr Privatsphäre und Raum für einzelne Menschen anbieten. Fürs Vorfeld sind gemeinsame Räume, zum Beispiel Spielplätze, sowie Austauschmöglichkeiten gedacht. Auf dem Feld sind Angebote für Begegnung und Integration angedacht, um den Kontakt mit Berlinern zu gestalten. Geplant sind zudem Deutschkurse, Internetcafés und eine Bürgerakademie, wo Berliner für Zufluchtsuchende und Zufluchtsuchende für Berliner Lösungen suchen.

Das klingt wie ein Zungenbrecher. Ist das in der Realität genau so schwer?

Nein. Ein konkretes Beispiel: Wir wollen Holzwerkstätten einrichten, um den Austausch zwischen Alt- und Neu-Berlinern zu ermöglichen. Dann schauen wir, welche Erfahrungen vorhanden sind. Menschen, die ankommen, bringen ihre eigenes Wissen mit – so erweitern wir unser Wissen gegenseitig.

Im Interview: Dirk Müller

43, ist Architekt und Dozent für Experimentelles Design. Im November gründete er zusammen mit anderen Aktivisten die Ideenwerkstatt AG Village. Sie will vermeiden, dass das Tempelhof-Gesetz geändert wird.

Haben Flüchtlinge aus den Tempelhofer Hangars das Konzept mitgestaltet?

Wir arbeiten mit Flüchtlingshelfern. Sie sagen uns, was die Menschen vor Ort brauchen. Man kann nicht erwarten, dass Geflüchtete ankommen und sofort in der Lage sind, sich in Berlin ohne Hilfe über Ihre Situation klar zu werden.

Kann man aus etwas Prekärem etwas Schönes machen?

Ja, wenn man von vorne überlegt, nicht mehr Probleme zu erzeugen, sondern Lösungen zu finden. Zum Beispiel den Raum so gestalten, dass Menschen Privates, Schlaf und Aktivität innerhalb einer Unterkunft vorfinden können, auch für kurze Zeit, da es sich in Tempelhof ja um eine Notunterkunft handelt.

Besteht nicht das Gefahr, dass etwas Provisorisches sich etabliert?

Das Projekt ist so gestaltet, dass, wenn sich die Situation verändert, die Holzbauten zurückgebaut werden können; das Material kann wiederverwendet werden. Andere Bundesländer, etwa NRW oder Rheinland Pfalz, haben gezeigt, dass das Konzept mit dem Holzhäuser funktioniert. Die Frage ist, warum Berlin sie noch nicht nutzt. Wir haben als AG Projekte gesammelt, die kurzfristig umsetzbar sind.

Arbeiten Sie zusammen mit der Initiative 100% Tempelhofer Feld?

Die AG Village hat ein Integrationskonzept verfasst und sucht das Gespräch. Unsere Kernpunkt ist der Dialog um die Kooperation zu ermöglichen und nicht die Konfrontation.

Was erwarten Sie von den Senat?

Wir zeigen dem Senat, dass Menschen, die unsere Politiker gewählt haben, offen sind für ein Dialog. Und wir wünschen uns, dass der Senat unsere Anliegen aufnimmt und bereit ist, mit uns zusammen die Situation vor Ort zu ändern.

Wie geht es weiter?

Das Gebäude ist in meinen Augen bisher kein Ort des Willkommens, die Situation im Gebäude muss geändert werden. Das Flugfeld ist ein wunderbarer Ort und kann als Ort des Willkommens als Ort an sich und mit Hilfe von Integrationsprojekten Zufluchtsuchenden helfen.

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