Debatte um geschlossene Heime: Lehren aus der Haasenburg
Nach Bekanntwerden der skandalösen Zustände in geschlossenen Heimen fordert grüne Jugendpolitikerin detaillierte Regeln für die Unterbringung.
Was aus den drei Heimen der Haasenburg GmbH in Brandenburg nach außen drang, klingt unvorstellbar. Mitarbeiter und betroffene Jugendliche berichten von harten Sanktionen bei Regelverstößen, von monatelanger Isolation, von tagelanger Fixierung und Demütigung. Seitdem die taz die Zustände öffentlich gemacht hat, beschäftigt sich in mehreren Bundesländern die Politik mit dem Thema.
Auch aus Berlin wurden Jugendliche in die Haasenburg geschickt. Inzwischen sei aber nur noch einer aus der Hauptstadt dort untergebracht, teilt die Senatsjugendverwaltung auf taz-Anfrage mit. Einer sei flüchtig und eine sei vor Kurzen regulär ausgezogen. Den Bezirken wurde „dringend empfohlen“ bis zur Prüfung der Vorwürfe keine weiteren Jugendlichen in die Haasenburg zu schicken.
Marianne Burkert-Eulitz, jugendpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, geht das nicht weit genug. „Den Heimen gehört die Betriebserlaubnis entzogen“, sagt sie. Am liebsten würde sie die geschlossene Unterbringung ganz abschaffen. Aber zunächst solle eine „Rechtsunsicherheit“ abgebaut werden.
Der geschlossenen Unterbringung muss ein Familiengericht zustimmen, das steht im Paragraf 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Wie dann die Unterbringung genau aussieht, das ist – im Gegensatz etwa zur Jugendhaft – nicht explizit festgeschrieben. Burkert-Eulitz hat beim Wissenschaftlichen Parlamentsdienst um eine Einschätzung gebeten, inwieweit eine Regelung notwendig und möglich ist. Das unveröffentlichte Gutachten liegt der taz vor. Darin heißt es: Nötig ist ein Gesetz nicht, denn bei der geschlossenen Unterbringung handele es sich nicht um eine „Ausübung öffentlicher Gewalt“, weil stets die Eltern die Unterbringung beantragen müssen (oder ein Vormund). Deren Erziehungsrecht ist durch das Grundgesetz geschützt. Allerdings könne der Gesetzgeber durchaus „aus rechtspolitischen Erwägungen“ eine Regelung schaffen. Etwa weil es die Eltern oft nicht schaffen, ihrer Fürsorge nachzukommen.
An diesem Punkt will Burkert-Eulitz ansetzen. Es könnten etwa Beschwerderechte festgeschrieben werden, sagt sie. Ein Gesetz wäre allerdings Bundessache.
Björn Eggert, jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, begrüßt die angestoßene Debatte. „Wenn es keine ausreichenden Regelungen gibt, sollte man sie schaffen“, sagt er. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Vorschlag aus den Reihen der Opposition kommt. Schließlich stünden die Betroffenen in der Obhut des Staates. „Da muss man Sorge tragen, dass ihnen nichts passiert.“
Wie viele Kinder und Jugendliche aus Berlin insgesamt in geschlossenen Heimen leben, darüber wird keine zentrale Statistik geführt. 2011 waren es laut Jugendverwaltung 53. In Berlin selbst gibt es nur eine einzige Einrichtung, in der Kinder auch geschlossen untergebracht werden können. Nach langer Diskussion wurde das Heim mit sieben Plätzen vor einem Jahr in Reinickendorf eröffnet. Der Senat und der von ihm beauftragte Betreiber legen viel Wert darauf, dass freiheitsentziehende Maßnahmen nur das allerletzte Mittel sind, stets anlassbezogen und nur so lange wie unbedingt nötig. Man habe strenge Verhaltenkodizes für die Mitarbeiter und die klare Maßgabe, alles zu dokumentieren und an die Eltern und beteiligten Behörden zu kommunizieren, sagt Julie von Stülpnagel vom Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk, das das Heim mit betreibt. Weitergehende gesetzliche Regelungen brauche es nicht.
Manche befürchten gar, dass eine gesetzliche Regelung der Unterbringung in geschlossenen Heimen fragwürdige Praktiken erst legitimiert. Der Kinderschutz sei bereits ausreichend festgeschrieben, in der UN-Kinderrechtskonvention und auch im BGB. Dort heißt es: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
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