Debatte um deutsche Olympiabewerbung: Es geht ohne Olympia
Die European Championships sind erfolgreich, weil sie ohne Gigantomanie auskommen. Das Event in München sollte wegweisend für den Sport sein.
Fröhlich geht es in der Stadt zu. So heiter könnte es damals gewesen sein an den ersten zehn Tagen der Olympischen Spiele 1972, an die allüberall in der Stadt erinnert wird in diesen Tagen. Und schon werden die Rufe lauter nach einer neuen Olympiabewerbung. Die Europameisterschaften in neun Sportarten sind längst zu einem Werbewerkzeug für eine deutsche Olympiabewerbung geworden. Kein Tag vergeht, ohne dass das Thema Olympia in Deutschland angesprochen wird.
Bayerns Innen- und Sportminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der Rheinischen Post: „Ich hoffe, dass diese European Championships ein Zeichen dafür sind, dass wir in Deutschland wieder Olympische Spiele austragen werden.“ Marion Schöne, die Geschäftsführerin der Olympiapark GmbH und Cheforganisatorin der Münchner Europameisterschaften, hatte gar schon vor der Eröffnung des Turniers von einem Schritt Richtung Olympische Spiele in Deutschland gesprochen.
Sportlerinnen und Sportler müssen bei ihren Siegerinterviews Fragen nach Spielen im eigenen Land beantworten. „Das wäre schon ein Ding“, wird Marathon-Europameister Richard Ringer zitiert, obwohl er doch auch angemerkt hat, dass Olympische Spiele „in der heutigen Zeit“ kaum zu stemmen sind. Alexandra Burghardt, die Sprinterin, die als Bob-Anschieberin in Peking Silber gewonnen hat, wünscht sich Olympia im eigenen Land für die Kinder ihrer Trainingsgruppe. Und DOSB-Vizepräsidentin Verena Bentele meint, dass die European Championships eine „Referenzveranstaltung“ für eine Olympiabewerbung sein können.
Familäre Atmosphäre
An die gescheiterten Olympiabewerbungen der vergangenen Jahrzehnte scheint bei der Eventbegeisterung, die gerade in München herrscht, niemand zu denken. Und auch die Idee, dass die Europameisterschaften so gut ankommen, weil sie eben nicht so groß und gewaltig sind, geht bei den Olympiafans unter. So dürfen die Fans zu den Leichtathletik-Wettbewerben ins Olympiastadion ganz normale Rucksäcke mitnehmen, gefüllt mit Brotzeit und Getränken.
Wer Sportler hautnah erleben möchte, sucht sich eine schöne Stelle im Olympiapark, und es ist nicht unwahrscheinlich, Athleten beim Schlendern durch die Parkanlagen zu begegnen. Am Tag vor dem Triathlon fuhren zwei norwegische Sportler mit ihren Rennrädern die Laufstrecke ab. BMX-Artisten lümmelten neben Familien auf der Wiese vor der Wettkampfstätte. Ein Trainer bummelt mit den lettischen Turnerinnen über die Wiesen.
Was da gerade in München stattfindet, ist gewiss Werbung. Es ist eine Reklameveranstaltung für Sportereignisse in überschaubarer Größe. Die European Championships zeigen, dass der Sport keine Olympischen Spiele braucht, um zum Hingucker zu werden. Sportbegeisterung kann auch eine EM im Beachvolleyball auslösen, auch wenn sich der sportliche Wert des Wettbewerbs im Vergleich zur World Beach Pro Tour in überschaubaren Grenzen hält.
In Grenzen halten sich auch die Kosten der Championships. Auch wenn der Etat mit 130 Millionen Euro nicht gerade niedrig ist, wirkt er lächerlich klein im Vergleich zu dem, was für Olympische Spiele ausgegeben wird. Olympia in Tokio 2021 soll 12 Milliarden Euro gekostet haben. Und was alles angeschafft werden muss, das bestimmt das Internationale Olympische Komitee, dessen Knebelverträge weder transparent noch zumutbar sind. Eine Ausrichterstadt muss sich für kleinere Sportspiele zudem nicht völlig neu erfinden. Sie kann nutzen, was sie an Sportstätten hat. Die Teams und Berichterstattenden kommen in Hotels unter. Für sie müssen keine Trabantenstädte aus dem Boden gestampft werden.
Ja, die European Championships können eine tolle Sache sein. Werbung für Olympia sind sie nicht. Im Gegenteil.
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