Debatte um Sterbehilfe im Bundestag: Zwang zum Leben
Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) warnt vor einem „Qualtod“, Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) will keine Neuregelung.
BERLIN dpa/kna | Mehrere Stunden debattiert der Bundestag heute über eine neue Regelung von Sterbebegleitung und Sterbehilfe. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte zum Auftakt: „Mit diesem Tagesordnungsordnungspunkt beginnen wir das vielleicht anspruchsvollste Projekt dieser Legislaturperiode.“
Dem Bundestag liegen inzwischen Positionspapiere von fünf Parlamentariergruppen vor. Sie haben sich über Fraktionsgrenzen hinweg zusammengefunden. Die meisten sprechen sich gegen Sterbehilfevereine aus.
Bundestagsvizepräsident Peter Hintze hat in der Debatte gemahnt, sterbenden Menschen nicht per Gesetz ein qualvolles Ende aufzuerlegen. Mit der Menschenwürde sei es nicht vereinbar, „wenn aus dem Schutz des Lebens ein Zwang zum Qualtod würde“, sagte der CDU-Politiker. Es gebe tödliche Leiden, bei denen die Palliativmedizin an ihre Grenzen stoße. Ein Arzt müsse beim friedlichen Einschlafen helfen dürfen. „Das will auch die große Mehrheit der Bevölkerung“, sagte Hintze. „Der Deutsche Bundestag sollte dieser Mehrheit eine Stimme geben.“ Staatliche Bevormundung sei hier fehl am Platz.
Renate Künast von den Grünen plädierte dafür, den Menschen in der letzten Lebensphase die Hand zu reichen. „Das kostet Personal, Ausbildung und Geld.“
Müntefering: Jeder Fall ist individuell
Der ehemalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat sich zuvor im Deutschlandradio gegen eine Ausweitung der bestehenden Sterbehilfe-Regelungen ausgesprochen. “Die Regelung, die wir heute haben, ist gut“, sagte Müntefering in einem Interview mit Blick auf die Bundestagsdebatte. Aus heutiger Sicht solle man daher besser keine „weitergehenden Dinge“ eröffnen.
Die Möglichkeit einer Beihilfe zur Selbsttötung bei begrenzter Lebenserwartung hält der SPD-Politiker für problematisch: „Jetzt ist die Frage: Was ist das? Sind das drei Tage oder sind das drei Jahre? Ist die Diagnose auf Eierstock-Krebs eine begrenzte Lebenserwartung, ist Demenz eine begrenzte Lebenserwartung?“ Jeder Fall sei individuell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen