Debatte um Referee Sascha Stegemann: Wozu überhaupt Schiedsrichter?

Wie gering die Toleranz für Fehlentscheidungen im Fußball ist, erfährt gerade Sascha Stegemann. Dabei werden etliche Konflikte schon gut gelöst.

Schiedsrichter Stegemann im Vordergrund, dahinter protestierende Dortmunder Spieler

Großer Protest: die Spieler von Borussia Dortmund wollen von Schiedsrichter Stegemann einen Elfer Foto: Federico Gambarini/dpa

Dass es so etwas überhaupt noch gibt! Da leben wir in einer Zeit, in der alle schreibende Welt darüber sinniert, dass es vielleicht gar nicht mehr lange dauert, bis sogenannte künstliche Intelligenz das übernimmt, was zum Beispiel der Autor dieser Kolumne macht – da kann es sein, dass die deutsche Meisterschaft im Fußball der Männer durch eine Fehlentscheidung eines Schiedsrichters entschieden wird. Sascha Stegemann, der beim Spiel, das Dortmund gegen Bochum am Ende nicht gewinnen konnte, den Borussen einen Elfmeter verwehrt hat, den er nach Sichtung aller Bilder hätte geben müssen, hat darunter besonders zu leiden. Er wird massiv von BVB-Fans bedroht, die sich wohl an ihm rächen möchten.

Solcherart Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen haben Tradition im Fußball und man hätte den Schiedsrichtern gegönnt, dass es mit der Einführung des Videoreferees ein Ende damit hat. Ist aber nicht so. Es gibt immer noch spielentscheidende Fehlentscheidungen. Weil das nicht sein soll, wird wohl weiter herumgedoktert werden an der Schiedsrichterei.

Wie wäre es mit einer Challenge, wie man sie etwa aus dem Tennissport kennt. Da kann der Spieler eine Entscheidung überprüfen lassen, wenn er meint, der Linienrichter habe fälschlicherweise „out“ gerufen. Er hat indes nur drei Einspruchsmöglichkeiten. Wenn Dortmunds Trainer seine Challenges schon verbraucht hätte, als sich Stegemann dazu entschlossen hat, das Foul an Karim Adeyemi nicht als solches zu werten, hätte sich auch nichts geändert.

Was tun? Warten, bis Lothar Matthäus seinen Senf dazugegeben hat, bis Didi Hamann die Situation eingeordnet hat? Das Spiel unterbrechen, bis in der Fußballtalkshow „Doppelpass“ Mario Basler, Stefan Effenberg oder irgendein anderer selbst ernannter Gegenpapst von Uli Hoeneß die Szene bewertet hat? Darauf hoffen, dass jener Uli Hoeneß zum Telefon greift und in der Sendung anruft, bis er ein Fax an die Redaktion geschickt hat, um sein Urteil zu verkünden?

Übernachten im Kölner Keller

Sollen die Spieler so lange in den Kabinen bleiben oder müssen sie im Kölner Keller Quartier nehmen, statt die Nacht in einem Hotel oder bei ihren Liebsten zu verbringen? Oder soll erst weitergespielt werden, bis die Regelhüter des International Football Association Board das nächste Mal getagt haben? Es bleibt schwierig.

Bei vielen Fußballspielen, wahrscheinlich sogar bei den meisten, läuft gar kein Schiedsrichter über das Feld. Außerhalb des organisierten Spielbetriebs, auf den Plätzen, auf denen einfach nur gebolzt wird, braucht es keinen Unparteiischen. Wer meint, gefoult worden zu sein, zeigt das an und bekommt einen Freistoß.

Da wird gewiss mal heftig diskutiert, gestritten, gebrüllt, gehadert und beleidigt, aber am Ende muss man sich doch einigen. Irgendwie geht es immer weiter, auch wenn der Torhüter sich sicher ist, dass es Pfosten war, wenn der Ball über die Sporttasche, die zur Markierung des Tors auf dem Platz liegt, geflogen ist und der Stürmer davon überzeugt ist, dass er glaskar drin war.

Es wäre bestimmt ganz nett gewesen zu beobachten, wie die Spieler selbst den Fall bewertet hätten. Wie der Bochumer Danilo Soares reagiert hätte, wenn Adeyemi nach dessen Attacke „Foul“ gerufen hätte. Eines ist jedenfalls gewiss: Sascha Stegemann hätte ein ruhiges Wochenende ganz ohne Morddrohungen verbringen können.

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