Debatte um Prostitution in Südkorea: Frau Kim kämpft um ihren Job
Sexarbeit ist in Südkorea offiziell verboten und doch sehr weit verbreitet. Prostituierte fordern nun, dass ihre Arbeit legalisiert wird.
Doch als erste ihrer Zunft wehrte sich Kim und verklagte den südkoreanischen Staat. „Ist das, was wir tun, etwa schlimmer als Diebstahl?“, fragte sie vor Gericht. Das Prostitutionsverbot würde gegen ihre Menschenrechte verstoßen, denn für sie sei Sex die einzige Einkommensquelle, um über die Runden zu kommen.
Ihr Fall löste eine Grundsatzdebatte aus: Wie soll die Gesellschaft mit ihren Sexarbeiterinnen umgehen? Niemand redet darüber, offiziell gibt es sie nicht, und doch ist Prostitution so allgegenwärtig wie in kaum einen anderen OECD-Staat: 3,5 Prozent aller Frauen zwischen 20 und 40 verdienen laut Regierungsschätzungen mit Sex ihren Lebensunterhalt.
Prostitution galt lange als so selbstverständlich in Südkoreas chauvinistischer Arbeitswelt, dass das Frauen- und Familienministerium noch 2006 männlichen Angestellten finanzielle Anreize bot, wenn sie erklärten, im Rahmen feierabendlicher Trinkgelage unter Kollegen keine sexuellen Dienste mehr zu kaufen.
Laut den jüngsten staatlichen Erhebungen von 2007 tun das ein Fünftel aller Männer im Berufsalter mindestens viermal im Monat. Die Sexindustrie setzt demnach jährlich über 12 Milliarden Euro um. Zugleich stellt Südkorea die meisten Sextouristen in Südostasien und exportiert Tausende Prostituierte etwa nach Australien und in die USA.
Hardlinerin fordert Legalisierung
Nachdem die teils menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen für Prostituierte durch einen tragischen Fall im Jahr 2002 ans Licht kamen, wurde das Kaufen und Verkaufen von Sex verboten. In der Stadt Gunsan starben bei einem Brand 14 Frauen, die wie Sklaven in einem Bordell eingesperrt waren. Derzeit drohen Prostituierten und Freiern bis zu ein Jahr Gefängnis oder Geldstrafen von über zweitausend Euro.
Für Prostituierte wie Kim Jeong Mi sind es keine guten Zeiten fürs Geschäft: In einer zehn Quadratmeter Hütte arbeitet sie sechs Nächte die Woche von sieben Uhr abends bis vier Uhr früh. Meist sind es ältere, alkoholisierte Männer, um deren Gunst Kim in einem einst florierenden Rotlichtviertel im Nordosten von Seoul wirbt. Viele ihrer Kolleginnen dort sind bereits in den 50ern und 60ern. Mit jedem weiteren Jahr sinkt ihr Marktwert.
Nun könnte das strenge Antiprostitutionsgesetz fallen. Die größte Befürworterin der Legalisierung ist ausgerechnet eine frühere Hardlinerin: Einst führte Seouls Polizeichefin Kim Kang Ja eine regelrechte Hetzjagd gegen die Prostituierten. Heute tritt sie als Professorin für staatlich registrierte Bordelle ein und möchte die Infrastruktur für Aussteigerinnen aus der Sexindustrie verstärken.
„Die derzeitige Rechtslage drängt das Gewerbe nur weiter in den Untergrund“, sagt sie. Zwar hat sich die Zahl der Prostituierten in den Rotlichtbezirken innerhalb der letzten Dekade von über 9.000 auf 5.000 reduziert, doch zugleich bieten immer mehr Frauen sexuelle Dienste über Smartphone-Apps, in Karaoke- und Cocktailbars, Motels, Friseur- und Massagesalons an.
Kontrollen im Akkord
Zudem verfügt die Polizei über zu wenig Ressourcen, um das Gesetz effektiv umzusetzen. In Seouls noblem Geschäftsviertel Gangnam klagen Polizisten darüber, dass Kleinstteams von fünf Leuten bis in die Morgenstunden Bordelle im Akkord überprüfen müssten. Solange sie Freier und Prostituierte nicht auf frischer Tat ertappen, blieben ihnen die Hände gebunden. Trotzdem ermittelt Südkoreas Polizei derzeit in 8.600 Fällen der Prostitution.
Auch wenn das Kaufen von Sex in Südkorea allgegenwärtig ist, bleibt die Gesellschaft dennoch prüde: Über die Hälfte der Bevölkerung gab in einer Umfrage an, Prostitution sei unter keinen Umständen zu rechtfertigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen