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Debatte um NamensgebungAlles andere als Schall und Rauch

Ein Freiheitskämpfer, ein Nationalist, ein Antisemit: Zehlendorfer Kirchengemeinde sagt sich von Ernst Moritz Arndt los. Ein Wochenkommentar.

Kein Streit um des Kaisers Bart: Haar-Locke von Arndt im Arndt-Museum in Garz auf Rügen Foto: dpa

Die Zehlendorfer EMA-Kirchengemeinde hat einen mutigen Schritt getan. Am Montagabend entschied der Gemeindekirchenrat mit knapper Mehrheit, sich vom Namensgeber Ernst Moritz Arndt, für den das harmlos klingende Kürzel steht, verabschieden zu wollen. Grund waren die zahlreichen antisemitischen, militaristischen und franzosenfeindlichen Äußerungen des im 19. Jahrhundert wirkenden Schriftstellers und Historikers, die den Namen für den Gemeindekirchenrat untragbar machten.

Von außen betrachtet wirkt die Umbenennung längst überfällig. Warum sollte gerade eine christliche Gemeinde, die für Nächstenliebe und Friedfertigkeit einsteht, den Namen eines preußischen Freiheitskämpfers und nationalistischen Vordenkers tragen? Innerhalb der Gemeinde sorgte die Umbenennung für eine heftige Kontroverse. Viele vor allem ältere Gemeindemitglieder hängen stark an dem alten Namen, schließlich begleitete er sie ein Großteil ihres Lebens bei wichtigen Ereignissen wie ihrer Konfirmation und Trauung. Einige Mitglieder sollen sogar mit einem Austritt aus der Gemeinde gedroht haben, solle es zu einer Umbenennung kommen.

Umbenennungsdebatten sind Identitätsdebatten und damit eine hochemotionale Angelegenheit. Letztendlich zählen aber sachliche Argumente.

Wenn man schon mit dem Umbenennen anfängt, wo soll man aufhören?

Ein in den nicht nur in Berlin immer häufiger werdenden Namenskontroversen wiederkehrendes Argument ist folgendes: Man solle den Antisemitismus einer historischen Person doch bitte im Kontext ihrer Zeit sehen. Antisemit zu sein gehörte damals schließlich zum guten Ton. Und wenn man schon mit dem Umbenennen anfängt, wo solle man aufhören? Peter Beuth, preußischer Beamter und Namensgeber der Beuth-Hochschule, war Antisemit. Die Hochschule streitet schon seit längerer Zeit um eine Umbenennung. Turnvater Jahn, nach dem Straßen und Parks benannt sind, sowieso. Aber nicht nur aufrechte Preußen äußerten sich antisemitisch. Martin Luther hat schon ein paar hundert Jahre vorher viele zweifelhafte Dinge über Juden gesagt. Selbst im Nachlass von Marx und Bakunin finden sich antisemitische Passagen.

Die Allgegenwärtigkeit von judenfeindlichen Äußerungen bei vielen der von unserer Gesellschaft gewürdigten Personen ist kein Grund für historischen Relativismus, sondern zeigt vor allem, wie tief Antisemitismus im europäischen Denken verwurzelt ist. Umbenennungsdebatten, so nervtötend sie auch manchmal sein können, lösen zwar auch nicht das Problem des Antisemitismus, bieten aber einen dringend notwendigen Anlass, sich mit diesem schweren ideologischen Erbe auseinanderzusetzen.

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2 Kommentare

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  • Ok, Kontext wird also überbewertet. Wir sollten jetzt schleunigst Martin Luther, der ebenfalls Antisemit und ein repressiver herschaftstreuer die Unterdrückung und Ermordung tausender Bauern rechtfertigender Hetzer war, betrachten und alles was nach ihm benannt ist umbenennen.

    Sorry, das Ganze ist geschichtsrevisionistisch. Es wäre eher sinnvoll, auf die verschiedenen Bestandteile der jeweikigen Person hinzuweisen und den Diskurs zu befördern.

  • Eigentlich ist es eine triviale Erkenntnis, dass historische Personen nicht mit heutigen Wertemaßstäben gemessen werden können. Beim Antisemitismus wiegt es nur sehr viel schwerer. Man muss allerdings sagen, dass Antisemitismus auch im 18. und 19. Jahrhundert scheiße war, selbst wenn es zum guten Ton gehörte.



    Dennoch kann man die Ambivalenz anerkennen, dass Personen sehr wirkmächtig waren und auf einem Gebiet auch in positiver Weise die Geschichte beeinflussten, obwohl sie auch Antisemiten waren. Luther ist da sicherlich ein gutes Beispiel.



    Beim Wählen eines neuen Namenspatrons wäre es auch schöner gewesen, man hätte zuerst jemanden gehabt, mit dem man sich gut identifizieren könne und der die eigenen Werte der Gegenwart besser repräsentiere, als erstmal den alten EMA abzusägen und dann zu schauen, wen man stattdessen nehmen könne.