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Debatte um Nachtflugverbot„Verhandlungen werden scheitern"

Matthias Schubert, Sprecher des Volksbegehrens, fordert von der Regierung in Potsdam, die Nachtruhe auch einseitig und ohne Zustimmung Berlins auszuweiten.

Sogar Rot-Rot in Brandenburg ist jetzt fürs Nachtflugverbot. Bild: dpa
Interview von Stefan Alberti

taz: Herr Schubert, Sie feiern es als Erfolg, dass der Landtag das Volksbegehren annimmt – das ist ja auch eine Premiere. Aber in der Praxis ändert sich erst mal nichts.

Matthias Schubert: Wir denken, dass wir einen großen Schritt weitergekommen sind. Aber dass wir tatsächlich mehr Nachtruhe haben, das ist natürlich noch nicht erreicht.

Glauben Sie Ministerpräsident Matthias Platzeck, dass er sich wirklich für mehr Nachtruhe einsetzen wird? Oder war sein Versprechen am Dienstag nur großes Polittheater?

Glauben? Ich bin kein Priester. Mit Glauben ist es ja in der Politik auch immer so eine Sache – was zählt, ist das, was wirklich gemacht wird. Und wenn der Landtag tatsächlich diesen Beschluss trifft, dass wie gefordert ein landesplanerisches Nachtflugverbot hersoll, dann räumt er damit ein, dass es das Beste ist für Brandenburg, wenn wir ein Nachtflugverbot haben. Dann ist natürlich die Landesregierung aufgefordert, das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln umzusetzen. Und da fordern wir, dass der Planfeststellungsbeschluss geändert wird.

Aber SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher hat ja gleich gesagt, dass Brandenburg diesen Planfeststellungsbeschluss rechtlich nicht allein und einseitig ändern kann.

Da liegt er falsch, das ist rechtlich sehr wohl einseitig möglich. Das haben unsere Recherchen ergeben. Und dazu haben wir in der Anhörung im Landtag am Donnerstag auch eine Expertin, die das ausführen wird.

Wenn das so ist – warum lautete dann die Forderung des Volksbegehrens, dass die Landesregierung darüber mit dem Land Berlin verhandeln soll?

Matthias Schubert

55, ist Verwaltungsjurist, Chef der Initiative Keine Flugrouten über Kleinmachnow und Sprecher des Nachtflugverbot-Begehrens. Nach dem Kurswechsel zu einem schärferen Nachtflugverbot am künftigen Hauptstadtflughafen muss Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) scharfe Angriffe von mehreren Seiten hinnehmen. Sein Parteifreund Klaus Wowereit, Berlins Regierungschef, hielt ihm vor, gegen die eigene Überzeugung zu handeln. Die Grünen in Brandenburg sprachen von einer Schauveranstaltung. Die Tourismusbranche warnte, Berlin könne seinen guten Ruf als Metropole verlieren.

Weil Volksbegehren nicht auf einzelne Verwaltungsakte, sondern nur auf Gesetze abzielen können. Brandenburg kann nicht allein den Staatsvertrag mit Berlin ändern, über den jetzt verhandelt werden soll, sehr wohl aber den Planfeststellungsbeschluss.

Das klingt nach diametral entgegengesetzten Rechtsauffassungen.

Die Fluggesellschaften haben natürlich die Möglichkeit, gegen eine Änderung zu klagen. Aber die Verwaltungsrichter werden ein Nachtflugverbot nicht kippen – die werden politisches Handeln der Regierung überlassen.

Was sollen Verhandlungen mit Berlin bringen, wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit schon jetzt sagt: Mit mir nicht, und überhaupt gefährdet ein ausgeweitetes Nachtflugverbot den Flughafen?

Die Verhandlungen werden scheitern, davon gehen wir aus. Und deswegen fordern wir ja, den Planfeststellungsbeschluss einseitig zu ändern, um auf diese Weise den Willen des Volkes umzusetzen, der sich ja in dem Landtagsbeschluss manifestiert.

Das sehen Sie durch den Text des Volksbegehrens gedeckt?

Ja, natürlich. Das Volksbegehren möchte, dass wir ein Nachtflugverbot haben – wie, ist ganz egal. Die Menschen wollen mehr Nachtruhe; dem muss die Regierung jetzt auch entsprechen. Ein Volksbegehren erst im Landtag annehmen und dann nicht umsetzen, obwohl es möglich ist, wäre genau die Art von Politik, die zu Politikverdrossenheit führt.

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