Debatte um Fifa-Präsident Blatter: Fakten für „Fußball-Deutschland“
Der Druck auf Joseph Blatter wächst. Deutsche Politiker fordern nun die Aberkennung des Bundesverdienstkreuzes für Blatter, angesichts seiner jüngsten Aussagen zur WM-Vergabe 2006.
BERLIN dapd | Führende deutsche Politiker haben die Aberkennung des Bundesverdienstkreuzes für FIFA-Präsident Joseph Blatter gefordert. „Sepp Blatter steht für endemische Korruption bei der FIFA – nachweislich“, sagte der Sprecher der Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer, der Tageszeitung Die Welt. „Deshalb sollte ihm das Bundesverdienstkreuz wieder entzogen werden.“
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, „wenn es dabei bleibt, dass Herr Blatter keine echte Aufklärung der Schmiergeldaffäre will, sollten wir über eine Aberkennung des Bundesverdienstkreuzes nachdenken.“ Die Schmiergeldzahlungen an FIFA-Funktionäre seien belegt.
Blatter habe von den Zahlungen gewusst. Wolfgang Neskovic, Linke-Justiziar und ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, sagte, er halte „eine Entziehung der Auszeichnung für zwingend geboten“. Etwas weniger deutlich formulierte es der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU). Er wolle zwar nicht einer "Entscheidung des Herrn Bundespräsidenten" vorgreifen, sagte er der Welt. Aber er gehe davon aus, "dass die Berichterstattung über die Korruptionsvorwürfe bei der FIFA auch im Präsidialamt gelesen" werde.
Blatter erhielt den Orden 2006 für seine Leistungen bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft an die Bundesrepublik.
Ausgerechnet am Tag des Treffens des FIFA-Exekutiv-Komitees in Zürich, auf dem weitere Reformschritte im Weltfußballverband FIFA eingeleitet werden sollen, sieht sich der mächtige FIFA-Präsident Joseph Blatter also massiv in die Enge gedrängt. Nicht nur sein Wissen um Schmiergeldzahlungen an ranghohe FIFA-Funktionäre haben Blatter ins Kreuzfeuer der Kritik geraten lassen.
Welle der Entrüstung
Auch die Andeutungen des Schweizers, dass es bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland Unregelmäßigkeiten gegeben habe, haben für eine Welle der Entrüstung gesorgt. Am Dienstag, dem Tag der Sitzung des Exekutiv-Komitees, antwortete Blatter auf die teils wütenden Reaktionen aus Deutschland.
Via Bild-Zeitung teilte der 76-Jährige in einem offenen Brief mit, er halte alle Vergabeentscheidungen für Fußball-Weltmeisterschaften in der Vergangenheit für rechtmäßig. „Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, sondern nur an Fakten“, schrieb Blatter in seinem Brief an „Fußball-Deutschland“.
Solange keine konkreten Beweise vorlägen, dass bei irgendeiner WM-Vergabe etwas schief gelaufen sei, müsse und solle man „an der Rechtmäßigkeit der Wahl festhalten. Dies gilt für Deutschland ebenso wie für alle anderen Länder. Das ist die Kernaussage meiner Botschaft.“
Im Ausrichterland der WM 2006 hatten die nebulösen Andeutungen Blatters in seinem Interview mit dem Schweizer SonntagsBlick für Wirbel gesorgt. Blatter hatte in dem Interview auf die Frage, ob die WM 2006 gekauft gewesen sei, geantwortet: „Nein, ich vermute nicht. Ich stelle fest.“ Für den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Wolfgang Niersbach, ein „Nebelkerze“, die Blatter in Erwartung der Exekutiv-Komitee-Sitzung gezündet habe.
„Perfekte“ Veranstaltung
Blatter betonte allerdings, dass er mit seinen Interview-Aussagen im Hinblick auf die Korruptionsvorwürfe bei der WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 nur darauf hinweisen wollte, „dass selbst bei der WM-Vergabe an Deutschland 2006 solche Vorwürfe erhoben worden waren“.
Sein Ziel sei es zu zeigen, „dass man immer einen Vorwand finden kann, um die Rechtmäßigkeit eines Entscheides zu bezweifeln.“ Zugleich lobte der FIFA-Präsident noch einmal die Austragung der WM 2006 als „perfekte“ Veranstaltung. „Ein Sommermärchen sondergleichen, worauf das Land stolz sein kann“, schrieb Blatter.
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