Debatte um E-Mobilität: Kurzschluss beim E-Bus?
Die BVG soll auf Elektrobusse umstellen, das ist grüne Parteilinie. Doch jetzt melden sich Kritiker zu Wort. Aber E-Busse zu kaufen, ist ohnehin gar nicht so leicht.
Tag für Tag fahren hunderttausende BerlinerInnen mit den „Elektrischen“. Auch wenn sie so niemand mehr nennt, sind U-, S- und Trambahnen genau das, und zwar seit vielen Jahrzehnten: technisch weitgehend ausgereifte Elektromobilität.
Ganz anders die Busse: Rund 1.400 gelb lackierte Exemplare sind für die BVG im Einsatz, aber gerade einmal vier – die Fahrzeuge auf der kleinen Linie 204 – werden von batteriegespeisten Elektromotoren angetrieben. Der Rest tankt Diesel. Unter Rot-Rot-Grün soll das so schnell wie möglich anders werden: In diesem Jahr noch wollen die Verkehrsbetriebe 45 Elektrobusse kaufen, vielleicht auch 75, bis Ende der Legislaturperiode könnten es sogar 120 sein.
Aber das klingt nur einfach, denn der Markt gibt das noch gar nicht her. Außerdem regt sich Protest: Im Landesverband von Bündnis 90/Grüne werden Stimmen laut, die das Projekt E-Bus aus ökologischer Sicht in Frage stellen. Auf dem Parteitag am Wochenende wollen die KritikerInnen den von Berlins grün dominierter Verkehrspolitik eingeschlagenen Weg korrigieren.
Strom statt Gas
Bis Mitte 2017 war das Projekt E-Bus nur eines von mehreren Szenarien, auch weil die Ergebnisse des Testbetriebs auf der Linie 204 durchwachsen sind. Auch eine Umstellung auf Gasantrieb war im Gespräch. Im September dann legte sich die von den Grünen nominierte Verkehrssenatorin fest: „Elektromobilität ist die Zukunft, und damit starten wir jetzt“, sagte Regine Günther in einem B.Z.-Interview. Gas sei „ein fossiler Energieträger und scheidet deshalb aus“.
Das stimmt im Hinblick auf Biogas nur bedingt, aber die Entscheidung steht seitdem fest und wird von Günthers Kollegin im Wirtschaftsressort, Ramona Pop (Grüne), mitgetragen. Sie machte wenig später als Vorsitzende des BVG-Aufsichtsrats den Weg für eine größere Anschaffung frei: 30 Eindeckomnibusse und 15 Gelenkbusse mit E-Antrieb sowie die entsprechende Ladeinfrastruktur könne das Unternehmen ordern, beschloss das Kontrollgremium im Dezember. Jeweils zweistellige Millionensummen seien für den Kauf vorgesehen, hieß es.
Das Ergebnis der Ausschreibung war allerdings ernüchternd: Die Interessenten ließen sich an genau drei Fingern abzählen, und auch die waren offenbar nicht in der Lage, zeitnah zu liefern. Die BVG verlängerte die Frist. Vielleicht auch um den Druck auf die deutschen und europäischen Hersteller zu erhöhen, reist BVG-Chefin Sigrid Nikutta in diesem Jahr wohl gleich zweimal nach China: das erste Mal in der laufenden Woche mit Wirtschaftssenatorin Pop, das zweite Mal voraussichtlich im Sommer mit Verkehrssenatorin Günther.
Auf der aktuellen Reise will Nikutta sich das öffentliche Bus-System der 12-Millionen-Stadt Shenzhen ansehen. Dort sind angeblich mehr als 15.000 batteriebetriebene Busse erfolgreich unterwegs, wenn auch, wie man hört, unter Einsatz gewaltiger Subventionsmittel. Laut Sprecherin Petra Reetz will Nikutta sich aber nicht die Fahrzeuge ansehen (oder gar einen Kostenvoranschlag einholen), sondern sich informieren, wie die Stadt Ladeinfrastruktur und Betrieb organisiert.
„Der Ladevorgang für einen E-Bus dauert heute noch deutlich länger als eine Betankung mit Diesel“, erklärt Reetz. Deshalb müssten mehr Fahrzeuge pro Linie unterwegs sein, das wiederum könnte weitere Betriebshöfe notwendig machen. Da gebe es für Berlin noch viel zu lernen. Reetz erklärt auch, wieso die auf der 204er-Linie fahrenden Modelle nicht in Frage kommen: „Das sind Prototypen, die beim Hersteller Solaris von Hand hergestellt wurden, die kommen nicht vom Fließband.“ Genau das brauche aber die BVG: „Wir wollen über kurz oder lang die ganze Flotte umstellen, da sind wir wild entschlossen.“
Unausgegorene Technologie?
Ganz so wild wird es wohl nicht zugehen, einen unüberlegten Kaufrausch lässt das europäische Vergaberecht ja nicht zu. Aus der Sicht von KritikerInnen in der grünen Partei ist die getroffene Entscheidung trotzdem höchst unüberlegt: Sie halten batteriebetriebene E-Busse für eine unausgegorene Technologie, die viel Geld verschlingt und der Umwelt letztlich kaum hilft.
Für den grünen Parteitag am Samstag haben sie einen Dringlichkeitsantrag vorbereitet, der der taz vorliegt. Darin heißt es, „75 Elektrobusse“ sollten bis 2020 angeschafft werden, heißt es darin (tatsächlich hat Ramona Pop schon von 120 gesprochen), was einem Investitionsvolumen von über 60 Millionen Euro für die Fahrzeuge entspreche, ganz zu schweigen von den notwendigen Infrastrukturmaßnahmen. Die Unterzeichner, allen voran der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Mobilität, Matthias Dittmer, fordern Verkehrssenatorin Günther und den Fraktionsvorstand auf, den „ökologischen Fußabdruck“ dieser Investition zu erläutern.
Einen von Fraktions- und Parteispitze vorgelegten Antrag zum Thema Mobilität wollen die KritikerInnen umschreiben: Käme ihr Änderungsantrag durch, wäre die Parteilinie nicht mehr, die BVG bis 2030 komplett auf E-Mobilität und Batterie umzustellen. Vielmehr setzte man dann auf „Technologieoffenheit“, erprobte vorerst weiter mögliche Antriebsarten wie die Brennstoffzelle und beobachte die weitere Entwicklung. So lange müsse die Bestandserneuerung mit gasgetriebenen Bussen geschehen, die mit Biomethan betankt werden sollten.
LAG-Sprecher Dittmer setzt sich seit Monaten vehement für diese Position ein. Seine Argumentation, die er mit Aussagen von Technologieexperten untermauert, lautet: Zwar seien die E-Busse „lokal emissionsfrei“. Aber selbst wenn der ganze benötigte Strom in grünen Kraftwerken erzeugt würde, mache die unausgereifte Batterietechnologie alle Vorteile zunichte: Die Herstellung ausreichend großer Stromspeicher verbrauche massenhaft seltene Rohstoffe und erzeuge viel CO2, sie seien dazu noch extrem schwer und unzuverlässig. „An sehr kalten Tagen sind solche Batterien damit überfordert, einen Bus anzutreiben und dabei auch noch zu heizen. Im subtropischen Shenzhen spielt das natürlich keine Rolle“, so Dittmer. Die Entsorgung sei aufwändig und gefährlich, falle aber schon nach wenigen Jahren an. Last but not least koste ein Batterie-Bus derzeit fast dreimal so viel wie ein Dieselmodell.
Eine verlässliche und schadstoffarme Alternative, so Dittmer, sei Bio-Methan: „Genau zu diesem Ergebnis kam vor einem Jahr ein gemeinsamer Workshop der Senatsverwaltung und der Deutschen Energieagentur.“ Dass die Verkehrsverwaltung jetzt trotzdem auf E-Busse setze, kann sich der LAG-Vorsitzende nur so erklären: „Es ist der Versuch, Industriepolitik zu machen und Nachfrage für deutsche E-Busse zu erzeugen. Das sollte man unter derart ungeklärten Umständen aber nicht tun. Schon gar nicht auf dem Rücken der Fahrgäste.“
„Der Kurs ist richtig“
Antje Kapek, grüne Fraktionschefin und Unterzeichnerin des „offiziellen“ Antrags, sieht das anders: „Ich finde es richtig, dass eine LAG das Regierungshandeln kritisch überprüft.“ Nur seien in der grünen Landesspitze „ungefähr alle“ der Meinung, „dass der eingeschlagene Kurs richtig ist“.
In Bezug auf Biogas mahnt sie zur Vorsicht: Der Anbau von Energiepflanzen in großem Maßstab habe bekanntlich problematische ökologische Folgen, die die Grünen in der Vergangenheit unterschätzt hätten. Fossiles Gas komme ohnehin nicht in Frage, deshalb sei die Entscheidung für den E-Bus klar. Bis der Wechsel abgeschlossen sei, müssten aber alle Dieselbusse mit Katalysatoren auf die Euro-6-Norm gebracht werden.
Da ist sie sich mit ihren KritikerInnen einig – und der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Matthias Tang, bestätigt gegenüber der taz, dass mit der BVG vereinbart sei, alle Dieselbusse bis Ende des Jahres mit entsprechenden Filtern auszurüsten.
In der Frage „Strom oder Gas?“ hat man sich im Hause Günther aber festgelegt: „Statt übergangsweise Gasbusse anzuschaffen und in den Werkstätten und Betriebshöfen eine neue Infrastruktur für Betrieb und Wartung von gasbetriebenen Bussen aufzubauen, ist es sinnvoller, schon heute in Elektrobusse und die dafür notwendige Infrastruktur zu investieren“, so Tang zur taz. Wenn man die Klimaziele von Paris erreichen wolle, „müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden“.
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