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Debatte um BetreuungsgeldHeißer Streit um Herdprämie

Mehrere CDU-Abgeordnete haben in einem Brief angedroht, nicht für die Betreuungsgeld-Pläne der CSU zu votieren. Auch die FDP sieht darin „falsche Anreize“.

Ausblick vom Herd. Bild: ap

BERLIN taz/afp/epd | Üblicherweise werden Anträge der Opposition im Bundestag routiniert abgeschmettert. Doch als die Grünen am vergangenen Donnerstag ihren Antrag gegen das geplante Betreuungsgeld einbrachten, zauderten CDU- und FDP-Abgeordnete.

In einem Brief an den Unionsfraktionsvorsitzenden Volker Kauder schrieben 23 CDU-Abgeordnete am nächsten Tag, dass sie „einen Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Einführung eines Betreuungsgeldes gemäß den Vorstellungen von Staatsministerin Christine Haderthauer ablehnen werden“. Damit haben sie die schwelende Debatte über das Betreungsgeld in der Regierungskoalition neu entfacht.

Das Betreuungsgeld ist auf Druck der CSU in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben und im November von der Regierung beschlossen worden. Eltern, die ihre ein- bis dreijährigen Kinder lieber zu Hause betreuen als in eine Kita schicken, sollen ab 2013 eine Prämie von 100 Euro im Monat, ab 2014 sogar monatlich 150 Euro erhalten. Das Familienministerium von Kristina Schröder (CDU) erarbeitet derzeit einen Gesetzentwurf.

Auch der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Michael Kretschmer hat den Brief an Kauder unterzeichnet: „Wir müssen darüber diskutieren, wie man Fehlanreize vermeidet“, sagte er der taz. Er befürchtet dass Eltern ihre Kinder zu Hause lassen, um die Prämie zu kassieren, obwohl diese von einem Kitabesuch profitieren könnten. „Wir sehen Kitas in erster Linie als Bildungseinrichtungen“, stellte Kretschmer klar.

Unterstützung erhalten die 23 CDU-Rebellen von der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) – und aus der FDP. Der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin forderte die CDU in der ARD auf, das Vorhaben des Betreuungsgeldes ganz aufzugeben, weil es „falsche Anreize“ liefere.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt betonte indessen, die CSU werden an den Plänen zum Betreuungsgeld festhalten. „Wir haben das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag fest verankert und vor kurzem im Koalitionsausschuss bestätigt – dabei bleibt es“, sagte Hasselfeldt der Bild am Sonntag.

In der CDU versucht man nun, die Wogen zu glätten. „Das Betreuungsgeld wird kommen – allerdings nicht in dieser Form“, glaubt Michael Kretschmer. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ist optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, dass sich offene Fragen bei der konkreten Ausarbeitung klären lassen“, sagt er.

Die Opposition glaubt das nicht. „Die jetzige Diskussion zeigt, dass auch in der Koalition viele die Einschätzung teilen, dass das Betreuungsgeld eine bildungspolitische Katastrophe ist“, sagte der Grünen-Bildungsexperte Kai Gehring zur taz.

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6 Kommentare

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  • H
    Herd

    Fpr das Betreuungsgeld koaliert die Taz sogar mit der FDP.

    Liebe Tazler, meiner Meinung nach braucht ein 1-2 jähriges noch keine Bildungseinrichtung! Reicht nicht schon die Schulpflicht, der Leistungsdruck und Leistungswahn später?

     

    Ja, tatsächlich, ein Kind lernt durch Nachahmung, dort, wo es lebt, am besten mit Menschen, zu denen es eine tiefe Bindung hat. ( hab ich mir nicht ausgedacht, ist aus der H_irnforschung) Und ja: Auch AUSLÄNDER können gute Eltern sein und parken ihr Kind nicht nur vor dem Fernseher.

    Meine große Tochter ist mit 3,1/4 in die Kita gekommen, vorher war sie ZUHAUSE ( böses Wort!) und hat sogar desöfteren mit mir ( und ihrem Papa) vor dem HERD ( noch böser!) gestanden. Es heißt doch immer, die Kinder wissen nicht mehr woher ihre Nahrung kommt: In der Kita kommt sie tatsächlich aus einer Großküche, bei uns zuhause sind die Kinder in Anbau Ernte und Verarbeitung miteinbezogen.

     

    In der Kita reicht es ja schon, wenn einmal im Jahr ein Ernährungsprojekt gemacht wird und alle klatschen in die Hände, wenn wir es zuhause jeden Tag machen, ist es rückständig!!!

     

    Sie hatte bei der Eingewöhnung keine Probleme, ihr wird eine sichere Bindung attestiert, und sie ist ein sehr soziales fröhliches Kind, was meistens spielt und mehr sollte ein 3 jähriges Kind auch noch nicht können müssen!

     

    Mein Baby wird hoffentlich auch erst mit 3 in die Kita müssen und bis dahin all das zuhause bekommen, was ein Baby braucht (Geborgenheit, einen Tagesablauf nach seinem Rhythmus, Anregung durch kleine Aufgaben und Mithilfe, Kontakt zu anderen Kindern, aber nicht gleich zu 20 auf einmal, Aufmerksamkeit)

     

    Das alles, obwohl mein Partner und ich beide erwerbstätig sind, allerdings versuchen wir auch, so zu arbeiten, noch Zeit für die Kinder zu haben.

    Ein großes soziales Netz, das ständig gewebt werden muss, hilft uns dabei.

    Geld oder Anerkennung für diese Jonglage bekommen wir aus der Gesellschaft und der Taz nicht dafür.

    Es gibt eben nur ein Modell, was bejubelt wird: Babys in die Krippe!!! Alles andere ist von vorvorvorgestern. Meine Güte!

     

    Liebe Taz, wir sind alle in unserem Freundeskreis emanzipierte Menschen und leben nicht im traditionellen Alleinverdienerehemodell und DENNOCH oder gerade deswegen wünschen wir uns das Betreuungsgeld sehr, denn wenn weiterhin nur die Kitas gefördert werden, gibt es faktisch keine Wahlmöglichkeit mehr, sein Kind nicht doch in einer schnell geschaffenen und schlecht eingerichtetet Institution zu geben, weil gar keine Gleichalterigen Kinder mehr auf den Spielplätzen sind.

    Das ist wohl erklärtes Ziel- Ich kenne das aus Frankreich und Spanien und finde es GRUSELIG.

  • T
    Tobias

    Die Diskussion über das Betreuungsgeld und die Titulierung als "Herdprämie" zeigt, dass es vielen Beteiligten nicht um Problemlösung geht, sondern wieder mal um ideologischen Klassenkampf.

     

    Wenn man keinen Betreuungsplatz für sein Kind unter drei bekommt, ist man über jeden Cent froh. Gerade im Westen müssen Eltern drei Jahre überbrücken, da die Angebote für unter dreijährige in singen Regionen gegen Null tendiert.

     

    Da von einem "Bildungsauftrag" der Betreuungseinrichtungen als Gegenargument für ein Betreuungsgeld zu reden ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die einfachen keinen Platz fur ihr Kind finden können.

     

    Sie müssen ihre Arbeit aufgeben und bekommen keinen Zuschuss weil in der Kita ja Bildungsarbeit geleistet wird.

     

    Unser Land ist alles, aber nicht familienfreundlich.

     

    Und manche Medien erstrecht nicht....

  • CR
    Christine Rölke-Sommer

    ich find das hübsch! alle, welche keinen krippen-platz für ihr kind finden, erhalten einen finanziellen ausgleich. aber - 100 juronen im monat find ich dafür nen bißchen wenig!da bleibt ja mal wieder kaum ein vater zuhause.... um zuzusehen, wie sein kind das krabbeln lernt. und das ist dann wieder mal: mist!

  • H
    Hachja

    Ja was denn nun, A.St? Ist es nun eine tapfere Aufopferung oder tiefste Erfüllung "echter" Mütter (der Väter natürlich nicht, wen interessieren die schon)?

     

    Und sofern es für dich bedeutet, seine Familie zu "opfern", wenn man nicht erfüllt ganze Jahre damit verbringt eine Rund-um-Betreuung für den Nachwuchs zu gewährleisten, wie dein Kommentar hier vermuten lässt, kannst du ja sicher berichten, welche Kulturen daran gescheitert seien sollen.

    In der deutschen Geschichte beschränkt sich der Zeitraum, in denen ein Elternteil eine Vollzeitversorgung leisten konnte, wollte und sollte auf einige lächerliche Jahrzehnte für ausgesuchte Familien. Das ist eine sehr junge und zeitlich begrenzte Entwicklung, die noch dazu Deutschland zu eigen ist und von den meisten westeuropäischen Nachbarländern nicht grad geteilt wird. Mir wär neu, dass die Franzosen oder Skandinavier als Kultur scheiterten. Und auch Deutschland hat Jahrhunderte ohne Vollzeitbetreuung überlebt und tut es seit Jahrzehnten wieder. Allen Unkenrufen zum Trotz ist dies nicht der Untergang des Abendlandes.

  • D
    Dudenmann

    Das Betreuungsgeld ist m. E. zugeschnitten auf ein Familienmodell, das so nicht mehr der Tatsächlichkeit entspricht. Man sollte das Geld in Betreuungsmöglichkeiten und Förderung stecken, anstatt am falschen Ende Geld auszugeben. Die Kinder, die aus problematischen Verhältnissen kommen und der fachkundigen Begleitung bedürfen, würden so aus finanzielle Gründen dort vermutlich nicht mehr "ankommen". 100,-- € mehr sind schließlich 100,-- € mehr...

  • A
    A.St.

    Was sind falsche Anreize? Ist es falsch Mütter zu unterstützen, die sich als Mütter verstehen? Deren Hauptziel darin besteht das eigene Kind selbst zu erziehen, für das Kind da zu sein, es aufwachsen zu sehen? Zu sehen wir Kind lernt, das Laufen, Sprechen, Malen, Fragen stellt in der Trotzphase sich der Charakter formt... Was sind falsche Anreize?

    Jemand sagte:"Eine starke Gesellschaft besteht aus starken Familien." Die Familie ist die kleinste Gesellschaftliche Einheit. JEDE Kultur ist gescheitert, wenn die Familie anderen Dingen wie Kraft, Mut, Größe, Selbstverwirklichung, Religion, Macht und Geld geopfert wurde.

    Wir stehen in der selben Position, wo Kinder als Last verstanden werden, weil sie uns in der Selbstverwirklichung behindern. Und die Unterstützung der wenigen, die Bereit sind sich für ihre Kinder aufzuopfern, wird als "falscher Anreiz" betrachtet. Was sind denn dann richtige Anreize?