Debatte um A100: Linke bremst Junge-Reyer
Die Stadtentwicklungssenatorin wollte in dieser Woche im Hauptausschuss Gelder für die Planung des Autobahnausbaus fordern. Doch auf der Tagesordnung fehlt ihr Antrag.
Die Linkspartei schlägt im Streit mit der SPD über den Bau der A 100 zurück. Kein einziger Euro an Planungsgeldern soll fließen, bevor sich die Partei und Fraktionsspitzen nicht im Koalitionsausschuss über die Autobahn geeinigt haben. "Frau Junge-Reyer geht ein hohes Risiko ein, wenn sie versuchen würde, die Sache vorher weiter zu drehen", sagte der Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, der taz. Darauf will es die SPD-Stadtentwicklungssenatorin offenbar nicht ankommen lassen: Entgegen der bisherigen Zeitplanung steht auf der jetzt vorliegenden Tagesordnung des Hauptausschusses für Mittwoch keine Forderung nach den Planungsgeldern.
Die 420 Millionen Euro für die Verlängerung der Stadtautobahn um 3,2 Kilometer von Neukölln nach Treptow trägt zwar im wesentlichen der Bund. Das Land schießt jedoch 3,15 Millionen Euro für die Planung zu. Nachdem Parteitage von SPD und Linken gegen die A 100 votiert hatten, war dieses Geld im November 2009 vom Parlament gesperrt worden. Da die SPD mittlerweile wieder für den Bau ist, will Junge-Reyer die Planungsgelder wieder entsperren. Aus ihrer Verwaltung war zu hören, dass dies in der Hauptausschusssitzung am 6. Oktober entschieden werden solle. Danach tagt der für Finanzen zuständige Ausschuss erst wieder Anfang November - was mindestens einen Monat Verzögerung mit sich bringen würde. Junge-Reyer-Sprecherin Petra Rohland sieht dennoch kein Problem mit dem Zeitplan: Man habe lediglich gesagt, man gehe davon aus, dass die Sache vor den Herbstferien entschieden werden könnte.
Einigkeit müssten SPD und Linke im Koalitionsausschuss erzielen, dem höchsten Entscheidungsgremium des Bündnisses. Der hat aber weiterhin nicht getagt. Lederer und andere führende Linke machen zudem nicht den Eindruck, dass ihnen an einer baldigen Klärung gelegen ist. Sie wollen ohnehin erreichen, dass eine endgültige Entscheidung erst nach der Abgeordnetenhauswahl im September 2011 fällt.
Linkspartei-Chef Lederer wehrte sich zudem gegen die konstante Kritik der Grünen. Die werfen seiner Partei vor, die A 100 trotz des anders lautenden Parteibeschlusses mitzutragen, denn im Koalitionsvertrag steht seit 2006 unverändert ein Bekenntnis zum Autobahn-Ausbau. Doch gerade die Grünen hätten in ihrer Zeit in der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 die Autobahn im sogenannten Verkehrswegeplan stoppen können, der die großen Verkehrsprojekte des Bundes enthält, sagte Lederer der taz.
Tatsächlich wurde die A 100 unter Rot-Grün nicht gestoppt. Sie rückte sogar an prominentere Stelle im Verkehrswegeplan. Die Grünen-Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig, bis 2005 Bundestagsabgeordnete, versuchte sich gegenüber der taz zu rechtfertigen: Man habe ja versucht, die A 100 zu verhindern, aber letztlich sei das kein Punkt gewesen, um die Koalition zerbrechen zu lassen. "Bei den Grünen ist immer alles erklärbar", kommentierte Lederer, "genauso, dass sie in der Bundesregierung nicht für den schnellen Ausstieg aus der Atomkraft gesorgt haben."
Den Oppositionsfraktionen CDU und FDP, die beide den Weiterbau der A 100 fordern, bietet der koalitionsinterne Zwist ein weites Feld für Kritik. "Die A 100 braucht einen verlässlichen Senatsentscheid und keinen peinlichen rot-roten Dauerstreit", tönt der Fraktionschef der Liberalen, Christoph Meyer, der ein "monatelanges unseriöses Regierungstrauerspiel" sieht. Die CDU springt sogar den Sozialdemokraten bei. "Aus Gründen der politischen Glaubwürdigkeit müssen die Verabredungen des Koalitionsvertrags unbedingt eingehalten werden", argumentiert ihr verkehrspolitischer Sprecher Oliver Friederici.
Bei der SPD dürfte ein solcher Schulterschluss wenig Freude auslösen: Die Grünen hatten zuletzt keine Gelegenheit ausgelassen, den Sozialdemokraten vorzurechnen, dass sie die Autobahn nach der Wahl 2011 nur mit den ungeliebten CDUlern bauen könnten, ihrem langjährigen Koalitionspartner bis zum Bankenskandal 2001.
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