Debatte über angebliche Polizeigewalt: Salafist beschuldigt Polizisten
Die Bremer Polizei soll gegen einen Dschihadisten gewalttätig vorgegangen sein. Angeblich wollte er abtrünnige Anhänger ermorden lassen.
![](https://taz.de/picture/1172650/14/N2_Marc_S_Dienstags-Wunde_auf_dem_Kopf.jpeg)
BREMEN taz | Der Salafist und mutmaßliche Dschihad-Unterstützer Marc Rene S. behauptet, von der Polizei mehrfach misshandelt und unverhältnismäßig lange festgehalten worden zu sein. Zum Beweis hat sein Anwalt Erich Jöster Fotos vorgelegt. Polizeipräsident Lutz Müller behauptet, S. sei kein zweites Mal von der Polizei verletzt worden, es sei bloß die alte Wunde aufgeplatzt.
Die Polizei hatte auf einen Hinweis reagiert, dass eine Gruppe von Salafisten um Marc S. plane, zwei andere Salafisten umzubringen. Der Hinweis reichte aber nicht aus, um einen Haftbefehl zu beantragen. Offenbar seien „ehemalige Anhänger“ gefährdet, möglicherweise Aussteiger, deren Wissen dem militanten Dschihad-Kämpfer gefährlich werden könnte.
Am vergangenen Dienstag nun wurden S. und acht weitere Personen von der Polizei in Gewahrsam genommen. Die erste Auswertung der beschlagnahmten Handys hat nach Angaben des Polizeipräsidenten aber den Anfangsverdacht, dass Marc S. ein Mordkomplott geplant haben soll, nicht konkretisieren können. Marc S. wurde den ganzen Tag über im Polizeigewahrsam festgehalten – länger als erforderlich, wie das Amtsgericht in einer ersten Entscheidung feststellte.
An diesem Tag kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen Marc S. eine Kopfwunde zugefügt wurde – nach Polizeiangaben, weil er sich gewalttätig zur Wehr setzte. Marc S. erklärt, die Polizei habe ihn auf eine Pritsche gefesselt. Er habe sich befreien können, woraufhin Polizisten die Zelle stürmten und ihn verprügelt hätten. Dabei zog er sich nach Angaben seines Anwalts eine Wunde am Kopf zu, die später im Krankenhaus genäht wurde, sowie mehrere Prellungen. Die Polizei gibt keine weiteren Auskünfte, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfes der polizeilichen Willkür.
Polizeipräsident Müller wirft Marc S. vor, dass er sich geweigert habe, die Wunde vom Blut säubern zu lassen – angeblich, weil er sich als Opfer inszenieren wollte. Anwalt Jöster erklärt dagegen, der Polizeiarzt habe die Wunde nicht dokumentiert, und sein Mandant habe sich dem Versuch widersetzt, die Spuren zu verwischen. Gegen eine erkennungsdienstliche Behandlung habe sich sein Mandant zu Recht gewehrt: Er sei bereits erkennungsdienstlich behandelt worden.
Am Freitag nun kam es wieder zur Ingewahrsamnahme von Marc S., als er Polizeibeamte in Zivil, die ihn observierten, fotografiert hatte und sein Handy nicht abgeben wollte. „Meiner Kenntnis nach gab es keine neuen Verletzungen“, erklärte der Polizeipräsident. Vielmehr sei die alte Wunde aufgeplatzt.
Das sei offenkundig unwahr, kontert Jöster. Nach den Fotos, die er gemacht hat, gab es die alte vernähte Wunde auf dem Kopf und eine neue blutende Wunde auf der anderen Seite des Kopfes, am Ohr.
Einen Haftbefehl gegen Marc S. gibt es nach wie vor nicht. Dass an dem Hinweis, dass ein Mordkomplott geplant sei, etwas dran sei, schließt die Polizei aus der Tatsache, dass sich normalerweise niemand aus der Salafisten-Szene direkt an die Polizei wendet.
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