piwik no script img

Debatte über SteuerpolitikDatenkauf verschärft Krise in Schweiz

Die deutsche Entscheidung zum Daten-Ankauf hat in der Schweiz die Debatte über den Umgang mit dem Bankgeheimnis verschärft. Vielen Schweizern ist der Kurs ihres Landes suspekt.

Hadern um den Umgang mit Steuerbetrugsdaten: Schweiz und Deutschland. Bild: dpa

GENF taz | Die Entscheidung der Bundesregierung zum Ankauf der Daten von 1.500 deutschen SteuerbetrügerInnen mit Konten in der Schweiz hat die dort schon lange schwelende politische Führungskrise beim Umgang mit dem Bankgeheimnis und den kriminellen Praktiken der eigenen Geldinstitute noch einmal erheblich verschärft. Während Politiker der bürgerlichen Mitteparteien FDP und CVP sowie der rechtspopulistischen SVP weiterhin auf eine völlig aussichtslose Konfrontation mit Berlin setzen, fordern Wirtschaftsvertreter und Grüne-Politiker die Regierung auf, die Altlasten endlich zu bereinigen und eine "Vorwärtsstrategie" zu ergreifen. Das von ihnen ausgegebene Ziel: die Sicherung der langfristigen Interessen des Finanzplatzes Schweiz.

Als Vorbild dient ihnen die ehemalige Steueroase Liechtenstein, die vor zwei Jahren nach dem Verkauf der Daten von 770 deutschen Steuerbetrügern an den Bundesnachrichtendienst zunächst eine ähnlich schwere Krise erlebt hatte. Inzwischen hat Liechtenstein die - in der Schweiz nach wie vor geltende - Unterscheidung von strafbarem Steuerbetrug und straffreier Steuerhinterziehung sowie das Bankgeheimnis für unversteuerte Auslandsvermögen aufgehoben.

In bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen mit einer ganzen Reihe von Staaten hat das Fürstentum Regelungen zur Amtshilfe bei künftigem Verdacht auf Steuervergehen sowie zur - zumeist straffreien - Nachbesteuerung von Vermögen vereinbart, die AusländerInnen in der Vergangenheit auf den Konten in Liechtenstein vor dem heimischen Fiskus versteckt haben.

Die Schweizer Regierung ist bislang nicht bereit, so weit zu gehen. Bei den Verhandlungen mit Deutschland, Frankreich und anderen Staaten über ein Doppelbesteuerungsabkommen verlangt Bern eine weitreichende Amnestie für unversteuerte Altvermögen auf Schweizer Konten. Durch einschränkende Bedingungen für künftige Amtshilfe an andere Regierungen soll das Bankgeheimnis de facto möglichst weitgehend erhalten bleiben. Amtshilfe will die Regierung nur gewähren, wenn ihr ein mit ganz konkreten Namen und Kontendaten begründeter Verdacht auf Steuervergehen vorgelegt wird.

Doch wenn eine ausländische Regierung diese Informationen bereits hat, benötigt sie in der Regel keine Amtshilfe mehr. So geht es Paris mit den kürzlich gekauften 130.000 Kundendaten der HSBC und Washington im Fall von 52.000 US-Kunden der UBS. Und wenn Berlin die CD mit 1.500 Kundendossiers von einem Datenhändler erwirbt, kann es ebenfalls auf Hilfestellung verzichten. Deshalb sind all die Drohungen und Forderungen aus Bern, der bundesdeutschen Regierung im Fall der CD-Daten "jegliche Amtshilfe zu verweigern" und zusätzlich die Verhandlungen über das Doppelbesteuerungsabkommen zu suspendieren, vollkommen irrelevant und leeres Getöse.

Der grüne Parlamentsabgeordnete Daniel Vischer forderte gestern, Steuerhinterziehung nicht nur für Ausländer, sondern auch für SchweizerInnen strafbar zu machen. Denn die Eidgenossen hinterziehen jährlich mindestens zehn Milliarden Franken Steuern, rund zehn Prozent des gesamten Steueraufkommens. Die einheimische Steuermoral ist seit den 90er Jahren deutlich schlechter geworden, auch weil der Staat ausländische Steuerhinterzieher schützt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

16 Kommentare

 / 
  • HO
    Hans Otto

    @Masson. Das mit den 35% Quellensteuer ist (fast) richtig. Richtig ist, dass die Schweiz der EU 35% auf alle Erträge (also Banken, Versicherungen etc.) angeboten hat. Das Problem ist nur, dass der Eine (F) die Aktien befreit haben wollte, der Andere (GB) die Hedge Fonds nicht dabei haben wollte, der 3. (D) nur 20% wollte und dafür allmähliche Erhöhung auf 35% usw.

    Das ganze Theater inkl. dem automatischen Datenaustausch verstehe ich effektiv nicht. Ich glaube kaum, dass Sie eines Tages z.B. bei Aldi für 1.5 Heiri Schulz einkaufen können. Sie werden dort immer Euros brauchen. Und solange keine Steuern zu bezahlen billiger ist als wenig Steuern zu bezahlen, wird es immer Steuerbetrug geben. Dass die Schweiz deshalb die Verrechnungssteuer (Quellensteuer) eingeführt hat, ist meiner Ansicht nach der einzige logische Schritt. Diese Steuer ist teurer als das Versteuern. Wenn wir das Geld versteuern erhalten wir von Steueramt die Verrechnungssteuer zurück. Trotzdem lässt sich anhand der nicht abgeholten Verrechnungssteuer errechnen, dass in der Schweiz jährlich ca. 10 Mia Fr hinterzogen wird. Nicht erfasst sind hier die Beträge die im Ausland (z.B. Süddeutschland, Vorarlberg, GB, USA) hinterzogen werden.

  • A
    Auslandschweizer

    Der große Dieb (BANK) wird vom kleinen Dieb (Kundendaten)bestohlen! Es hat mich sehr getröstet die Kommentare der "kleinen" Schweizer zu lesen!

    Weg mit dem Bankgeheimnis! Weg mit dem Blut-Geld

    von Diktatoren, Maffia, etc. Der Schweizer ist klüger als seine Regierung!

  • HO
    Hans Otto

    @Masson. Das mit den 35% Quellensteuer ist (fast) richtig. Richtig ist, dass die Schweiz der EU 35% auf alle Erträge (also Banken, Versicherungen etc.) angeboten hat. Das Problem ist nur, dass der Eine (F) die Aktien befreit haben wollte, der Andere (GB) die Hedge Fonds nicht dabei haben wollte, der 3. (D) nur 20% wollte und dafür allmähliche Erhöhung auf 35% usw.

    Das ganze Theater inkl. dem automatischen Datenaustausch verstehe ich effektiv nicht. Ich glaube kaum, dass Sie eines Tages z.B. bei Aldi für 1.5 Heiri Schulz einkaufen können. Sie werden dort immer Euros brauchen. Und solagen keine Steuern zu bezahlen billiger ist als wenig Steuern zu bezahlen, wird es immer Steuerbetrug geben. Dass die Schweiz deshalb die Verrechnungssteuer (Quellensteuer) eingeführt hat,ist meiner Ansicht nach der einzige logische Schritt. Diese Steuer ist teurer als das Versteuern. Wenn wir das Geld versteuern erhalten wir von Steueramt die Verrechnungssteuer zurück. Trotzem lässt sich anhand der nicht abgeholten Verrechnugssteuer errechnen, dass in der Schweiz jährlich ca. 10 Mia Fr hinterzogen wird. Nicht erfasst sind hier die Beträge die im Ausland (z.B. Süddeutschland, Vorarlberg, GB, USA) hinterzogen werden.

  • W
    Westberliner

    Wenn ein Banker dieses Geschäft mit der CD machen könnte, würde er auf "Kaufen" gehen.

  • JD
    Jupp Derwall

    Die SZ hat gestern auf einen Artikel der schweizerischen Zeitung NZZ hingewiesen. In diesem wird berichtet, dass die Schweizer Behörden im Jahr 2000 in einem ähnlich gelagerten Fall identisch gehandelt haben. Damals ging es um Bankdaten Schweizer Bürger die einer Liechtensteiner Bank entwendet wurden. Besonders interessant: Einer der Betroffenen reichte Klage ein und das Bundesgericht in Lausanne entschied, dass die Verwendung illegal erworbener Daten rechtmäßig sei.

     

    http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/ungemuetlicher_bundesgerichtsentscheid_aus_dem_jahr_2007_1.4306555.html

     

    Nach Lektüre dieses Artikels erscheint einem die aktuelle Diskussion etwas albern.

  • M
    masson

    nur eine frage, ist es richtig das die schweiz 35% quellensteuer auf die guthaben erhebt und an deutschland abführt? wenn ja, in deutschland hat man gerade den pauschalsatz 25% eingeführt. ein steuersünder in der schweiz würde so an den deutschen staat mehr bezahlen als in deutschland.

    das vorgehen gegen einen kleinen staat wie die schweiz, sieht fast wieder einmal nach deutscher graoßmannsucht aus.

    wie gesagt alles nur eine nachdenkliche frage.

  • HM
    Horst Mayer

    Die Schweiz geht einen schweren Gang: Auf der Verlierer-Straße. Gottlob !

     

    Und gottlob lassen sich offensichtlich immer mehr vernünftige und redliche Schweizer nicht mehr auf das Glatteis "Wir armen redlichen Schweizer werden von den arroganten, unverschämten, großmacht- hungrigen etc. pp. Deutschen attackiert" verführen.

     

    In wenigen Jahren wird man nur den Kopf schütteln über das sture Festhalten der mächtigen Großkopferten in der Schweiz an Praktiken, die seit vielen Jahrzehnten zum Himmel stinken.

     

    Trotz dieser Zuversicht:

     

    Gebt ihnen einstweilen Saures!

     

    Redliche Menschen beiderseits der Grenzen werden dann ihre Vorbehalte gegeneinander auf niedliche Dimensionen wie Auftreten und Sprachgebaren reduzieren.

  • GD
    GTI DRIVER

    WARUM WEHREN DIE SICH NICHT?

     

    Ich versteh die Schweizer nicht. Warum wehren die sich nicht? Warum schlagen die nicht zurück?

     

    Es müssen sich doch in Schweizer Banken auch Konten von aktuellen oder ehemaligen deutschen Politikern - oder deren Angehörigen - finden. Ein kleines Leck ---- und schon ist in der hiesigen Neidgesellschaft die Hölle los.

     

    Die Schweiz hat doch einen Geheimdienst. Hoffe ich jedenfalls. Die müssen doch irgendetwas wissen. Irgendetwas Verwertbares über Berliner Politiker.

     

    Also, wenn mir jemand so mitspielen würde wie Berlin schon wiederholt der Schweiz ---- dann würde ich mich wehren, und dann ging's rund.

  • P
    Planck

    Zunächst im Titel so korrekt "...in Schweiz..." schreiben, nur um dann schon in den ersten Zeilen (und im weiteren Verlauf) wieder zu "...der Schweiz" zu wechseln.....

  • M
    munin

    Tja, "die" Schweiz steht zu Ihrer Klientel, die uns in der Bundesrepublik eine merkwürdige Diskussion aufzwingt. Datenschutz für die die sich Steuerhinterziehungskonten leisten können?

  • G
    Georg

    Haaaallo ! Liegt es vielleicht daran, dass der deutsche Staat die faulen Nichtsteuerzahler schützt und die - in der Regel - fleissigen, hart arbeitenden SteuerzahlerInnen bestraft? Nur 8% der Steuerzahler bringen in Deutschland die Masse der Steuern auf. Wo ist noch was zu holen? Bei dem Drittel, die gar keine Steuern zahlen, aber von den SteuerzahlerInnen ganz gut leben, ist nix zu holen. Das mittlere Dritel zahlt wenig Steuern. Also? Genau! Bei den Vielsteuerzahlern , da ist doch noch was zu rauben. In Deutschland ist der Staat der Abzocker, nicht der, dem es reicht. Leute: wenn ihr richtig Geld verdient, hier mein Rat: haut ab !!! Dieses Land ist künftig kein Sozialstaat mehr, sondern ein sozialistischer Staat...

  • MS
    Mike S.

    Der Artikel verliert völlig die Tatsache aus den Augen, dass die Daten auf der CD illegal beschafft wurden. Das der Deutsche Staat einen Dieb bezahlt ist ein riesen Skandal.

    Würde der BND selbst in die Banken einbrechen und die Daten besorgen wäre das Verständnis in der dt. Bevölkerung wahrscheinlich nicht so groß, aber etwas anderes wie jetzt wäre es auch nicht: ein Angriff auf einen souveränen befreundeten Staat!

  • MK
    michael k

    Meiner Ansicht nach begehen die Schweizer Geldhäuser Beihilfe zur strafbaren Steuerhinterziehung bzw Steuerbetrug, insbesondere wenn diesmal ein dringender Tatverdacht besteht. Auch der Staat Schweiz, ansonsten Vorreiter hinsichtlich Einhaltung von Ordnungsprinzipien macht sich hier mitschuldig.

     

    Der "Volkssport" der Vermögenden hier, Steuern legal oder illegal nicht zu zahlen gehört dazu

  • M
    maya

    Super Sache, wenn ihr gendert, aber dann müsst ihr auch konsequent bleiben ;)

  • BT
    Beat Thalmann

    Dieser Bericht ist meiner Meinung nach eher ein persönlicher Kommentar vom Autor - nicht der erste leider...

  • H
    hto

    "Denn die Eidgenossen hinterziehen jährlich mindestens zehn Milliarden Franken Steuern, ..."

     

    Ein Leben OHNE Steuern, also dann auch ohne Steuerhinterziehung, ist absolut machbar - wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen Menschen gehört, kann PRINZIPIELL alles menschenwürdiger / demokratischer organisiert werden, auf der Basis eines bedingungslosen / spekulationsfreien MENSCHENRECHTS auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen / Möglichkeiten / wahrhaftigen Freiheiten und wirklichen Werteordnungen!!!

     

    Ein Leben OHNE Schizophrenität / OHNE geistigen Stillstand zum Wohle der Hierarchie in materialistischer "Absicherung" und des "freiheitlichen" Wettbewerbs / OHNE die konfusionierende Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll.