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Debatte über Cannabis-FreigabeSPD will erst mal einen drehen

SPD und Grüne fordern Cannabis-Freigabe für Kranke. Die Linkspartei findet das gut, will aber eine Freigabe für alle. Das finden die Grünen gut, aber die SPD nicht.

Diese Cannabispflanzen aus Burglesum wurden nicht legalisiert, sondern vernichtet. Bild: Pressestelle Polizei

„Derzeit sieht der Senat keine Veranlassung, Initiativen zur Änderung des BtMG (Betäubungsmittelgesetz) zu ergreifen“, hieß es im September auf eine Anfrage der Linksfraktion zur aktuellen Drogenpolitik in Bremen. Seit der gestrigen Sitzung des Landtags sieht das anders aus: Nun will der Senat sich dafür einsetzen, PatientInnen den Zugang zu Cannabis zu erleichtern. Und ein Antrag der Linksfraktion auf Erhöhung der Cannabis-Eigenbedarfsmenge und auf Prüfung der kontrollierten Abgabe von Cannabis soll nun im Gesundheits- und Rechtsausschuss diskutiert werden.

Die Linksfraktion beruft sich auf den „Schildower Kreis“, ein ExpertInnen-Netzwerk gegen Drogenprohibition. Der fordert in einer von 122 StrafrechtlerInnen unterschriebenen Petition an den Bundestag eine Enquete-Kommission zur Überprüfung der Strafbarkeit von Cannabis-Konsum. Denn das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) bedeute kostspielige Strafverfolgung und werde sinnvollen präventiven Zielen der Drogenpolitik nicht gerecht.

Über 60 Prozent der BtMG-Delikte in den Jahren 2012 und 2013 bezogen sich auch in Bremen nicht auf den Handel, sondern lediglich auf Besitz und Erwerb von Cannabisprodukten. Auf Bundesebene, so Linksfraktionsvorsitzende Kristina Vogt, müsse Bremen sich für eine wissenschaftliche Evaluation des Betäubungsmittelrechts einsetzen, um mittelfristig eine grundlegende Reform des Drogenstrafrechts zu erwirken.

Auf Landesebene spricht sich die Linke für eine Erhöhung der Cannabis-Eigenbedarfs-Menge von sechs auf 15 Gramm aus. Daneben fordert sie, im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojektes die Einrichtung einer staatlich kontrollierten und dem Jugendschutz unterworfenen Abgabestelle für Cannabisprodukte zu prüfen und ein Konzept zur Einrichtung eines „Drugchecking“-Angebotes zu entwickeln. KonsumentInnen sollen hier Inhalte und Wirkstoffgehalt der Droge prüfen können.

Während CDU und Bürger In Wut (BIW) den Antrag erwartungsgemäß ablehnten, erklärte Kirsten Kappert-Gonther, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen: „Die aktuelle Drogenpolitik ist gescheitert und gehört auf den Prüfstand.“ Neunmal mehr Geld würde für die Strafverfolgung ausgegeben als für Prävention und Gesundheitsschutz. Die Grünen unterstützten den Antrag, der nun im Gesundheits- und den Rechtsausschuss geprüft werden soll. Ein eigener Antrag der Grünen ist freilich kleiner ausgefallen: Gemeinsam mit der SPD fordern sie, dass sich der Senat auf Bundesebene für eine Übernahme der Kosten für Cannabisprodukte durch die Krankenkassen einsetzt, wenn Krebs- oder MS-PatientInnen diese aus medizinischen Gründen benötigen.

Mehr war mit der SPD nicht zu machen – den Modellversuch lehnt sie ab: „Wir sollten uns erst die Ergebnisse entsprechender Versuche in Köln und Frankfurt anschauen, bevor wir selber einen starten“, sagte Winfried Brumma, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Auch eine Anhebung der Eigenbedarfsmenge begrüße er lediglich auf Bundesebene.

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4 Kommentare

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  • Kein Wunder, dass unsere Jugendlichen keine Politik mehr interessiert...

  • 600.000 cannabis "abhängige" gegen ca. 3 Millionen alkis.

    Dauer Konsumenten von cannabis gelten als antriebslos vergesslich und faul , liegt vielleicht darin dass man so ist wenn man stoned ist ??? Was ist los mit den Leuten .. und wie geht's den Alkohol und Tabak abhängigen?

    Von weißen Mäusen bis hin zu schmerzhaften Finger stechen von Zigaretten. Kalter Alkohol Entzug ist tödlich!!!!! Kalter cannabis Entzug dagegen nicht.

    Alle regen sich auf weil jugendliche cannabis ausprobieren . Wenn aber Jugendliche sich jede Woche vor irgendwelchen Clubs die seele aus dem Leib kotzen wird weggeschaut weil das ja legal ist ! Das gefährlichste am cannabis Konsum ist schlicht und einfach die StrafVerfolgung! Das ist auch schlimm für den Steuer zahler den im Prinzip wird jedes 3te Verfahren eingestellt und ist somit verschwendetes Geld das man an anderen Ecken viel besser gebrauchen könnte !

    marlene mortler da müssen wir gar nicht erst anfangen drüber zu diskutieren den die sagt nur das es illegal und schädlich ist aber wirkliche Gründe kann die slut und nicht sagen und mal ganz ehrlich was sind ein paar psychosen gegen Todesopfer die es jedes Jahr durch legale Drogen gibt! !

    cannabis ist aus meiner sicht illegal weil die Menschen dann so oder so lieber cannabis konsumieren und das hat die folge das die Alkohol lobby sowie die pharma Lobby Gewinn einbüßt!

    Ich fordere eine gegenüber Stellung mit Georg wurth vom dhv und marlene mortler! !!

    An die deutsch lehrer hier: ich entschuldige mich für die zahlreichen Rechtschreibfehler .

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "SPD und Grüne fordern Cannabis-Freigabe für Kranke."

     

    Da wir alle krank am Geist des nun "freiheitlichen" Wettbewerbs sind, und die Kranken der 1. Klasse vor allem von neuen Verordnungen profitieren, werden die Parlamentarier zuerst das gute Zeugs rauchen und / oder verbacken dürfen!? :-)

  • Wer bislang noch eines Beweises bedurfte, dass moderne Politik bei rot-grün nur mit einem Korrektiv der Linken zustande kommen kann, sollte nun befriedigt sein:

     

    Wer, wenn nicht rot-grün wäre denn eigentlich in der Lage, zumindest auf kommunaler Ebene Modellprogramme zu initialisieren und damit eine konstruktive Vorlage für den Bund zu schaffen? Aber auch hier kann man berechtigt darauf hoffen, dass die Merkel CDU rot-grün bald links überholt.

     

    Erneut versackt die Bremer Regierung in mutloser Duldungsstarre, was angesichts der finanziellen Situation Bremens umso unverständlicher scheint,

     

    Anstatt Gelder in der Strafverfolgung zu verschleudern, könnte man im Bereich Drugchecking fast kostenneutral modern agieren, indem man die Untersuchungsbefunde beschlagnahmter Drogen einfach der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen würde.

    So könnten Drogenuser zumindest an Informationen über Inhaltsstoffe derzeit gehandelter Drogen gelangen.

     

    Eine halbherzige Freigabe des Überdenkens einer Freigabe zu rein medizinischen Zwecken beweist erneut die Hasenfüßigkeit der Bremer Rot-Grün Suppe. Typisch Bremen: Alles machen wollen, aber nichts wirklich richtig.

     

    Natürlich geht es hier nicht nur um die medizinische Notwendigkeit (und die Notwendigkeit eines Alibis), sondern um das Recht auf Rausch,- sprechen wir es doch einmal deutlich aus.

    Freigabe von Cannabis unter sauberen gesetzlichen und formalen Bedingungen sind der einzig realistische Weg, den sowieso schon bestehenden Konsum in geordnete Bahnen zu lenken, Kriminalisierung zu vermeiden, Kosten zu senken und neue Einnahmequellen zu schaffen.

     

    Die hier eingesparten und neu gewonnenen Ressourcen ließen sich gut in Prävention und Verbesserung der personellen Situation der Bremer Polizei stecken und die Bremer Regierung könnte vielleicht einmal zeigen, dass sie auch regieren und nicht nur verwalten kann.

     

    Persönlich jedoch glaube ich jedoch eher, dass sich ein Rudel Hunde einen Mettvorrat anlegen würde...