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Debatte in FrankreichKeine Einbürgerung wegen Burka

Weil seine Frau den Ganzkörperschleier trägt, verweigert die Regierung einem Muslim die Staatsbürgerschaft. Das sei unvereinbar mit den Grundwerten der Republik.

Der Ganzkörperschleier wird in Frankreich gerade kontrovers diskutiert. Bild: dpa

PARIS taz | Die französische Regierung will die noch laufenden Debatte über die Ganzkörperschleier (Nikab und Burka) mit einem Exempel beschleunigen. Per Dekret lehnte Immigrationsminister Eric Besson am Dienstag den Einbürgerungsantrag eines Marokkaners ab, weil seine Gattin aus religiösen Gründen das Haus nur ganz verschleiert verlassen darf. Besson stützt sich auf ein Gutachten des obersten Verwaltungsgerichts, das zum Schluss kam, der betreffende Mann habe "im Alltag einen diskriminierende Haltung, die so weit geht, dass er sich weigert, Frauen die Hand zu geben, und eine Trennung der Mädchen und Knaben, selbst der jüngsten Brüder und Schwestern einer Familie, verlangt".

Seine Gattin, die wie ihr Mann der sehr strenggläubigen Tabliq-Bewegung angehört, stimme dem zwar zu. Dennoch sei eine solche Lebensweise, "auch wenn sie mit religiösen Vorschriften gerechtfertigt wird, mit den Grundwerten der Republik, und namentlich mit dem Grundsatz der Gleichheit der Geschlechter, unvereinbar". In diesem Entscheid wird also nicht die Tatsache, dass der Gatte einen Zwang ausübt, angekreidet, sondern eine mit den französischen Grundwerten in Widerspruch stehendes Verhalten, das "die vom Artikel 21-4 im Zivilgesetzbuch vorgesehenen Bedingungen einer Assimilierung nicht erfüllt".

Premierminister François Fillon erklärte gestern im Radio, er werde Bessons Dekret unterschreiben und damit rechtsgültig machen: "Das Zivilrecht sieht seit langem vor, dass man die Einbürgerung einer Person ablehnen kann, wenn diese die Grundwerte der Republik nicht respektiert." Weniger formell fügte der Regierungschef als Warnung für andere an: "Wenn dieser Mann seine Einstellung nicht ändert, hat er in unserem Land keinen Platz. Auf jeden Fall verdient er es nicht, die französische Staatsbürgerschaft zu erhalten." Eine Premiere ist dieser Entscheid nicht ganz, denn 2008 war bereits einer Marokkanerin die Einbürgerung verwehrt worden, weil das Verwaltungsgericht an ihrer "mit den Grundwerten unvereinbaren, radikalen Ausübung ihrer Religion" Anstoß nahm.

Der jetzt von Besson geschaffene Präzedenzfall ist nur vor der laufenden Diskussionen über eine "Burka-Verbot" und der Debatte über die nationale Identität zu verstehen. Besson hatte vorweggenommen, dass für ihn eine integrale Verschleierung mit der französischen "nationalen Identität" nicht kompatibel sei. Wie sein Regierungskollege, Innenminister Brice Hortefeux, möchte er, dass den verschleierten Frauen und auch ihren Ehegatten die Aufenthaltsbewilligung systematisch verweigert wird und erst recht die Einbürgerung, denn das sei wie die "Aufnahme in die nationale Gemeinschaft". Die Vizevorsitzende der rechtsextremen Front National, Marine le Pen, forderte im Radio prompt, dass der Mann sofort vor Gericht gestellt und ausgewiesen werden müsse.

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26 Kommentare

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  • D
    Dimitri

    Ganz unabhängig davon, ob man selbst rechts oder links ist, muss man anerkennen, dass in dem hier beschriebenen Fall die Werte der Republik und der Aufklärung dermaßen offen mit Füßen getreten werden, dass von einer Einbürgerung keine Rede sein kann. Religiöser Fanatismus ist mit der Demokratie westlicher Prägung unvereinbar. Ganz egal, ob sich die Frau freiwillig den Zwängen unterwirft oder nicht. Frankreich hat nicht umsonst den katholischen Klerikalismus bekämpft, um dann den muslimischen zu tolerieren. Religiöse Vorurteile sind problematisch, ganz egal ob sie christlich oder muslimisch, oder gar jüdisch sind, aus ihnen winkt uns das Mittelalter herüber. Und gerade als Linke/r muss man vorsichtig sein, religiöse Toleranz mit der Akzeptanz und Förderung des religiösen Fundamentalismus zu vermischen.

  • J
    Janet

    "Toll" find ich ja den Kommentar dazu auf der Titelseite!

    Da ist die Rede davon, dass Frankreichs Frauen kaum Rechte hätten:

     

    "Leider beruft sich Nicolas Sarkozys Regierung

    nur dann auf die Frauenrechte,

    wenn es ihr gerade in den Kram passt.

    Ohne Gewissensbisse toleriert sie, dass

    Frauen rund 20 Prozent weniger verdienen

    als erwerbstätige Männer. Oder dass

    das Recht auf Verhütung und vor allem

    auf den Schwangerschaftsabbruch ernsthaft

    infrage gestellt wird, weil aufgrund

    gekürzter Subventionen viele Frauenberatungszentren schließen müssen.

    Sie ist

    darum kaum berechtigt, anderen feministische

    Lektionen zuerteilen."

     

    Hallo???

    Frauen in Deutschland bekommen meist 23% weniger Lohn als Männer!

    Von den anderen Vorwürfen sind wir auch nicht weit entfernt!

    Es gibt kaum Kinderbetreuungsplätze und solange in Deutschland ein Kind ein Armutsrisiko darstellt, sollten sich manche Kommentatoren an die eigene deutsche Nase fassen!

  • WE
    wahre Europäerin

    BRAVO! Wann werden endlich in Dt und im Rest von Europa solche Maßnahmen getroffen? das ist doch schon längst überfällig! Warum wird zugelassen, dass unsere über bootJahrhunderten erworbenen Werte auf diese Weise für alle offensichtlich unterlaufen werden?

  • U
    UweRietmöller

    Die Einschläge kommen näher

     

    Wie oft haben uns taz & Co. den Schwampf aufgetisch von den „Frauen, die selbstbewusst ein Kopftuch tragen“?

    Nun also die Burka. Mal sehen, ob wir auch lesen werden von den „Frauen, die selbstbewusst die Burka tragen“.

     

    Und noch mehr interessiert uns wie lange es dauert bis es endlich Klick macht über die ware Natur des Islam. Und die waren Ziele dieser politischen Bewegung.

    Oder will uns hier immer noch jemand das Märchen von „Toleranz“ und „Religionsfreiheit“ auftischen?

  • M
    montrose

    Herr Balmer ist wohl der Meinung: "Am links-liberalen deutschen Wesen soll die Welt genesen". Solche Migranten lehnen die westliche Lebensweise ab, nehmen aber alles, was diese Lebensweise zu bieten hat, ob Arbeitsmarkt, Sozialhilfe oder Gesundheitsfürsorge. Das ist schlichtweg Heuchelei.

  • E
    Eser

    Hm, bist du vielleicht Lehrerin auf dem afghanischen Hochland? Ich habe solche Zustände nicht in dem Umfang bemerkt, den du vorgibst, er sei alltäglich. Auch in meinem muslimischen Umfeld (Familie, Freunde) gibt es keine einzige (!) burkatragende Frau. Die Burka wird auch von unseren religiösen Großeltern offen verachtet und verurteilt. Es gibt sogar Fälle, wo die Frau den Mann unterdrückt ;-)

    Ich finde diese Entscheidung im Kern auch richtig, gerade bei solchen Fällen krasser kultureller Differenz. Kulturelle Differenz ist leider etwas, was man akzeptieren muss, wenn man in einer Demokratie lebt und sie auch praktizieren möchte.

    Die ganz konkrete Frage, die im Text nicht beantwortet wird, ist: Wird die Frau zur Burka gezwungen? Nur weil wir es selber nicht verstehen und nachvollziehen können, gibt es durchaus Frauen, die diese freiwillig tragen.

  • C
    clementine

    Respekt für die klare und eindeutige Haltung der Franzosen! Und dieser Mann dürfte auch nicht böse drum sein, so bleibt ihm die tägliche Zumutung des Anblicks all der unverschleierten Frauen um ihn herum erspart, die ihn am Ende gar mit einem Handschlag bedroht hätten.

  • M
    marcus

    schön wäre wenn merkel und de maiziere so viel courage hätten ...

  • J
    Janina

    Der Name ist "Jean-Marie Le Pen".

  • D
    Daniel

    Ich will nur kurz anmerken:

     

    Was gibt euch das Recht oder auch die Gewissheit, über die Intention des Mannes zu urteilen und jene Urteile als unumstößlich, für o b j e k t i v gültig zu betrachten?

    Genau darin spiegelt sich das Problem dieser ganzen Debatte wider: Bewertung von Maßstaben einer Ansicht. Eine derartige Diskussion führt zu nichts, da hier zwar Meinungen aufeinandertreffen - ja, Religion ist für mich auch nur e i n e Sicht -, diese jedoch als Wahrheiten verkauft werden.

     

    Kurz um: Solange es Menschen und Meinungen gibt, wird sich in dieser Debatte nichts bewegen.

     

    Meine Meinung dazu: Da sieht man wieder: Religion führt vereinzelt zur Ausschaltung der Vernunft, die die Tradition jedoch kritisch hinterfragt.

  • P
    Pat

    Ich gebe den vorhergegangenen Kommentaren Recht. Religiöser Fanatismus ist in der Tat gefaehrlich. In Zukunft sollte deshalb auch dem Papst die Einreise nach Deutschland verwehrt werden.

  • G
    Gunter

    In Österreich will Justizministerin Bandion-Ortner den religiösen Hintergrund von Straftaten künftig als "Erschwerungsgrund" festschreiben. Während in vielen europäischen Staaten gehandelt wird, so wie auch jetzt in Frankreich, passiert in Deutschland nichts. Es wird gezaudert - verharmlost und vor allem gelabert ohne Konsequenzen zum Schutz der Bürger - die hier gewaltfrei und ohne religiöse Fanatiker leben wollen.

  • GK
    Guido Kraemer

    Der Laizismus erlaubt es unseren französischen Nachbarn, in diesem ganzen Themenkomplex wesentlich effizienter, d.h. schneller und rigoroser zu handeln.

    In Deutschland werden wir diese Dinge sehr viel schwieriger in den Griff bekommen, so lange unser Staat die Kirchensteuer eintreibt, die Bischöfe und andere kirchliche Würdeträger bezahlt und in öffentlichen Räumen, in denen der Bürger dem öffentlichrechtlichen Gewaltverhältnis unterliegt, allenthalben das Kruzifix seine Wirkung entfalten kann - oder soll. Der verbindliche Religionsunterricht an unseren Schulen erfordert nun auch noch islamische ( sunnitische, schiitische, alevitische ...?)Lehrstühle an unseren Universitäten ( mit Frauen als Dozenten? ).

    Was die Religionswissenschaften nicht abdecken gehört sowieso nicht an staatliche Hochschulen.

  • P
    Peter

    Wer seien Frau als seinen Besitz betrachtet hat in der EU nichts zu suchen.

     

    Die Feministinnen würden rotieren wenn dieser Mann eingebürgert werden würde.

  • BS
    Biodeutscher Sozialromantiker

    Islamophobie pur!

     

    Wie schrecklich, ich kann nur hoffen, dass diese arme Menschen in Deutschland aufgenommen werden und hier eine Ehrenbürgerschaft bekommen, wir müssen andere Kulturen als Bereicherung sehen und nicht über sie urteilen.

    Es wird sich vermutlich bald eine breite Front aus Grünen, Linken, Gewerkschaften und Kirchen bilden die für diese Menschen demonstriert, vielleicht ein evangelischer Pastor der ihnen ein Domizil gibt und anschliessend eine Sendung bei Beckmann?

     

    Ich kann diese islamophobe Hetze hier bei taz nicht mehr aushalten.

  • M
    Mohammed

    Unfug. Die Burka ist das frauenfreundlichste kleidungsstück. Es schütz die unschuldigen vor gierigen blicken ! Die voyeure in der EU stellen ihre Frauen udn ihre töchter gerade zu zur schau. Ich finde das pervers.

  • B
    Blubb

    Theoretisch sollte das keine Schlagzeile wert, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Ist aber schon mal ein Fortschritt.

  • B
    Burkini

    Hat auch irgendjemand die Frau gefragt oder einfach nur mal wieder "angenommen", dass es sicher ein Zwang sein muss....Ups, vergessen, Frauen haben unter den Kopftüchern/Schleiern ja kein Gehirn bzw. sind einer Sprache nicht mächtig. Ironie Ende...

  • M
    Majo

    "Solche Menschen hätten "keinen Platz in unserem Land"."

     

    Stimmt für Frankreich und stimmt für Deutschland, religiöse islamische Fanatiker will niemand in seinem Land haben. Sie sind auch in Deutschland nicht willkommen, überhaupt nicht.

  • KF
    Keine Feministin

    BRAVO !!

  • C
    Cecilia

    Solche Menschen sollten nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa kein Platz haben.

  • O
    Oberhart

    Wo ist das Problem. Offene Feinde der Menschenrechte sollten in der EU nichts zu suchen haben. Ich frage mich, was der Mann hier will? Er lehnt unsere Werte komplett und offen ab.

     

    Eigentlich sollten solche Menschen nirgendwo auf dem Erdball willkommen sein. Aber ganz sicher nicht hier. Wenn eine Abschiebung möglich ist, sollte Frankreich keine Zeit verlieren!

     

    PS: Mein Beileid der Familie. Denen sollte definitiv ein Platz in einem Frauenhaus angeboten werden.

  • K
    keetenheuve

    Das ist doch alltäglich, jedenfalls dass muslimische Männer ungern oder am besten gar nicht Frauen die Hand geben. Wer schon mal als Frau etwas Kontakt mit ihnen hatte, z. B. bei Elternsprechtagen als Lehrerin, in Ämtern oder bei ähnlichen Gelegenheiten, wird das sicher gemerkt haben. Diese "kulturelle Differenz" muß von uns eben im Zeichen der multikulturellen Gesellschaft ertragen werden. Wir können schon froh sein, wenn die Frauen nicht auch noch in Burka-Käfige gesteckt werden oder wegen ihres "westlichen" Lebenswandels von der Familie umgebracht werden.

  • F
    Flo

    Find ich richtig!

     

    Ich hätte die Einbürgerung auch verweigert!

  • A
    Amos

    Trüge ein Lepra-Kranker solch eine Burka wäre das ja noch verständlich, aber so(...)tiefes Mittelalter. Das haben die Europäer sich alles selbst zuzuschreiben.

    Bei anständiger Familien-Politik und Rotationsprinzip,

    hätten sie das alles nicht am Hals. Aber wenn man sich von der Industrie vorschreiben lässt, was man zu machen hat, kommt das eben dabei heraus.

  • E
    eppelein

    bravo. Hat sich wohl verlaufen und wollte nach Saudi