Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Hört alles auf mein Kommando?

Regierungschefin Giffey (SPD) stellt die Richtlinien der Senatspolitik vor, die sie laut Verfassung bestimmt. Die sind aber nicht Giffey pur.

Das Foto zeigt Regierungschefin Franziska Giffey von der SPD am Rednerpult des Abgeordnetenhauses.

Franziska Giffey (SPD) stellte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus die Richtlinien ihrer Politik vor Foto: dpa

BERLIN taz | Am Roten Rathaus steht seit Dezember schon korrekt, wer da zu Hause ist, nämlich: „Die Regierende Bürgermeisterin“. Die Berliner Verfassung hingegen ist noch nicht in der Franziska-Giffey-Ära, wenn sie sich in Artikel 58 zu deren Kompetenzen auslässt: „Der Regierende Bürgermeister bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik“ steht da. Diese Richtlinien hat Giffey am Donnerstag im Abgeordnetenhaus vorgestellt und beschließen lassen. Was aber nach weitreichender Macht klingt, ist im Kern ein Resümee des rot-grün-roten Koalitionsvertrags, nicht Giffey pur.

Eine solche Regierungserklärung und die Erwiderung darauf ist stets auch eine Kraftprobe für die Opposition, bei der es um die Frage geht: Wer führt die eigentlich an? Nominell ist das der Chef der größten oppositionellen Kraft, der CDU-Fraktion. Für deren neuen Vorsitzenden, Kai Wegner, aber ist es eine ganz neue Situation nach zuletzt 16 Jahren im Bundestag.

Da läge es nahe, die Erwiderung auf Giffey mit etwas Neuem, Überraschendem zu beginnen. Wegner aber benutzt das schon oft gehörte Bild vom Anfang, in dem, frei nach Hermann Hesse, ein Zauber liegen könnte, eine Chance auf einen Neustart – während Giffeys Richtlinien aus seiner Sicht bloß „ein quälendes Weiter-so und höchstens fauler Zauber“ sind. Für „erschreckend visionslos“ hält Wegner die Regierungserklärung, „ich sehe Stückwerk, ich sehe Klein-Klein“. Er selbst taucht aber auch schnell in ebensolches Kleinteilige ab, indem er als erstes Problem ausbleibende Untersuchungen für künftige Erstklässler anspricht.

Von Chaos ist bei dem CDU-Fraktionschef viel die Rede, und auch der schon manches Mal gehörte Satz kommt vor, dass die Koalition schlechte Politik für Berlin mache – dass Berlin Champions League sei, der Senats aber „maximal Kreisliga C“. So gesehen ist aber auch Wegners Rede mehr Säbel als Florett.

„Starke Opposition auf Augenhöhe“

Das wirft die Frage auf, ob der eigentliche Oppositionsführer nicht der ist, der gegen Ende der Debatte zu Wort kommt, FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. Der hatte es bei Giffeys Rede mit Zwischenrufen mehrfach geschafft, deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und von ihr direkt angesprochen zu werden. Das erscheint im Nachhinein wie ein Vorgriff auf Czajas Ankündigung, die FDP werde „starke Opposition auf Augenhöhe sein“.

Der FDP-Mann hält Giffey vor, was sie in ihrer Regierungserklärung alles nicht oder anders sagte als früher, etwa zu einer klareren Haltung oder roten Linie gegen Enteignung. Zuvor hatten Wegner und AfD-Fraktionschefin Kristin Brincker ihr vorgeworfen, im Koalitionsvertrag komme „Clan-Kriminalität“ nicht vor, gegen die Giffey sich oft wandte. „Sie wollten ein Zukunftsbild von Berlin zeichnen und haben dann doch etwas kleinteilig den Koalitionsvertrag referiert“, sagt Czaja

Dass dieses Referieren dennoch nicht langweilig wird, liegt daran, dass Giffey immer mal wieder für sie so typische menschelnde Sätze einbaut. Ein „Klaus ist mit dabei“ beschreibt dann etwa, dass auch Vize-Regierungschef Klaus Lederer von der Linkspartei am Freitag am Tisch sitzen soll, wenn das Wohnungsbaubündnis erstmals tage.

Giffey, die einst ein Lehramtsstudium wegen einer Stimmstörung aufgab, ist dabei auch nach rund 80 Minuten Redezeit noch gut im Fluss. Zum Ende, nach vielen Bezügen zur Gründung von Groß-Berlin vor über´100 Jahren und damaligen Wohnungsbauprojekten, lehnt sie sich an eine gleichfalls viele Jahrzehnte alte Aufforderung von Ex-US-Präsidenten John F. Kennedy an. Die Berliner sollten stolz auf ihre Stadt sein können, sagte Giffey – „und sich auch fragen: Was kann ich eigentlich für meine Stadt tun?“

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