Debatte Wahlen in Ungarn: Ruhig Blut

Die Erfahrung zeigt, dass sich auch die rabiatesten Rebellen mäßigen, sind sie erst einmal an der Macht. Das wird auch in Ungarn so sein.

Viktor Orbán hat jahrelang mit seiner radikalen Rhetorik eine geradezu hasserfüllte Stimmung gegen die eben abgewählten Sozialdemokraten geschürt. Dass die politischen Gräben zwischen den weltanschaulichen Lagern in keinem anderen Land Europas tiefer sind, ist sein Verdienst. Und seine Rechnung ist jetzt vorerst aufgegangen. Orbán wird mit einer Machtfülle regieren können, die die Opposition schaudern lässt.

Wenn der neue Premier all das wahrzumachen versucht, was er in seinen Brandreden versprochen hat, dann haben Andersdenkende tatsächlich Grund zum Fürchten. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich auch die rabiatesten Rebellen mäßigen, wenn sie einmal an der Macht sind. In Ungarn kann Orbán mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament zwar fast unumschränkt herrschen, doch die Europäische Union, der das Land vor sechs Jahren mit großer Begeisterung beigetreten ist, hat allen ihren Mitgliedern längst ein enges Korsett angelegt.

Orbáns Gelöbnis, nie würde ein Fremder in Ungarn Ackerland erwerben dürfen, verstößt ganz klar gegen die Richtlinien der EU. Und sein Plan, die Angehörigen der ungarischen Minderheit in den vom Trianon-Vertrag vor neunzig Jahren abgetrennten Gebieten mit Pässen auszustatten, würde die ohnehin schon gespannten Beziehungen zu Rumänien und der Slowakei weiter belasten. Ebenso wie den Haushalt. So ist die Frage, ob der Pass auch ein Anspruch auf ungarische Sozialleistungen garantiert.

Dass Orbán sich entschied, mit János Martonyi einen erfahrenen Mann zum Außenminister zu machen, der während seiner ersten Amtszeit keine schlechte Figur abgab, wird bei den Nachbarn als gutes Signal gewertet. In acht Monaten tritt Ungarn erstmals den Ratsvorsitz der EU an.

Aber schon vorher muss Orbán sich entscheiden, ob er sich auch nach innen zum moderaten Staatsmann mausert, oder ob er weiter den Krawallmacher gibt, der gefährlich nahe an der faschistischen Partei Jobbik anstreift.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.