piwik no script img

Debatte SteuernDer Pakt mit den Reichen

Kommentar von Christoph Bautz

SPD und Grüne wollen den Spitzensteuersatz anheben. Doch ein Blick auf ihre Arbeit im Bundesrat lässt die Versprechen zweifelhaft erscheinen.

D ie Koalition wackelt mehr denn je, und SPD und Grüne gewinnen eine Landtagswahl nach der anderen. Aber hat die Opposition aus ih ren Regierungsfehlern wirklich gelernt? Wie in keinem anderen Feld versprechen Rot-Grün einen Kurswechsel in Sachen Steuerpolitik.

Zur Erinnerung: Steuersätze runter hieß das Mantra in Regierungsverantwortung. Globalisierung und internationaler Steuerwettbewerb ließen angeblich nichts anderes zu. So senkte Rot-Grün den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer massiv. Eine Steuerentlastung für Gutverdiener und Unternehmen, auch wenn immerhin etliche Steuervergünstigungen für sie gestrichen wurden. Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften wurden gleich ganz freigestellt. In der großen Koalition war es dann die SPD, die eine geringere Besteuerung von Kapitaleinkünften in Form einer Abgeltungssteuer und eine weitere Senkung der Körperschaftsteuer mittrug. Initiativen für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer bremste sie aus.

Dann kam die Krise. Die soziale Ungleichheit verstärkte sich rasant, die Schulden stiegen. Ein Umdenkprozess setzte ein. "Steuern hoch" hieß die neue Devise bei SPD und Grünen: Wohlhabende und Gutverdiener sollen wieder mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens und zu den Kosten der Krise in die Verantwortung genommen werden. Beide Parteien wollen Einkommen-, Abgeltung- und Erbschaftsteuer wieder erhöhen und mit der Bekämpfung von Steuerflucht ernst machen. Vermögensteuer und/oder Vermögensabgabe gehörten auf einmal wie selbstverständlich ins Tableau.

Bild: Compact
CHRISTOPH BAUTZ

ist Geschäftsführer von Campact. Campact organisiert derzeit eine Kampagne gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz. www.campact.de

Greifbar werdender Regierungswechsel

Doch werden diese Pläne auch wirklich umgesetzt, wenn SPD und/oder Grüne wieder in Regierungsverantwortung zurückkehren? Angesichts eines greifbar werdenden Regierungswechsels setzt bei beiden Parteien die Debatte ein, wie weit man denn gehen will. Wie umfangreich soll der Spitzensteuersatz erhöht werden - auf 49 oder doch nur auf 45 Prozent? Soll die Abgeltungsteuer abgeschafft und Kapitaleinkommen wieder anderen Einkommen steuerlich gleichgestellt werden? Bleibt es bei der Forderung nach einer Bundessteuerverwaltung, um den Wettbewerb der Länder um die laxeste Steueraufsicht zu beenden?

Wie ernst die steuerpolitische Wende zu nehmen ist, können SPD und Grüne weit vor 2013 unter Beweis stellen: Denn über den Bundesrat können sie schon jetzt bei wichtigen steuerpolitischen Fragen mitregieren. Dort steht demnächst eine Entscheidung mit kaum zu überschätzender Relevanz an: Top oder Flop für das Steueramnestie-Abkommen mit der Schweiz, das am 20. 9. in Berlin unterzeichnet wird. Die Abstimmung entscheidet, ob der steuerpolitische Positionswechsel von SPD und Grünen nur auf dem Papier stattfindet - oder sich auch konkret niederschlägt. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärte bereits, der Bundesrat sei keine Gegenregierung.

Amnesie für Steuerhinterzieher

Das bilaterale Abkommen hat es in sich: Die geplante Steueramnestie verletzt grundlegende Prinzipien von Steuergerechtigkeit und lässt den brav zahlenden Steuerzahler wie den Dummen dastehen. In der Schweiz angelegte Schwarzgelder sollen nachträglich einem deutlich geringeren Steuersatz unterzogen werden, als wenn das Geld rechtmäßig in Deutschland versteuert worden wäre. Steuerbetrüger und Geldwäscher könnten sich entspannt zurücklehnen, denn auch Ankauf und Nutzung von Steuer-CDs wären Geschichte. Das Abkommen sichert ihnen stattdessen weiter Anonymität zu, indem es das Schweizer Bankgeheimnis zementiert.

Geschätzte 50 Milliarden beträgt die von Deutschen in der Schweiz hinterzogene Steuerschuld. Mit dem Steuerabkommen werden Deutschland aber nur knapp 2 Milliarden Euro Einnahmen als Zahlung der Schweizer Banken garantiert. Angesichts drückender Schulden und knapper Kassen ist es völlig unverantwortlich, auf die ausstehenden Milliardeneinnahmen zu verzichten.

Doch es geht nicht nur um die Schweiz. Das gesamte europäischen Vorgehen gegen Steuerflucht steht auf dem Spiel: "Automatischer Informationsaustausch" heißt die Zauberformel, mit der die EU seit 2005 das Bankgeheimnis etlicher Steueroasen zu Fall bringen will. Doch mitten in die Verhandlungen über eine Verschärfung der EU-Zinsrichtlinie, mit der der automatische Informationsaustausch durchgesetzt werden soll, platzt jetzt das bilaterale Steuerabkommen. Beflügelt durch diese Sonderregelung wollen nun auch Österreich und Luxemburg vom Ende des Bankgeheimnisses nicht mehr wissen. Dem gemeinsamen Kampf gegen Steuerflucht droht ein herber Rückschlag.

SPD und Grüne zögern

Das Pikanteste: Das Abkommen schränkt den Handlungsspielraum einer künftigen Regierung unter Beteiligung von SPD und Grünen massiv ein, Vermögen wieder stärker zu besteuern - und damit die Forderungen beider Parteien nach einer höheren Erbschaftsteuer, einer Vermögensteuer und einer Vermögensabgabe umzusetzen. Nach dem Abkommen sollen zwar Kapitalrenditen künftig einer Abgeltungsteuer unterliegen. Doch das Vermögen selbst bleibt verschont - geschützt unter dem Mantel des Bankgeheimnisses. Umso höher Vermögen also künftig besteuert werden, umso höher ist der Anreiz, das Vermögen in Steueroasen wie die Schweiz zu transferieren.

Viele Landesregierungen mit SPD- und Grünen-Beteiligung halten es sich offen, ob sie das Abkommen im Bundesrat wirklich stoppen. Erfreulicherweise hat der Rheinland-Pfälzische Finanzminister Carsten Kühl als Koordinator der SPD-Finanzminister letzte Woche angekündigt, dass das Abkommen für die SPD-geführten Bundesländer im Bundesrat wahrscheinlich nicht zustimmungsfähig sei. Auch aus NRW und Bremen kommen eindeutige Signale.

"Den Steueroasen sagen wir den Kampf an" - so stand es im letzten grünen Wahlprogramm, und die SPD formulierte Ähnliches. Jetzt können beide Parteien zeigen, ob ihr steuerpolitischer Kurswechsel einmal mehr nur aus warmen Worten besteht - oder ihm auch Taten folgen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • A
    Arne

    Hier wird ja mal wieder in den Leserkommentaren schöner neoliberaler Unfug verbreitet. Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung haben Länder, die meistens eine rotschwarze Vergangenheit hatten wie Bremen oder Berlin aus der Zeit abzutragen. Rotrot hat in Berlin sogar ordentlich Schulden aus der CDUSPD-Zeit abgetragen. Hamburg, jahrelang schwarzgrün steht auf Platz drei. Das rotrote Brandenburg folgt erst hinter den CDUgeführten Ländern Schleswig-Holstein, Saarland und Sachsen-Anhalt.

    Dennoch ist es korrekt, darauf zu achten, dass rotgrün nicht wieder die Mehrheit erlangt (Die jetztigen Umfragen lassen auch dank der Piraten diesbezüglich keinerlei Möglichkeiten zu im Gegensatz zu schwarzgrün!). Mit der rptgrünen Regierung von 1998 begann eine deutliche Umverteilung von unten nach oben und es gab in keiner der beiden Parteien irgendwelche großen personellen Veränderungen, die darauf schließen lassen würden, dass das nun anders werden würde. Ich hoffe auf eine starke Links- und eine starke Piratenpartei im nächsten Bundestag, die es rotgrün nicht ermöglichen werden, so wie 1998 bis 2005 vorzugehen.

  • D
    dissident89

    Tip:

    "Der Sozialismus glaubt an das Gute, der Kapitalismus an den Bonus" - Ein Schlagabtausch in 150 Sätzen

  • TK
    Thorben Kaufmann

    So ist es recht, Herr Eichner!

    Jeder steuerliche Sozialdenker sollte sich erst einmal Fragen, ob es wirklich um Staatsbelange geht, die ihm/ihr Sorge machen, oder um eine Art Angst, daß andere vielleicht weniger zahlen könnten.

    Trifft letzteres zu, braucht man hier nicht weiter zu diskutieren.

     

    Ist es im Sinne des Staates, sollte man grade in sogenannten "Krisenzeiten" nicht gegen die eigenen Linien kämpfen. Woher kommt es denn, daß uns der Wohlstand en gros bis zum Halse steht? Am kleinen Steuerling oder der "rüpelhaften" Großwirtschaft, die aber dem Land auch Wohlstand gibt?

     

    Wenn die Machenschaften gewisser Kräfte nicht duldend hinnehme, gehen sie halt woanders hin. Punkt.

     

    Das war im Mittelalter so und wird sich auch so bald nicht verändern.

  • K
    Karola

    Wie will man von diesen Politikern, die selbst enorm viel verdienen und über Posten in Aufsichtsräten oder Reden vor Banken und Industrie u.ä. noch zusätzliches Geld verdienen, erwarten, dass sie sich selbst beschränken ?

     

    Die Gier blockiert die Einsicht, dass sie sich selbst begünstigen zu Lasten der normalen Steuerzahler. Sie haben die Macht es zu tun und sie werden es tun.

    Denn erst kommt das Fressen und dann die - vielleicht - die Moral.

  • M
    maik

    Ein solch qualifizierter Kommentar ist in der taz unüblich. Ich rufe Herrn Bautz zu: so ists! Gut geschrieben.

  • CE
    Christopher Eichner

    Die Wirtschaft und die Staatshaushalte funktionieren auch mit Steuroasen.

     

    Interessanterweise, hat das Bankgeheimnis Vermögen von Menschen vor Diktaturen geschützt und verhindert, dass unrechtmäßig Geld weggenommen wurde.

     

    Durch die Abschaffung würden Diktaturen unterstützt, die andere Völker unterdrücken.

     

     

     

     

     

    Dazu sind die Sitten der Schweiz anderer Völker und Steueroasen zu akzeptieren, da diese Völker, teilweise dafür stimmten. Daher gilt auch Respektierung anderer Kulturen und Sitten und nicht nur für Dinge die SPD und Grüne , sowie die Linke fordern.

     

     

     

     

    Ansonsten sollen sich sich auch gegen die Christenverfolgung in der islamischen Welt einsetzen, oder die Nigerian Connection bekämpfen.

     

     

     

     

    Dazu sind viele Steueroasen mit dem Bankgeheimnis zu Wohlstand gekommen, das Bekämpfen der Oasen würde diese Länder wieder wirtschaftlich bekämpfen.

     

     

    Hinzu ist das Recht auf Privatsphäre auch finanziell zu schützen. Der automatische Informationsaustausch stellt dieses Grundrecht in Frage.

     

     

    Wenn die Haushaltslage so schlecht ist, dann sollten doch die Abgeordneten und Politiker erst ihre Diäten kürzen bevor , sie Steueroasen bekämpfen und höhere Steuern einführen. Jedoch werden die Diäten erhöht.

     

     

    Daher bin ich gegen den automatischen Informationsaustausch und dem Abgeltungssteuerabkommen. Das Volk sollte auch erst vor neuen Gesetzen einer Volksabstimmung entscheiden dürfen. Da ist Kritisch zu fragen, wieso die Volksabstimmung im Grundgesetz nicht vorgesehen ist.

     

     

    Daher ist Deutschland keine Demokratie, sondern eine Demokratur.

     

     

     

     

     

     

    Daher sollten Steueroasen und Bankgeheimnis geschützt werden.

  • HS
    Hari Seldon

    Werter Hans,

     

    Die Kommunisten haben das Gleiche in Namen "der Gerechtigkeit" bis zum 1990 gemacht. Die Menschen haben im Ostblock ein bisschen Taschengeld (á la Hartz IV) und schöne Versprechungen erhalten. Dann patzte die linke Seifenblase, und es blieb nur die Pleite. Sie sollten vielleicht nachdenken, warum Rot, Rot-Grünn, Rot-Rot geführte Länder die höchsten Pro-Kopf Schulden haben. Denken Sie auch darüber nach, warum mutierte NRW erst mal in der Geschischte nur nach 7 Monaten Rot-Grün zum Nehmerland. Um alle Missverständnisse zu vermeiden, stamme ich aus dem ehemaligen linken Paradies, und weiss genau wie war es (habe sehr praktische Erfahrungen mit den linken Idealen): Bitte, nie mehr die Grünen (westdeutsche Kommunisten) und die Linken (ostdeutsche Kommunisten). Und noch eine Bemerkung: Damals hausierte ein SPD-Mensch in Hessen mit Vermögensteuer. Ergebnis: Koch konnte ein Rekordergebnis einfahren. Die Blütezeit der Kommunen (hier geht es nicht um die Gemeinden) war spätestens mit Woodstock vorbei.

  • K
    kaheins

    das problem ist das sowohl spd als auch gruene reine luftnummern sind zur gaudi der cdu csu ....sie ziehen im linken spektrum stimmen ab und kuemmern sich nur noch um sich selbst ....

  • N
    Nils

    Rot-Grün hat ab 1998 seine Wählerschaft vera***** wie schon lange keine Parteien mehr. Alles sollte gerechter werden, die Macht der Finanz-, Pharma- und Automobilkonzerne gebrochen und endlich sozial, ökologisch und ökonomisch verantwortungsvolle Politik gemacht werden. Und "Wir" haben es denen abgenommen. Ich hatte damals auch noch geglaubt, die SPD mache Politik im Sinne der Menschen. Mensch, war ich naiv.

     

    Was dann kam, wurde hier ja anschaulich beschrieben. Diese Politik hat ja auch der PDS/Die Linke Auftrieb gegeben, und deren derzeitges Schwächerwerden mit gleichzeitigem Höhenflug der Grünen und dem zaghaften Erstarken der SPD zeigt, dass die Bürger langsam vergessen, was anno 1998 für eine Politik gemacht wurde.

     

    Also dürfen dann in zwei Jahren mal wieder die anderen beiden Etablierten an die Fleischtöpfe, um dann wieder mit Konzernbossen zu kuscheln und sich Posten und Pensionen zu sichern. Dann steht uns die nächste Wählervera***** bevor. Schöne Aussichten.

  • H
    Hans

    Der Autor Bautz hat mit seinem Rekurs auf die rot-grüne Vergangenheit vollkommen recht: Die SPD war kein Freund einer gerechten Besteuerung. Stattdessen war sie für Hartz-IV und Umverteilungspolitiken an Reiche. Warum sollte sie sich ändern?

     

    Nur mal zur Erinnerung: nach 1945 griffen die Staaten tief in die Tasche der Bürger, um den Wiederaufbau zu bezahlen, angeblich zahlte Astrid Lindgren 96 Prozent Einkommens- und Gewinnsteuer im Schweden (im Krieg sogar neutral).