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Debatte Rumänien 20 Jahre danachGewinner der Revolution

Kommentar von William Totok

Zwei Jahrzehnte nach dem Sturz des Ceauescu-Regimes ziehen Exoffiziere der Securitate wieder ihre Fäden. Die Aufarbeitung der Diktatur ist gescheitert.

V or 20 Jahren, am 25. Dezember 1989, wurden Rumäniens Diktator Nicolae Ceausescu und seine Ehefrau Elena standrechtlich erschossen. Der Hinrichtung ging ein kurzer Prozess voraus, der von einem improvisierten Tribunal nach den klassischen Regeln eines stalinistischen Verfahrens inszeniert worden war: Das Urteil stand bereits fest, noch bevor der Prozess überhaupt begonnen hatte.

Neben dem zufällig zusammengesetzten Tribunal und dem Erschießungskommando fanden sich in der Kaserne noch andere ein, darunter ein gewisser Virgil Magureanu - er hatte von der provisorischen Regierung den Auftrag erhalten, den Prozess zu verfolgen. Die gefürchtete Geheimpolizei Securitate war inzwischen aufgelöst, ihre Logistik der Armee übergeben worden. Trotzdem gab es wilde Schießereien, und die Medien sprachen von terroristischen Heckenschützen, in denen man versprengte Anhänger aus der Prätorianergarde des erschossenen Diktators vermutete.

Indessen traten der ehemalige Securitate-Chef Iulian Vlad und der Generalstabschef der Armee, Stefan Gusa, vor die Kameras und taten so, als stünde Rumänien kurz vor einer sowjetischen Invasion, die es abzuwehren gilt. Während so auf den Bildschirmen der patriotische Schulterschluss zwischen "vaterländischer" Securitate und "tapferer" Armee vorgeführt wurde, war hinter den Kameras bereits ein unsichtbarer Machtkampf entbrannt.

Als stiller Prozessbeobachter und Zeuge des Tyrannenmords hatte Virgil Magureanu, dem die Zeitungen später den Spitznamen "Brillenschlange" geben sollten, seinen Auftritt im ersten Akt eines Dramas, das auch 20 Jahre nach den Ereignissen im Dezember 1989 noch nicht beendet ist. Im März 1990, nachdem gewalttätige Unruhen zwischen Rumänen und der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen ausgebrochen waren, gab die Übergangsregierung die Gründung des neuen Geheimdiensts SRI bekannt, an dessen Spitze Virgil Magureanu berufen wurde. Damit schien der hinter den Kulissen tobende Machtkampf zwischen den verschiedenen Fraktionen der alten Nomenklatura zugunsten der Ceausescu-feindlichen Gruppen besiegelt zu sein.

Das alte Politbüro saß inzwischen im Gefängnis. Hinzu kamen hochrangige Securitate-Offiziere wie der Geheimdienstchef Iulian Vlad, der wegen seiner Mitwirkung an repressiven Maßnahmen zu einer Gefängnisstrafe von 25 Jahren verurteilt wurde, aber bereits Ende 1993 freikam. Mit ihm saß fast zwei Jahre lang auch der stellvertretende Securitate-Chef aus Timisoara, Radu Tinu, in Haft. In den letzten Jahren des Regimes war er zuständig für die Überwachung und Unterdrückung des ungarischen Pastors László Tokés, der als Auslöser der rumänischen Revolution in die Geschichte eingegangen ist. Gleichzeitig koordinierte Tinu auch die Operationen zur Diskreditierung der in Westberlin lebenden heutigen Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller.

In Interviews, die in neu gegründeten Publikationen erschienen, verbreitete Radu Tinu nach der Revolution ungehindert seine Ansichten und äußerte sich abfällig über die Dissidenten, die von der Securitate verfolgt worden waren. Die alte Geheimpolizei, der er als hochrangiger Offizier angehörte, beschrieb er nonchalant als patriotischen Apparat, der einzig und allein dem Wohle Rumäniens gedient habe. Die einstigen Kritiker des alten Regimes dagegen bezeichnete er als Vaterlandsverräter und Agenten feindlicher Mächte, deren Aktionen im Grunde nicht gegen Ceausescu, sondern gegen Rumänien und das rumänische Volk gerichtet gewesen seien.

Viele seiner früheren Kollegen waren inzwischen in der demokratisch legitimierten Nachfolgeorganisation der Securitate, dem SRI, untergekommen oder begannen eine steile Karriere als erfolgreiche Unternehmer. Die kapitalistische Marktwirtschaft, die sie bis vor Kurzem noch bekämpft hatten, bot gerade für ehemalige Securitate-Offiziere ideale Aufstiegsmöglichkeiten. Die alten Seilschaften funktionierten wie geschmiert, denn in allen staatlichen Institutionen, Parteien und Medien waren auch frühere Securitate-Leute untergekommen. Alte Freundschaften wurden reaktiviert, der Korpsgeist blühte auf. Davon profitierte auch Radu Tinu, der nach seiner Entlassung aus der Haft als Manager in einem privatisierten Betrieb arbeitete und heute die Versicherungsgesellschaft Asirom, die der Vienna Insurance Group gehört, leitet. Seine alten Offiziersgewohnheiten hat er nie abgelegt, er betreibt sozusagen nebenberuflich das Geschäft der Desinformation weiter. Dabei wird er von bestimmten Zeitungen und sensationshungrigen Fernsehsendern unterstützt, die ihm eine Plattform bieten, von der aus er seine Botschaften ungestört verbreiten kann.

Profiteure der neuen Ordnung

Zum Erbe der rumänischen Geheimpolizei gehören, neben den zahllosen Offizieren, die sich nach Ceausescus Sturz als Unternehmer, Politiker oder privilegierte Rentner bequem in der neuen kapitalistischen Ordnung eingerichtet haben, auch deren Akten. Zum Teil schlummern sie nach wie vor in den Archiven der Nachfolgedienste.

Der Landesrat zum Studium der Securitate-Archive, das rumänische Pendant zur hiesigen Gauck-Birthler-Behörde, verwaltet einen Teil der früheren Securitate-Archive und gestattet den Opfern, Einsicht in ihre Akten zu nehmen. Trotzdem beklagen viele der Opfer, ihre Akten seien unvollständig und stellenweise frisiert. Im Ringen um die Aktenhoheit tauchten seltsamerweise immer dann kompromittierende Schriftstücke auf, wenn es darum ging, gewisse Personen zu erpressen oder politisch fügsam zu machen. Exoffiziere wie Radu Tinu oder der seit einiger Zeit aus der Versenkung seines behaglichen Rentnerdaseins wiederaufgetauchte ehemalige oberste Securitate-Chef Iulian Vlad nutzen dabei ihr Wissen, um gewisse Interessengruppen als politisch makellos im milden Licht erscheinen zu lassen.

Zwanzig Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur haben sie sich eine komfortable Existenz geschaffen. Sie sind die eigentlichen Gewinner der Revolution, für die Verlierer haben sie nur ein zynisches Lächeln übrig.

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