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Debatte RechtspopulismusRassismus in Filzpantoffeln

Kommentar von Rudolf Walther

Die Schweizer SVP schürt das populäre Ressentiment: Nach Minaretten geht es nun gegen deutsche "Ellbögler" und ihren "Filz".

D ie Volksabstimmung über das Minarettverbot hat die rechte Schweizerische Volkspartei (SVP) in Schwung gebracht. In der Schweizer Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung legte sie am 15. Dezember nach und schaltete ein Inserat, indem sie zum Halali gegen Einwanderer blies - diesmal auch gegen deutsche.

Die Anzeige begann mit einer grobianischen Diffamierung: "Die Linken und die Grünen holen immer mehr gewaltbereite Ausländer in unser Land." Dann war die Rede von "Mord und Totschlag" sowie von "gefühllosen Schlägerkindern". Im Zentrum der Attacke standen jedoch "ausländische Ellbögler" an den Universitäten, die angeblich Schweizer verdrängten. An den Hochschulen, so das Inserat, mache sich "deutscher Filz" breit, "denn Deutsche stellen vor allem Deutsche ein - an der Uni und in den Spitälern".

Zum Hintergrund: An der Uni Zürich liegt der Anteil von Professoren deutscher Herkunft bei dreißig Prozent - und damit etwa zehn Prozent über dem Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung. Gegen dieses Inserat und seine "rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik" wandten sich 207 von 850 Professorinnen und Professoren der Universität Zürich und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in einem Appell: "Wir wehren uns gegen den Ausdruck deutscher Filz", hieß es da. Denn für einen "deutschen Filz" gibt es keinerlei Belege: Hochschulen gehören auch in der Schweiz zu jenen Bereichen, in denen Ausschreibungs- und Auswahlverfahren transparent sind.

Rudolf Walther

ist Schweizer und lebt als Journalist in Frankfurt am Main. Er schreibt für deutsche und schweizerische Zeitungen. Zusammen mit Martin Halter und Werner Bartens verfasste er das "Letzte Lexikon" (Eichborn).

Die Attacke der SVP auf Deutsche steht im Zusammenhang mit anstehenden Stadt- und Gemeinderatswahlen, hat aber nur indirekt damit zu tun. So ging es bei der Kampagne gegen den Bau von Minaretten ja im Kern gegen arme muslimische Einwanderer. Die Attacke auf "die Deutschen" gilt nun einer Elite von gutverdienenden Hochschullehrern, Ärzten und anderem hochqualifiziertem Personal. Dabei werden wohlfeile nationale Ressentiments von bornierten Provinzlern gegenüber gebildeten, welt- und sprachgewandten Einwanderern mobilisiert, soweit hier nicht nur purer Neid im Spiel ist.

Ressentiments gegen Deutsche haben in der Schweiz ebenso Tradition wie die Anbiederung großer Teile der schweizerischen Elite aus Wirtschaft, Militär und Politik an die deutsche Rechte und den Nationalsozialismus. 1933 und verstärkt 1940, nach der Kapitulation Frankreichs, trommelten Organisationen der "Nationalen Front" für "die Sache Deutschlands" und "einen Kreuzzug wider den Bolschewismus". Nach 1945 ruderten die Schweizer Eliten zurück und feierten sich selbst als einzige Bewahrer der Freiheit angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung. Während des Kalten Krieges verabreichte sich die Alpenrepublik dann eine dreifache Schutzimpfung - gegen Linke, Fremde und Andere. Von der Wiege bis zur Bahre und von der Grundschule bis zum Abitur wurde nun das Selbstbild vermittelt, Schweizer seien etwas Anderes und Besseres. Das ideologische Konstrukt des "Sonderfalles Schweiz" reichte von der militärischen und politischen Igelmentalität über die chauvinistische Selbstvernagelung bis zur arroganten Dummheit, mit der "frei geborene Schweizer Männer" bis 1971 die politische Gleichstellung von Frauen als "unschweizerisch" ablehnten.

Die Kehrseite der demonstrativ nach außen gewendeten Selbstgerechtigkeit und Selbstgenügsamkeit als urschweizerischen Tugenden ist seither eine innerlich erlittene Minderwertigkeit und Mittelmäßigkeit. Der Zürcher Germanist, Oberst und Berufsschweizer Karl Schmid (1907-1974) brachte die ambivalente Mentalität vieler Schweizerinnen und Schweizer 1963 in einem Buchtitel auf den Punkt: "Unbehagen im Kleinstaat". Schmid meinte, die "Schicksallosigkeit" der Nation wecke Sehnsucht nach Größerem. Er diagnostizierte zu Recht, "geistige Enge" führe leicht zu "Stagnation, pharisäischem Selbstgefallen, phantasielosem Behagen". 1974 antwortete Max Frisch auf Schmids Essay: Frisch hielt die Diagnose zwar für richtig, lehnte seine Therapievorschläge aber schroff ab: "Unbehagen" hätten nur "Psychopathen" und Träume vom Größerem seien "kein Beweis für gesellschaftliche Gesundheit".

Seit den 60er-Jahren schwankt die Mentalität vieler Schweizerinnen und Schweizer zwischen überheblicher Selbstgerechtigkeit und zermürbendem Unbehagen. Der Basler Verfassungsrechtler Max Imboden sprach im Blick auf eine fast aussichtslose Verfassungsreform 1964 von der "malaise helvétique" und meinte damit die politische Erstarrung und Reformfeindlichkeit.

Opportunistische Doppelmoral

Unklar ist, was sich daran in den letzten 45 Jahren geändert hat. Was sich dagegen an der Mentalität vieler Schweizerinnen und Schweizer in diesem Zeitraum verfestigt hat, ist erkennbar - nicht zuletzt an den Erfolgen der Kampagnen der SVP gegen Muslime und ihre Minarette sowie jetzt gegen Deutsche. Die biedere Selbstgerechtigkeit des gutbürgerlichen, Blocherschen Spießer- und Schweizertums hat sich zur Fremdenfeindlichkeit verdichtet und dem helvetischen Rassismus Salonfähigkeit verliehen - nachlesbar in der Weltwoche des ehemaligen Welt-Chefredakteurs Roger Köppel oder bei Thomas Hürlimann, dem Alpen-Poeten aus der Steueroase Zug. Wie "normal" der Rassismus in Filzpantoffeln daherkommt, kann man in vielen Leserbriefen an Schweizer Zeitungen und in Blog-Beiträgen im Internet lesen.

Eine trübe Figur macht auch die 230 Jahre alte Neue Zürcher Zeitung. Ihr Statut hätte es erlaubt, den Abdruck des deutschenfeindlichen Inserats der SVP wegen der rassistischen Untertöne abzulehnen. Die NZZ aber wählte den Mittelweg: Sie druckte das SVP-Inserat in ihrer nationalen Ausgabe ab - nicht aber in der internationalen Ausgabe, wohl, um Image-Schäden im Ausland zu vermeiden. Zu diesem Opportunismus passt, dass die NZZ nur wenige Tage später das Inserat eines Umwelt-Aktivisten gegen die "Zerstörung der Regenwälder" ablehnte - darin wurde auch die Beteiligung der Großbank Crédit Suisse an Rodungen im Regenwald erwähnt. Das ist die übliche Schweizer Doppelmoral.

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15 Kommentare

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  • HB
    Hugo Brennwald

    Typisch Taz. Pure Neiddebatte aus dem Sozialstaat Deutschland. Wären Eure Unis besser wie die Schweizerischen, wäre hier kein störender Deutscher Filz.

  • S
    Sleipnir

    Es geht um CDU/CSU-Parteibuchprofessoren, die in Zürich ebenfalls deutsche Assistenten nachziehen.

     

    Die Inserate der rechtsextremen Schweizerischen Volkspartei(SVP) sind in der NZZ von "SVP-LIKUD"

    in Tel Aviv und Haifa und deren Abgeordneten im

    Kantonsparlament des Standes Zürich geschaltet und finanziert worden.

     

    Unter diesem Aspekt sollte man besonders etwas genauer hinsehen bei der "Berliner politischen SED-Erbschaft" ganz speziell bei der taz. Haha.

  • P
    Pia

    Ich bin auch Schweizerin. Die SVP Schweiz, besonders in Zürich, wettert gegen alles und jeden, sobald was nicht ihr Parteilogo trägt. Es gab auch schon Plakate mit roten Ratten drauf, das sollten allg. Linke sein. Selbst hatte die SVP bei den letzten Wahlen einen Ziegenbock als Maskottchen. Bei der Abstimmung zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien erschienen auf dem Abstimmungsplakat bös guckende Raben, die einen roten Schweizerpass ergattern wollen. Manchen in Deutschland, die applaudierten zum Minarettverbot, habe ich noch im Dez. per Online-Kommentare geschrieben, dass Teile der SVP auch Deutsche im Visier hätten, diese Deutschen nahmen es aber gar nicht wahr. Die Schweizer Ziegenbock-Partei nimmt ja auch nicht viel wahr. Daher ist ihre Sprache geistig so verwahrlost und sozial fantasielos.

  • R
    Robert

    Die SVP macht schon seit über 20 Jahren Plakate, Anzeigen usw. gegen jede Ausländergruppe. Neu hinzugekommen sind die Deutschen.

    Plötzlich ist der jahrelange Rassismus also einen Kommentar Wert, wenn Deutsche davon betroffen sind, weil Rassismus gegen Deutsche ja schlimmer ist als gegen andere Gruppen... (Korrigiert mich falls es schon mal einen Artikel darüber gab, hatte keine Lust zu suchen)

    Ich bin selbst Schweizer und verachte die SVP. Wenn man sich Statistiken über die Wählerschaft der SVP anschaut, dann sieht man dass etwa 75% der Leute weniger gebildet oder ungebildet sind. Wieso soll man also alle Schweizer (ENTSCHULDINGUNG VIELE...) in den Rassisten-Topf werfen, wenn eigentlich nur der dümmere Teil davon uns diesen Ruf verschaft?

    Wäre die NPD die reichste Partei in Deutschland und könnte ihre Propaganda durchziehen, glaubt ihr wirklich in Deutschland würde es anders aussehen? :D

  • WW
    walle, walle

    "Die Wallonen kommen aus der beldischen Wallonie und stehen im Dauerkonflikt mit den Flamen, nicht mit den Zürichern."

     

    wer weiss ...

  • NF
    Norman Frey

    @rolff: Falls sie mit Wallonen die Einwohner des Kantons Wallis meinen: diese heißen Walser. Die Wallonen kommen aus der beldischen Wallonie und stehen im Dauerkonflikt mit den Flamen, nicht mit den Zürichern.

  • R
    rolff

    Und das Beste: Die Wallonen mögen die (Zürich-)Deutschschweizer nicht. Die wieder blicken auf die Tessiner herab und wundern sich, dass die das was man in Zürich für Deutsch hält, nicht lernen wollen. Und die Berner sitzen stumm...

    Ach einig Tell- äh Vaterland.

  • JN
    je nu

    da müssen sich die leutchen von der svp und wer sich sonst so gegen die überfremdung empört doch nur mal frage, wie's kommt, dass offenbar nicht genug schweizer für die relevanten stellen in frage kommen ...

  • M
    micha

    Sehr guter Artikel. Es wird einmal mehr deutlich, dass sowohl die Schweiz als auch Österreich ihre Verstrickungen in den Nationalsozialismus bisher nicht aufgearbeitet haben.

  • S
    Shrike

    Herr Walther lässt hier ja kaum ein gutes Haar an den Schweizern.

    Der Tonfall ist ziemlich negativ.

     

    So gesehen ist es schon seltsam, dass die Anzeige der SVP gleich als "Rassismus" bezeichnet wird, während herr Walther selbst volle Breitseiten abfeuert gegen "viele Schweizerinnen und Schweizer", auf jeden Fall gegen die einheimischen Konservativen in der Schweiz.

     

    Die Anzeige der SVP dient sicherlich der Stimmungsmache, sie mag durchaus überzogene Pöbelei darstellen.

    Dieser Artikel hier ist aber auch nicht zimperlich und malt kein sehr gutes Bild vom Volk der Schweizer.

     

    Aber die Schweizer sind erstens sicherlich nicht alle so skeptisch gegenüber Zuwanderern und zweitens ist eine solche Skepsis kein Verbrechen zumal sie ja von denen kommt, die von der Einwanderung und ihren Folgen wohl dauerhaft betroffen sein werden.

     

    Ein eher kleines Land wie die Schweiz, offenbar mit einer gewissen eigenbrötlerischen Tradition ist nicht automatisch ein Schurkenstaat, aber von Linken wie Herrn Walther wird man, wenn nicht "offen" genug, offenbar verachtet und als charakterschwach gesehen.

     

    Viele Schweizer wollen vielleicht einfach in Ruhe gelassen werden und ihr Leben leben.

    Und es gibt ja Reformen, das Wahlrecht haben sich die Schweizer Frauen dann ja erkämpft, auch wenn das Ganze sicherlich ziemlich spät kam.

     

    Dafür aber haben die angeblich zurückgebliebenen Schweizer ein Maß an direkter Demokratie, von dem wir in Deutschland bisher nur träumen können, warum ?

    Wo doch im DEUTSCHEN Grundgesetz steht "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." ?

     

    Der Lebensstandart der Schweizer, die Arbeitslosenquote etc.: Dieses Land braucht sich nicht zu verstecken.

     

    Sicher ist das Minarettverbot ziemlich unsinnig und fragwürdig im Sinne der Religionsfreiheit.

    Anderseits haben Schweizer Bürger ein Mitbestimmungsrecht, welches ich mir für Deutschland auch wünsche, in ubserem land stinkt das Demokratiedefizit zum Himmel, vielleicht kann die Piratenpartei hier ja Druck machen.

     

    Im Grunde ärgert sich Herr Walther vor allem, dass zahlreiche Schweizer und Schweizerinnen offenbar nicht so links sind wie er.

    Das macht die Schweiz aber nicht gleich zu einem schlechten Land.

  • FH
    Florian H

    Erstaunlich, wie rassistisch ein Kommentar gegen Rassismus sein kann.

     

    Naja, jetzt aber munter weiter über die Schweizer herziehen, mit ihrer arroganten Dummheit und der überheblichen Selbstgerechtigkeit - und ihrem Rassismus! Denn so sind sie eben, die Schweizer. Alle.

  • OB
    Otton Bexaron

    Trotzdem: Wenn man von den Amerikas nach Europa kommt - und dann von Deutschland in die Schweiz oder Oestreich einreist - dann fuehlt man das beide - Schweizer und Oestreicher - gepflegter und entspannter sind. Der Deutsche ist immer leicht gereizt und vom USA Einfluss sehr oberflaechlisch und fluechtig...

  • CK
    Christof Kögler

    Wenn Sie schon gegen populistische Ressentiments schreiben, dann lassen Sie doch einfach den letzten Satz konsequenterweise weg.

  • KU
    kleiner Unflat

    Das ist jetzt aber peinlich für die ganzen PI-Fanatiker die tagelang die Volksabstimmung als fortschritlich und weise verteidigt haben.

    ich mach mich gleich nass =)

  • V
    vic

    Jetzt bin ich aber mal gespannt, ob der deutsche Michel immer noch so begeistert reagiert und neidisch auf die Nachbarn schaut, die endlich mal "tun, was getan werden muss".