Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
"Es ist beschämend und ärgerlich, dass weltweit ein Land nach dem anderen Homosexuellen den Schritt vor den Traualtar ermöglicht, sich Kanzlerin Merkel aber „nicht verbiegen will“ und die „Ehe für alle“ weiterhin ablehnt."
Komisch. Alle sind gegen Merkels Familienpolitik, aber kaum jemand ist gegen Merkel. Dass sie keine Homoehe will, hat sie 2013 im Wahlkampf offen klargestellt. Für die CSU gilt Gleiches, und die SPD hatte wohl zumindest dickere Bretter zu bohren, als es um den Koalitionsvertrag ging - und hat dadurch auch nicht groß verloren.
Kurz: Merkel hat einen Wählerauftrag, ihre Einstellung durchzuziehen. Umfragen sind ja schön und gut, aber sie sind keine Wahlen. Mit deren Ergebnissen sollte man als Demokrat auch einfachmal leben können, ohne sich gleich zu schämen. Mir wäre es auch lieber, wenn sich eine liberalere Haltung durchgesetzt hätte. Aber das ist kein Grund, jetzt den Wutbürger zu machen.
ps
Ein wenig lustig finde ich es, wenn Jene, die Merkel immer vorwerfen, sie beziehe nicht genug Stellung, regiere mit dem widerwärtigen Argument der "Alternativlosigkeit", jetzt erst recht sauer sind, wenn sie dann doch mal eine reine Wertungsentscheidung trifft und durchzieht. So ein wenig Alternativlosigkeit hätten wir dann doch gerne auch mal auf unserer Seite, nicht wahr?...
pps "Traualtar" dürfte für katholische Schwule (auch und gerade in Irland) auch weiter keinrealistisches Ziel sein.
Zu ihren statistischen Tricks, man zähle die Haushalte der Alleinerziehenden mit denen der Lebensgemeinschaften zusammen und behauptet dann -> ein Drittel der Kinder wären unehelich , einige Richtigstellungen.
Korrektur dazu:
In Familien werden weit mehr Kinder geboren. Die durchschittliche Kinderzahl in den Familien ist also wesentlich höher als in Scheidungshaushalten oder ehelichen Lebensgemeinschaften.
Seit der Elterngeldeinführung heiraten statistisch die Eltern 2 Jahre später.
Die meisten Scheidungskinder sind Teenager, haben also lange in einer Ehe gelebt. Eheänliche Lebensgemeinschaften haben eine weit aus größere Wahrscheinlichkeit zu zerbrechen als Ehen. Viele Mütter, die vorher in eheänlichen Gemeinschaften gelebt haben, landen bei Harz4 obwohl sie weit mehr berufstätig sind als Frauen in Ehen. Also sind eheähnliche Gemeinschaften ein Risiko für i.d.R Mütter und Kinder arm zu werden.
Für Väter wiederum ist das Risiko des Kindentzugs höher.
Väter aus eheähnlichen Lebensgemeinschaften drücken sich öfters um den Kindesunterhalt als Väter aus ehelichen Gemeinschaften.
Die Zahl der Scheidungskinder nimmt absolut ab. Die Zahl der Scheidungen hat auch ihren Zenit überschritten.
Statistisch leben in eingetragenen Lebenspartnerschaften weniger als 2% mit Kindern, obwohl es mehr Kinder gibt. Die Frage der Gleichstellung von leiblichen und sozialen Müttern in einer Partnerschaft wird nicht von allen (ich schätze mal von den wenigsten) lesbischen Paaren befürwortet.
Daher haben sie ein Mittel durch Adoption es nach ihrem Willen auszugestalten und auszuverhandeln.
Zu guter Letzt das Abschaffen des Splittings würde die meisten Ehen mit Kindern dikriminieren, vor allem Familien mit mehreren Kindern.
Korrektur
In Ehen werden weit mehr Kinder geboren. Die durchschittliche Kinderzahl in den Ehen ist also wesentlich höher als in Scheidungshaushalten oder nicht ehelichen Lebensgemeinschaften
"Es ist beschämend und ärgerlich, dass weltweit ein Land nach dem anderen Homosexuellen den Schritt vor den Traualtar ermöglicht, sich Kanzlerin Merkel aber „nicht verbiegen will“ und die „Ehe für alle“ weiterhin ablehnt."
Es ist vor allem beschämend aufgrund der Geschichte dieses Landes, das vor nicht allzu langer Zeit Homosexuelle verfolgte und in KZs steckte. Der Schwulenparagraph wurde zwar abgeschafft, scheint aber noch in vielen Köpfen zu existieren. Deutschland hätte Vorreiter in Sachen Gleichstellung von homosexuellen Menschen sein müssen. Tatsache ist, dass Frau Merkel mit ihrer Ablehnung der Gleichstellung bestehende Vorurteile am Leben erhält und gewisse Kreise bedient. Homosexuelle werden in Deutschland weiterhin diskriminiert.
Große Batteriespeicher werden wichtiger für die Energiewende. Laut einer Studie verfünffacht sich ihre installierte Leistung in den nächsten 2 Jahren.
Debatte Neue Familienformen: Jenseits der „Ehe für alle“
Immer mehr Menschen übernehmen Verantwortung füreinander. Das rechtlich abzusichern, ist eine politische Herausforderung.
Kinder werden nicht mehr nur von biologischen Eltern versorgt Foto: dpa
Familie ist da, wo geheiratet wird, und heiraten, das können Mann und Frau. Diese Gleichungen galten über sehr lange Zeit, bestimmten den Alltag – und werden nun allmählich infrage gestellt.
Das Referendum in Irland und die Entscheidung des Supreme Court in den USA haben die Diskussion über die „Ehe für alle“ befeuert. Es ist beschämend und ärgerlich, dass weltweit ein Land nach dem anderen Homosexuellen den Schritt vor den Traualtar ermöglicht, sich Kanzlerin Merkel aber „nicht verbiegen will“ und die „Ehe für alle“ weiterhin ablehnt. Dabei machen Umfragen klar: Eine breite Mehrheit der Deutschen ist gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. Die „Ehe für alle“ wird kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Dies wäre ein hart errungener und wichtiger Sieg für die Gleichberechtigung, zur Überwindung der Diskriminierung Homosexueller und das endgültige Aufbrechen der Gleichung „Heirat ist zwischen Mann und Frau“.
Bleibt der erste Teil der Gleichung: Familie ist da, wo geheiratet wird. Im „echten Leben“ ist dies längst aufgebrochen. Rechtlich ist das Ehegattensplitting aber noch Bestandteil der alten Gleichung, auch wenn bei Sorgerecht und Unterhalt der Trauschein immer weniger Unterschied macht. Wer heute eine Familie gründet, stellt sich nicht automatisch die Frage nach der Ehe. Sehr wohl aber nach gegenseitiger Absicherung und Verantwortung füreinander.
Keine Absicherung sozialer Eltern-Kind-Beziehungen
In einer Gesellschaft, die bunter und auch älter wird, muss es nun darum gehen, tatsächlich gelebte Verantwortungsübernahme auch unabhängig von der Ehe anzuerkennen und abzusichern. Dies gilt insbesondere, wenn es um Kinder geht. Ein Drittel von ihnen wächst in nichtehelichen Lebensgemeinschaften auf, bei Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind oder in Einelternfamilien.
Französ*innen setzen auf den Pacs, weil sie Fürsorge füreinander leben.
Die Anzahl der Patchwork-Familien steigt, und immer mehr Kinder werden in Regenbogenfamilien groß. In einer wachsenden Zahl von Familien sind Mama und Papa nicht Elternteile im biologischen oder gesetzlichen Sinne. Viele Kinder entwickeln enge Beziehungen zu Menschen, die für sie elterliche Verantwortung übernehmen. Dies können insbesondere neue Partner*innen der Eltern nach einer Trennung, einem Todesfall oder bei Alleinerziehenden sein.
Manche Familien sind schon vor der Geburt eines Kindes darauf angelegt, dass mehr als zwei Eltern Verantwortung für das Kind übernehmen wollen. Das Recht in Deutschland kennt eine Absicherung sozialer Eltern-Kind-Beziehungen kaum. Die sozialen Eltern sind praktisch Außenstehende. Für Eltern und Kinder ergeben sich damit im Alltag, in der gesamten Lebensgestaltung große Herausforderungen. So dürfen soziale Eltern zum Beispiel das Kind aus Krankheitsgründen nicht von der Schule abmelden. Das sollte sich ändern.
Die Bandbreite der Arrangements
Mobilität und demografischer Wandel führen dazu, dass immer mehr Menschen weit entfernt von ihren Angehörigen leben oder auch gar keine haben. Rasant entwickeln sich neue Wohnformen, vor allem auch im Alter – Alten-WGs, aber auch Mehrgenerationenhäuser, die auf sozialen, nicht auf verwandtschaftlichen Beziehungen der Bewohner*innen beruhen – und neue Pflegearrangements.
Es entstehen neue Verantwortungsgemeinschaften, die auch für unsere Gesellschaft große Bedeutung haben. Aber auch für sie gibt es keine einfach zugängliche rechtliche Absicherung – insbesondere keine, die die Bandbreite der Arrangements aufgreift.
Natürlich kann jeder und jede heute, wie und mit wem auch immer liiert, einen notariellen Vertrag schließen, in dem sich beide verpflichten, etwa Unterhalt zu zahlen oder auch Vermögen zu teilen. Häufig fehlen darüber jedoch Informationen, und die Wege sind kompliziert und in Steuerfragen, beim Erben, sind den Verträgen Grenzen gesetzt. Deswegen braucht es vereinfachte Verfahren.
Deutschland steht mit den beschriebenen Entwicklungen nicht allein da. Deshalb lohnt es sich, über den Tellerrand zu schauen. So hat Frankreich mit dem 1999 geschaffenen Pacte civil de solidarité (Pacs) eine – eigentlich für Homosexuelle gedachte – Alternative zur Ehe eingeführt, die auch für heterosexuelle Verbindungen offensichtlich höchst attraktiv ist. Er ermöglicht Vergünstigungen bei Steuern, im Renten- und Erbrecht, beinhaltet aber beispielsweise auch das Recht auf Auskunft und Mitbestimmung im Krankheitsfall.
Eine Vielzahl von Französ*innen setzen auf den Pacs, auch wenn sie keine romantische Liebe füreinander empfinden, sehr wohl aber Fürsorge füreinander leben. Auch in der Schweiz wird seit einiger Zeit über eine Alternative zur Ehe nachgedacht. Warum soll eine rechtliche Absicherung zweier Freundinnen, die im Alter zusammenleben und füreinander sorgen, in Deutschland nicht sinnvoll sein?
Und die Kinder?
Für das Zusammenleben mit Kindern brauchen wir neue Wege. Kinder, die in eine lesbische Beziehung hineingeboren werden, sollten von Geburt an zwei rechtlich gleichberechtigte Mütter haben.
Für Ehepaare gilt die „gesetzliche Fiktion“, dass der mit der Mutter verheiratete Mann auch der Vater ist – eine Regelung zum Wohle des Kindes, das auf diesem Weg automatisch zwei sorgende (und unterhaltspflichtige) Erwachsene an seine Seite bekommt. Eine gleiche Fiktion für lesbische Partnerschaften ist überfällig, der Weg über die Stiefkindadoption unnötig und langwierig. Familien, in denen mehr als zwei Eltern faktisch Verantwortung für Kinder übernehmen, sollten die Möglichkeit haben, im gegenseitigen Einvernehmen rechtlich verbindliche Vereinbarungen einzugehen, eine Art „Familienvertrag“ abzuschließen.
Die gelebte Übernahme von Verantwortung und Fürsorge füreinander ist heute bunt und vielfältig. Sie ist für unsere Gesellschaft überlebenswichtig. Sie anzuerkennen und rechtlich abzusichern, Pflichten und Rechte in Balance zu bringen – hier liegen die politischen Herausforderungen der Zukunft.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Katja Dörner
Kommentar von
Franziska Brantner
Kommentar von
Franziska Brantner, Katja Dörner
Dr. Franziska Brantner ist kinder- und familienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion.
Katja Dörner ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.
Themen