Debatte Landtagswahlen: Reden, Twittern, Schuften
Laschet, Lindner, Habeck. Die vergangenen Wahlen zeigen: Nur Politiker, die beweglich und bescheiden auftreten, gewinnen.
I n der CDU kursiert eine neue Frage aller Fragen: Ob Angela Merkel noch mal antritt. Also, ob sie 2021 noch mal antritt. In vier Jahren.
Das politische Jahr 2017 prägen bisher Höhenflüge, die oft mit Bauchlandungen enden. Vorhersagen gehen leicht fehl. Wer hätte noch im Januar die AfD einstellig taxiert? Wer hätte angenommen, dass die Grünen in Nordrhein-Westfalen bloß halb so viel auf die Waage bringen wie in Schleswig-Holstein? Wer kannte Daniel Günther aus der CDU Schleswig-Holsteins? Und wer hätte je auf Armin Laschet gesetzt, der nun Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes wird?
Dass überraschende Wahlergebnisse auf einmal Normalität werden, tut der Demokratie gut. Bleibt es spannend bis zum Schluss, mobilisiert das. Propheten sollten sich in Acht nehmen – das gilt auch für Merkels Aussichten.
Laschets Aktenköfferchen
Dennoch lässt sich nach den drei Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen ein neues Schema erkennen. Bisher wurde gern behauptet, die Menschen wollten alte Vertraute in den Regierungen. Verunsichert von Komplexität und Krisenhaftigkeit der Welt, würden die Wählerinnen und Wähler halbwegs erfolgreich Regierende sicherheitshalber im Amt belassen, hieß es. Doch das ist ein Irrtum, wie sich nach diesen Wahlen zeigt. Amtsbonus? Landesmutter? Quatsch. In einer Welt, die in Bewegung ist, gewinnt nur, wer beweglich ist, wer sich quält und wer bescheiden bleibt.
Der Grüne Robert Habeck ist nicht als einer in den Wahlkampf gezogen, der etwas zu verteidigen hat – sein Ministeramt –, sondern als Herausforderer alter, auch grüner Denkmuster. Christian Lindner kämpft um das Comeback seiner FDP, im Alleingang und als Nichtbundestagspartei einigermaßen demütig. Der No-Name Daniel Günther betrat die Bühne im Norden mit Forderungen nach der Sanierung maroder Straßen oder einer Rückkehr zum Abi nach 13 Jahren.
Ähnlich Armin Laschet, der Wahlsieger in Nordrhein-Westfalen. Bessere Schulen, weniger Staus, professionellere Polizeiführung. Ein unsicher lächelnder Herr mit Aktenköfferchen, der nie den Eindruck vermittelt hat, dass es vor allem um ihn geht; sondern um die Forderungen in seinem Aktenköfferchen. Laschet hat geredet, getwittert, geschuftet. Seit Monaten bespielte er Freundeskreise der CDU wie Bauern, Kirchen oder Wirtschaft. Er wurde kein Star, aber ein wählbarer Mann aus Merkels Team. Zumal er nicht auf halbstark gemacht hat wie sein nordrhein-westfälischer Parteifreund Jens Spahn. Alle sahen, dass Armin Laschet nicht selber für Law and Order stehen kann, aber dass er trotzdem um dieses Feld kämpfte, indem er Wolfgang Bosbach kurz vor dessen Ruhestand reaktivierte.
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Wer keine neue Geschichte bietet, wirkt schnell fade. Es mag mit der Flatterhaftigkeit des digitalen Zeitalters zu tun haben, in der man sich die Langeweile jederzeit vom Smartphone wischen kann. Aber die Wahlen von 2017 zeigen auch: Die Mehrheit will von Kandidaten Mühe sehen, nicht business as usual.
Wer vor sich herträgt, doch ganz ordentlich regiert zu haben, kann lange auf eine Belohnung warten. Albig und Kraft gaben sich als Stabilitätsanker aus. Sie sanken tief bis auf den Grund. Und wer Starallüren öffentlich ausbreitet wie Torsten Albig, der bekundete, seiner Exfrau entwachsen zu sein, wird bestraft. Würde irgendwer Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer vorwerfen, eitel zu sein? Eben, sie hat ja auch gewonnen.
Hannelore Kraft ist das perfekte Beispiel, wie ein Auftritt misslingt. Bereits 2014 – eine Bundestagswahl war weit und breit nicht in Sicht – verkündete sie großmütig, keine Kanzlerkandidatur anzustreben. Nun, im Wahlkampf, setzte die SPD allein auf ihre vermeintliche Beliebtheit. Was ankam: Die wollen nichts mehr ändern. Während CDU und FDP Forderungen stellten, kumpelte sich die SPD mit dem Slogan „NRWir“ an die Leute heran. Aber Bürgernähe kann man nicht behaupten, sie drückt sich nicht allein in Gesten und Sprache aus, sondern in inhaltlichen Angeboten.
Das kann Martin Schulz lernen mit seinem ach so volksnahen Aplomb. Die Masche, sich auf Augenhöhe zu quatschen, egal ob ein Feuerwehrmann oder Angela Merkel vor ihm steht, passt nicht zur Kandidatenrolle: Beim Feuerwehrmann bewirbt er sich, die Kanzlerin fordert er heraus.
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Mit Europa gegen Merkel
Womit wir wieder bei Merkel wären. Ganz egal, wie selbstherrlich sie denken mag, nach außen pflegt sie ihr Understatement. Während Schulz nach dem Fehlschlag länglich berichtete, wie gut er den Sieger Laschet kennt, ließ Merkel dem Parteifreund Platz für dessen Erfolg. Sie profitiert still.
Aber wo ist Merkels Dynamik? Sie arbeitet sich von Wladimir Putin über Ivanka Trump bis zu Emmanuel Macron durch, da wird es ihr nicht negativ ausgelegt, wenn sie die Innenpolitik vor sich hin schmurgeln lässt. Wichtiger ist aber: Merkel schaden ihre Häutungen nicht, sie nutzen ihr. Seit sie hunderttausenden Schutzsuchenden in Deutschland Zuflucht gab, hat sie ihre Flüchtlingspolitik erst regulatorisch zurückgenommen, jedoch rhetorisch verteidigt. Und dann nach und nach auch rhetorisch revidiert. Offenkundig kein Problem. Motto: Die Welt ist in Bewegung – gut, wenn die Kanzlerin sich ändern kann.
Falls die anderen gegen Merkel bei der Bundestagswahl etwas ausrichten wollen, müssen sie ihr Themen aufzwingen, in denen sie stagniert. Leicht wird das nicht. Für die Linke – eine Partei von recht geringem Wachstum – bleiben Ungerechtigkeiten gegenüber Geringverdienern und Armen. Aber die SPD wird mit Sozialpolitik allein keinen Erfolg haben, die Grünen schon gar nicht. SPD und Grüne müssen ihr Thema für die Bundestagswahl noch entdecken. Europa könnte eines sein. „Europa muss zum beherrschenden Streitthema werden“, verlangt der Politologe Claus Leggewie richtig.
Der bröckelnden Gemeinschaft, die mehr denn je eine Union der Offenheit und Solidarität werden muss, steht Merkel bisher mit technokratischer Bewegungslosigkeit gegenüber. Europa: Hier könnte die Konkurrenz Merkel vielleicht doch in eine Albig-Rolle schieben. Oder zur Hannelore machen. Das Problem ist nur: Auch deren Fehler im Auftritt müsste Merkel erst einmal begehen.
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