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Debatte Lafontaine-NachfolgeNach Oskar wird es Ernst

Oskar Lafontaine zieht sich aus der Linke-Führung zurück. Die Partei will schnell neue Vorsitzende bestimmen. Als Favoriten gelten Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.

Könnte Lafontaine beerben: Klaus Ernst, hier mit dem Noch-Parteichef auf einem der Gründungsparteitage der Linken im Mai 2007. Bild: apd

BERLIN taz | Nach der Erklärung Oskar Lafontaines, er ziehe sich aus der Bundespolitik zurück, ist am Wochenende die Führungsdiskussion in der Linken offen ausgebrochen. Als Favoriten für die Nachbesetzung der Doppelspitze der Partei auf dem Bundesparteitag im Mai gelten Gesine Lötzsch und Klaus Ernst. Die Personalie gilt auch als Entscheidung darüber, welchen Weg die heterogene, bislang auf Lafontaine konzentrierte Partei künftig einschlagen wird.

Am vergangenen Samstag erklärte der 66-Jährige nach einer Vorstandssitzung in Berlin, er werde auf dem Bundesparteitag im Mai in Rostock nicht erneut als Parteivorsitzender kandidieren und auch auf sein Bundestagsmandat verzichten. Sein Gesundheitszustand lasse nichts anderes zu: "Der Krebs war ein Warnschuss, über den ich nachdenken musste."

Lafontaine hatte sich im November einer Krebsoperation unterzogen. Sein Kovorsitzender Lothar Bisky tritt ebenfalls nicht erneut an, sondern ist bereits als Fraktionsvorsitzender ins EU-Parlament gewechselt. Zudem muss die Partei einen Nachfolger für den Posten des Bundesgeschäftsführers finden, nachdem sich Dietmar Bartsch im Streit über seine angebliche Illoyalität gegenüber Lafontaine zum Rückzug gezwungen sah.

Damit steht die Partei vier Monate nach ihrem exzellenten Abschneiden bei der Bundestagswahl vor einer Richtungsentscheidung: Lassen sich die sehr unterschiedlichen Anschauungen und Mentalitäten der Parteimitglieder auch ohne Lafontaine vereinbaren? Und wohin wird die neue Führung die zerstrittene Partei zu lenken versuchen?

Bereits am heutigen Montag treffen sich Fraktionschef Gregor Gysi und die Landesvorsitzenden, um eine Lösung für den Parteivorsitz zu finden. Laut Informationen der taz gehen Teilnehmer des Gesprächs davon aus, dass sich die Runde noch am selben Abend auf zwei Kandidaten einigen wird.

Es gilt zwar als sicher, dass erneut zwei Vorsitzende gewählt werden, die Entscheidung für eine Doppelspitze müssen die Delegierten jedoch per Satzungsänderung mit Zweidrittelmehrheit billigen. Fraktionschef Gregor Gysi gilt als gesundheitlich angeschlagen. Eine Doppelbelastung durch Fraktions- und Parteivorsitz scheint daher ausgeschlossen.

Aus Sicht des Berliner Landesvorsitzenden Klaus Lederer steht beim Rostocker Parteitag viel auf dem Spiel: "Es geht um mehr als um die Nachfolge von Oskar Lafontaine", urteilt Lederer gegenüber der taz. "Wir müssen auch die Frage beantworten: Bekommen wir ein Führungsgremium zustande, das die Partei im Übergangsstadium der nächsten zwei, drei Jahre ohne Intrigen leiten kann?"

Neben Vorsitzenden und Geschäftsführer sucht die Partei einen neuen Schatzmeister. Der Partei fehlt obendrein bis heute ein Grundsatzprogramm. Von einer dauerhaften Doppelspitze hält der Chef des mitgliederstarken Landesverbands nicht viel: "Aber für eine Übergangsphase von zwei oder vier Jahren kann das sinnvoll sein", sagt Lederer.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, plädiert für eine doppelte Quotierung. Es täte der Linken gut, eine Spitze aus einem Mann und einer Frau zu haben, von denen eine Person aus dem Osten und eine aus dem Westen kommt. Ramelow brachte dabei die Namen der drei direkt gewählten Bundestagsabgeordneten, Gesine Lötzsch, Petra Pau und Dagmar Enkelmann, ins Gespräch.

Die Berlinerin Pau und die Brandenburgerin Enkelmann gelten als Pragmatikerinnen. Die 53-jährige Enkelmann führte von 2004 bis 2005 die Potsdamer PDS-Landtagsfraktion und ist heute parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag. Pau ist Vizepräsidentin des Parlaments.

Die größten Chancen hat jedoch derzeit Gesine Lötzsch. Die Haushaltsexpertin hielt - neben Petra Pau - die Fahne der PDS im Bundestag hoch, als die Partei dort von 2002 bis 2005 nur mit zwei Direktmandaten vertreten war. Heute ist die in Ostberlin Geborene Vizechefin der Fraktion und versteht sich gut mit Lafontaine.

Aussichtsreichster Kandidat für den Kovorsitz ist derzeit der bayerische Gewerkschafter und Vizeparteichef Klaus Ernst. Ernst gründete die WASG mit und ist ein Vertrauter des Nochparteichefs.

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4 Kommentare

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  • L
    Lili

    Ich denke der Vorschlag Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ist gut. Es geht darum, die Partei gut weiter zu führen und schlagkräftiger zu machen. Im Moment steht doch wirklich gesellschaftliche Gegenwehr an und nicht irgendwelche rot-rot-grüne Spielchen, und da kann die LINKE als einzige Kraft in den Parlamenten diese Gegenwehr unterstützen. Nüchtern betrachtet, hat D. Bartsch sich illoyal verhalten, das kann ein Bundesgeschäftsführer nicht bringen, er hat daraus den richtigen Schluss gezogen.

  • A
    anke

    Das wäre tatsächlich mal eine Revolution, die den Titel verdient! Ein "Führungsgremium [...], das die Partei im Übergangsstadium der nächsten zwei, drei Jahre ohne Intrigen leiten kann", wird erstmalig in der deutschen Politik angestrebt, so weit ich weiß. Ob der Wähler als solcher schon reif genug ist, eine derartige Herausforderung am Wahlsonntag mit ein bis zwei Kreuzen zu würdigen, wage ich natürlich von hier aus nicht zu beurteilen.

     

    Übrigens: Dass die taz-Hexe aus eurer heutigen Karikatur eine Schwindlerin ist, scheint mir ausgemacht. Die "neuen Wege" nämlich, die sie in ihrer Glaskugel gesehen haben will, können so neu gar nicht werden. Schröder und Lafontaine mögen ja abgedankt haben, sie haben ihre Thronfolger aber immerhin eigenhändig an den Start gestellt. Dass eine Doppelquoantin die geballte westmännliche Sturheit ausgleichen kann, erwarte ich nicht. (Ost-)Frauen in Führungspositionen, schließlich, sind es gewohnt, besser zu sein, nicht allmächtig.

     

    Ach ja, eins noch: Die "bislang auf Lafontaine konzentrierte Partei" die Linke ist eine optische Täuschung, der vor allem westdeutsche Medienmacher immer wieder gern zum Opfer fallen. Die nämlich sind aus nachvollziehbaren Gründen ihrer Sozialisation auf dem östlichen Auge seit 20 Jahren blind.

  • D
    dieter

    Klaus Ernst muß mit Gesine Lötsch Bundesvorsitzende werden.. was denn sonst !

    Die frühere WASG würde sich nicht gewichtig vertreten fühlen ohne Klaus Ernst an der Spitze - ist immerhin einer der Gründer der WASG, würde das Ende der Partei West

    bedeuten,kann ja wohl nicht sein..

  • EC
    Edgar C.

    LOL den Klaus Ernst sehe und höre ich jedes Jahr ein bis zweimal in der Betriebsversammlung. Obwohl ich auch Arbeit bin und seine dortigen Reden vieles fordern, was für Arbeit gut sein soll, kann ich mich doch nur wundern.

     

    Denn wenn man seine Reden vor der Betriebsversammlung einmal hört, dann kommt man unweigerlich zum Schluss, dass hier einer versucht Lafontaine nachzuahmen.

    Polemik, Parolen und viele schön klingende aber leere Worte fallen da in erster Linie.

     

    Populist ist hierbei wohl eine Untertreibung.