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Debatte KommunismusVerlorenes Paradies

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Da steht es wieder so im Raum, das K-Wort. Aber soll man den Kommunismus noch beschwören? Besser nicht. Die Kommunisten von heute leben in einer Welt der leeren Vorstellung.

Keine Revolution, sondern nur noch ein Image: Kommunismus ist Radical Chic. Bild: imago/imagebroker

S eitdem die ansonsten unauffällige Linksparteichefin Gesine Lötzsch über ihre hundert Wege zum Kommunismus räsonierte, steht es wieder so im Raum: das Wort Kommunismus. Und da steht es rum, und keiner weiß so recht, wohin mit ihm. In die Rumpelkammer? Ins Devotionalieneckerl zu den anderen ehrwürdigen Erinnerungsstücken? Oder doch gar wieder in den politischen Zielkatalog?

Ist er also noch für irgendetwas brauchbar, der Kommunismus?

Zunächst die simpelste Frage: Soll man ihn anstreben, soll man ihn fordern dürfen? Aber klar soll man das dürfen. Und nicht nur der Meinungsfreiheit wegen. Natürlich ist der Kommunismus ein alter Menschheitstraum, eine große, grandiose Idee, die seit Jahrhunderten viele Menschen anspornte, sich für eine bessere Welt zu engagieren - nicht erst seit Karl Marx, sondern auch zu früheren Zeiten, als es das Wort noch gar nicht gab.

Bild: privat
ROBERT MISIK

ROBERT MISIK lebt als freier Publizist in Wien und schreibt für die taz, für Falter und Profil. Kürzlich ist von ihm erschienen: "Anleitung zur Weltverbesserung. Das machen wir doch mit links" (Berlin 2010, Aufbau Verlag).

Mehr noch, es gab auch im vergangenen Jahrhundert die Rätekommunisten und all die anderen "guten" Kommunismen, wie Ralf Hutter jüngst an dieser Stelle schrieb, auf die man sich auch positiv beziehen könnte. Kommunismus ist nicht identisch mit Bürokratendiktatur graugesichtiger Männer. Also, dürfen darf man schon. Aber soll man es deswegen auch? Welchen Nutzen kann es bringen?

In der ganzen winterlichen Aufregung um das K-Wort war doch eines ziemlich bemerkenswert: Von ein paar Wortmeldungen abgesehen, gab es eher keine Erregung, sondern Belustigung. Früher waren die Kommunisten noch stolz darauf, dass "die Herrschenden" mit Schrecken reagierten, wenn sie den Kommunismus forderten. Heute erschrecken die nicht, sondern klopfen sich kichernd auf die Schenkel.

So von der Art: Haha, die schräge Tante hält schneidige Reden im Kreise von ein paar Irren. Selbst im einstigen Zentralorgan des Antikommunismus, in Springers Welt, überwogen die ironischen Spitzen angesichts des missglückten Versuchs, mit Radical Chic zu punkten.

Aus dem Gespenst des Kommunismus, das einstmals in Europa umging, ist das Gespött des Kommunismus geworden. Und ich denke, das hat seine guten Gründe.

Schließlich weiß man heute längst - und auch die, die es nicht bewusst wissen, haben eine unbewusste Ahnung davon -, dass Wörter wie radikal oder Kommunismus zu Catch-Phrasen verkommen sind, zu sprachlichen Markern. Wer sie benützt, will etwas signalisieren. Etwas von der Art: Seht her, ich bin ein ganz toller Kerl, nicht so ein Warmduscher wie all die andern. Es ist mehr eine Werbe- und Marketingstrategie, dient zum Aufbau einer Unique Selling Proposition. Wir sind cool, die anderen fad. Wir radikal, die anderen angepasst. Kauft uns.

Das Reale, um das es da geht, ist also nicht eine kommunistische Revolution, sondern Image, ein Gefühl: Die, die sich in die maximal radikale Pose wirft, darf sich als toller, cooler Hecht fühlen und hängt denen, die nicht so radikal reden, das Image von faden, verzagten Luschis um. So funktioniert Radical Chic.

Die Vision, die Energien raubt

Dieser entleerte Radikalismus hat aber eine Reihe negativer Auswirkungen. Er raubt denen, die sich ihm verschreiben, die Fähigkeit, wichtige Unterscheidungen zu treffen. Er verhöhnt alles, was innerhalb "des Systems" (System ist auch so ein Lieblingswort dieses Radikalismus) Verbesserungen bringen könnte. Für ihn zählt nur die ganz große Veränderung, das ganz Andere. Der Kommunismus, der kommt zwar noch lange nicht, und wahrscheinlich kommt er nie, aber alles, was bis dahin an realen Reformen gemacht werden kann, zählt nicht. So in etwa stellt sich die Welt für diese Art von Kommunisten dar.

Und deshalb entfaltet das radikale Maulheldentum heute eine ganz andere Wirkung als noch vor hundert Jahren: Früher verlieh die Utopie des Kommunismus vielen zehntausenden Linken Kraft, sie hatte eine energetische Wirkung. Heute passiviert sie dagegen. Sie verleiht niemandem Kraft, sie raubt sie eher. Weil die kleinen, sukzessiven Änderungen ohnehin nichts bringen, die großen aber nirgendwo in Sicht sind, richtet sich der Kommunist wohlig ein in seiner Passivität. Er ist der keppelnde, übel gelaunte, besserwisserische Balkonmuppet, der nichts beizutragen hat als den Hinweis, dass die Reformer doch nur zur Stabilisierung des Systems führen.

Kein Korrektiv mehr

In gewissem Sinn funktioniert der "Kommunismus" oder die "ganz andere Gesellschaft" oder die "große Änderung", die im wortradikalen Justemilieu gerne beschworen werden, wie das Paradies im Christentum: Dieses versprach dem Sklaven das Himmelreich und machte klar, dass der Kampf gegen die irdische Versklavung angesichts dieser gloriosen Aussicht eine unbedeutende Nebensache sei. Der Kommunist beschwört die eminente Veränderung und erklärt, dass der Kampf um kleine Verbesserungen eine unbedeutende (ja kontraproduktive) Nebensache sei.

Der Kommunismus ist also zu einer hohlen Phrase verkommen. Kluge Radikale wenden an dieser Stelle ein, dass auch die Reformer die Radikalen brauchen, als Korrektiv, als Ansporn. Dass die Pragmatiker die Visionäre brauchen, da sie ohne diese vom Kurs abkämen. Doch ich kann nicht sehen, dass das Wort Kommunismus und diejenigen, die es heute gebrauchen, diese Wirkung in irgendeiner Form entfalten. Eher drängt sich der Eindruck auf, dass es sie daran hindert, diese Wirkung zu haben. Dazu sind sie zu sehr von jeder Realität, nein, mehr noch: selbst von dem, was irgendwie gerade noch vorstellbar ist, abgekoppelt.

Selbst wer den guten Kommunismen anhängt, handelt sich damit eine Reihe weltfremder Romantizismen ein, wie Andre Brie in der Sächsischen Zeitung schrieb: "Absterben des Staates, völlige Herrschaftsfreiheit, absolute Überwindung der Warenwirtschaft, des Marktes und Geldes."

Das Wort Kommunismus evoziert also nichts als eine Reihe leerer Imaginationen. Kann ja sein, dass sich das irgendwann einmal wieder ändert. Aber bis dahin sollte man das K-Wort doch besser in der Asservatenkammer ablegen.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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20 Kommentare

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  • AR
    Alter Revolutionär

    "Aus dem Gespenst des K ist das Gespött des K geworden" - ganz sicher. Stimme auch ostrowski oben

    zu. Eine kritische Gesamtperspektive, klare Visionen und eine ähnlich scharfe Kritik der Verhältnisse wie die von Marx vor ca. 140 Jahren sind in Ordnung, aber das Grundproblem ist ein menschliches:

    Auch die 'kleinen' Veränderungen brauchen Zeit, absorbieren viel Energie, befriedigen nicht immer, aber sie halten in der Regel.

    Während die ägyptische Revolution Gefahr läuft, in der Beliebigkeit der 'facebook'-Generation und der Projektion auf einen großen Sündenbock zu versanden, sehen wir, dass emanzipatorische Organisationen und gute Strukturen unendlich viel Zeit und Energie brauchen. Aber sie lohnen sich. Dass die Autonomen in Kreuzberg nach der fiesen Auflösung der Mietverträge durch Spekulanten (und Richter) auf Genossenschaftsbanken Steine geworfen haben, zeigt aber, dass so eine Message bei bestimmten Leuten nie ankommt.

  • RH
    Ralf Hutter

    Kannst du eigentlich auch mal nicht feuilletonistisch schreiben, misik?

    Du behauptest hier dinge und lieferst null belege! Null!!!

    Ist es das, was ihr unter kommentar versteht, taz?! Hauptsache ein paar nette vokabeln drin und eine meinung, die noch nicht woanders steht (und von einem halbwegs prominenten kommt)?

     

    Zum ersten punkt, der reaktionen in den medien: Vielleicht mal die eigentlich nicht so in der antikommunistischen tradition stehenden medien checken: Die Süddeutsche gab ihre ganze historie-seite der wochenendbeilage für eine politische intervention her, wo der zuständige redakteur den kommunismus verdammte und dabei z.T. richtig dummes zeug schrieb. DeutschlandradioKultur behauptete ebenfalls, marx sei ja nicht dumm gewesen, aber kommunismus zu wollen, das führe auf jeden fall in die diktatur. Und christian bommarius, leitender redakteur bei den teil-fusionierten berliner zeitung und frankfurter rundschau, nannte die vielen hundert bei der rosa-luxemburg-konferenz anwesenden pauschal „rote Faschisten“, siehe: http://www.fr-online.de/politik/meinung/seltsame-gesellschaft-in-der-urania/-/1472602/5199084/-/index.html

    Es wird also sehr wohl ganz schön nachgetreten, das k-wort soll eliminiert werden.

     

    Zweitens: Es mag ja leute geben, für die „Wörter wie radikal oder Kommunismus zu Catch-Phrasen verkommen sind“. Aber woher nimmst du das recht, den halben artikel lang diese allgemeine behauptung auszubreiten? Ohne beleg!

    Was soll dieser unsinn?! „Seht her, ich bin ein ganz toller Kerl, nicht so ein Warmduscher wie all die andern. Es ist mehr eine Werbe- und Marketingstrategie, dient zum Aufbau einer Unique Selling Proposition. Wir sind cool, die anderen fad. Wir radikal, die anderen angepasst. Kauft uns.“ „Image, ein Gefühl“. „Radical chic“. „Entleerter Radikalismus“.

    Wer macht so was? Geht’s auch konkreter, oder willst du nur chic diffamieren?

     

    Den radical chic, von dem du sprichst, hast du nicht belegen können, deinen eigenen intellectual chic schon.

    Spare mir weitere anmerkungen.

  • W
    womue

    Die Kommentare hier bilden ein prima Spektrum zum Thema. Nur eins fehlt: Der Kommunismus ist eine Angelegenheit für bescheidene Leute! Und die findet man in Mitteleuropa außerordentlich selten.

  • K
    Kollo

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    Interessant ist doch folgendes, früher waren die Kommunisten der Meinung die Bürgerlichen sein einfach aufgrund ihres eigenen Klasseninteresses gegen die Emanzipation des Proletariats – was natürlich der Kommunismus sei –, heute müssen sich die Kommunisten diskursiv weit zurückziehen und immer erst mal lange und breiten Argumentationsketten – dabei natürlich immer schön pseudo-intellektuell reden; damit keiner so richtig verstehen kann was man eigentlich so sagt – aufbieten, die beweisen, dass der Kommunismus von all den Kritikern ebenso wenig verstanden wurde wie von den realen Parteibonzen in Osteuropa bis 1989. Letztlich kenne ich aber keine innovative Kommunismusargumentation, was einigermaßen innovativ daher kommt, ist eben kein Kommunismus mehr, was Kommunismus ist ist nicht innovativ. Mauer, Stalin, Gulag, etc. sind eben kommunistische Realitäten, wer glaubt, an ihnen vorbei kommunistische Argumentieren zu können, will aus den bitteren Erfahrung des letzten Jahrhunderts einfach nichts lernen. Es geht zur Zeit wohl eher um utopische Entwürfe außerhalb der Utopie.

  • V
    vic

    Das Problem ist doch, die Mehrheit in diesem Lande ist viel zu phlegmatisch, fett und bequem geworden. Wir fürchten uns vor denen, vor denen wir uns fürchten sollen, wir nehmen alles hin, sind obrigkeitshörig, vorbeugend gehorsam und gehen davon aus, "die da oben" werden`s schon richten.

    Und unser Kreuz machen wir da, wo wir`s immer machen.

    Revolution? Nicht hier.

  • J
    Jeff

    Das erinnert mich alles stark an die seit Jahrzehnten kursierende Behauptung, die politischen Einordnungen rechts und links hätten ihre Bedeutung verloren.

    Was Blödsinn ist:

    Penibel vorzurechnen, wo das Geld ist und wo es nicht ist, wo es hinfließt und wo es nicht hinfließt, das ist links.

    Ob das nun auch kommunistisch nennt oder nicht, ist Wortklauberei.

    Die Basis diese Sichtweise sind härteste ökonomische Fakten und diese Fakten auf penetranteste Weise bekannter zu machen, hat auch todsicher konkrete Auswirkungen.

     

    Ob man das als links und / oder kommunistisch bezeichnet oder sonstwie, ist doch banane.

     

    Aber die Behauptung, das würde es im Grunde nicht mehr geben oder es hätte seine praktische Bedeutung verloren, ist einfach seit dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Ausdrucksweise die en vogue ist und irgendwie auch total aufgeklärt klingt.

    Wahrer macht sie das nicht.

  • HO
    Hans Ostrowski

    Der Generalvorwurf in der aktuellen Kommunismusdebatte ist jener, dass Frau Gesine Lötzsch Verbrechen ausgeblendet hat, die im Namen dessen begangen wurden. Das ist richtig. Gulags, politische Morde, Diktatur, Folter und weitere Grausamkeiten sind in dieses Wort eingeschrieben. Deshalb ist es anachronistisch, wenn man zurück zu Rosa Luxemburgs pazifistischer Ausprägung des Kommunismus möchte.

    Was allerdings nach "in des Nachbars Garten schei**en" riecht, ist die Ecke aus der die richtigen Vorwürfe kommen. In Rüstungskonzernen die in alle Welt liefern sitzen Mitglieder der FDP und CDU. Die atomare und chemische Bestückung des Iran ist der damaligen konservativ geführten BRD zu verdanken, ebenso die Belieferung des Irak mit Giftgas. Hinzu kommen die aktuellen katastrophalen Zustände in Ländern, die unter neokapitalistischen Zuständen leiden. "Leiden" bedeutet hier nicht eine 40-45h Woche wie in Deutschland, sondern Hungern wie am Viktoriasee (siehe Darwins Alptraum als einfache Kost). Zauntote vor den Toren Europas, Folter an den Grenzen Marokkos, Leichen auf dem Grund des Mittelmeers und vieles mehr zeichnet unsere demokratische Gegenwart.

    Das Problem bei Lötzsch und weiten Teilen der Linkspartei ist die massive Inkompetenz eine tatsächliche neue Alternative aufzubauen, die gegen die aktuellen Verbrechen bestehen kann und auch Lösungsansätze bildet. Stattdessen flüchten sie sich in eine verklärte romantische Vision eines Utopie-Kommunismus, den es nie gab und den es auch nicht geben kann. Marx kennt ohnehin kaum jemand und was aktuell passiert ist zu differenziert als das Industriezeitalterkategorien dazu passen. Es ist nur bequem mit Schlagwörtern zu operieren und wenn man dumm genug ist, dann beliefert man auch noch die bürgerliche Presse mit Totschlagargumenten. Ich würde gerne wissen, was Herr Westerwelle und Frau Merkel zu Krauss-Maffei, Mercedes Benz usw. zu sagen hätten, wenn man dies verbindet mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wahrscheinlich genau das, was auch der grausame Kommunismus jahrelang gepredigt hat: Opfer sind nötig und man muss sich manchmal die Hände schmutzig machen. Wer nicht mitmacht ist ein Verräter.

    Die Rhetorik und Überwachung nähert sich immer mehr autoritären Regimes an. Noch haben wir ein relativ funktionierendes Rechtssystem, dass allerding in der antizyklischen Falle steckt und erst nach Polizeiverbrechen langsam los schreitet und oft genug nicht ankommt. Unser Wohlstand macht uns nicht nur träge sondern ist auch politische und wirtschaftliche Macht, weshalb man es sich nicht mit dem Konumenten verscherzen will. Zudem kann man davon ausgehen, dass in weiten Teilen der Politik es tatsächlich nicht den Willen gibt, eine Diktatur in der EU aufzubauen. Es scheint vielmehr, dass unser globales System seit Anfang der 80er derart kompliziert geworden ist, dass wir mit dem Korrigieren nicht mehr hinterher kommen. Langsamer wird es sicherlich nicht. Wenn es eine aktive und intelligente Alternative geben soll, dann hilft sicherlich eines nicht: das Gerede über eine veraltete Ideologie aus dem letzten Jahrtausend.

  • HH
    Hans Hirschel

    Wer es einfach nur schrecklich unmodern findet, wie es Robert Misik in der Vergangenheit ja schon vielfach Kund getan hat, über die Marx`sche Perspektive der Aufhebung von "Entfremdung" (von den Produktionsbedingungen, d.h. vom Unvermögen, die sozialen Zwecke und Kosten des Weltwirtschaftens in einer rationalen Weise miteinander abzustimmen), der kann natürlich auch nicht verstehen, warum entsprechende Bemühungen ft selbst deutliche Merkmale der Entfremdung aufzeigen. Linksradikale Kapitalismusgegner, die sich als Kommunisten vestehen, sind so ein Fall. Sie können sich ja nennen, wie sie lustig sind. Aber auf Marx können sie sich nicht berufen, wie u.a. folgende Pasage zeigt:

     

    “Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.”

     

    Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. MEW Bd. 3, S. 35

     

    Linksradikale K-Posen sind in der Tat peinlich. Aber sie sid es nicht halb so sehr, wie Kolumnisten, die meinen, das Thema "Kommunismus" (und auch einiges vom Anliegen der "Radikalen") nach Standup-Comedy Art abhandeln zu können.

     

    So etwas wie intellektuelle Redlichkeit würde verlangen, ersteinmal darüber aufzuklären, dass es sehr verschiedene Vorstellungen darüber gibt, was mit der Perspektive (wenn auch nicht unbedingt mit dem Wort) Kommunismus verbunden wird und werden kann. Kapitalisten bzw. Bürger erschrecken ist es nach meinem Verständnis jedenfalls nicht.

     

    Gruß hhirschel

     

    Näheres: http://hhirschel.wordpress.com/2008/01/22/was-heist-hier-sozialismus/

  • V
    vic

    Wir brauchen mehr Gleichheit. Mehr Chancengleichheit, Enährung und Bildung unabhängig von Vermögen, Hautfarbe und Abstammung. Wenn das funktionieren sollte, ist mir völlig egal wie das heißt.

    Das das nicht funktioniert ist mir auch klar.

    Wir würden schon auf dem Weg wieder alles versauen.

  • U
    underdog

    ich habe den ganzen spass nur in auszügen gelesen, genau so wie die kommentare.es scheint keiner zu begreifen, das das übel der wurzel im momment der kapitalismus ist!

    ich will nicht behaupten das ich komunist bin, strebe aber nach einem anderen gesellschaftsystem als diesem.

    wenn ich hier die kommentare überfliege fehlt doch elementares verständnis für das zusammenspiel von politik und lobbyismus.

    kommt noch viel schlimmer, die menschen sind mittlerweile so verbohrt und desinformiert das sie das schweinesystem noch stützen!gott, ihr tut mir leid.

    naja,ich arbeite nicht für paar euro die stunde und kann den niedergang deutschlands mit einem lächeln verfolgen!

    im mai wirds sicher lustig wenn die grenzen für andere arbeitnehmer aufgehen, ihr immer noch keinen mindestlohn habt,doch selbst dann wird das bornierte wahlvolk nicht verstehen und auf die leute schimpfen die das gesetz in anspruch nehmen und nicht die die es gemacht haben....viel spass, ihr habt ja aufschwung und fast keine arbeitslosen mehr!!!durch eure interessenlosigkeit, oberflächlichkeit und zynismus der gesellschaft gegenüber, hab ihr euch verdient was die nächsten jahre kommt......glückwunsch!muhhahahahaa

  • A
    anke

    Da können Sie lange warten! Ich glaube kaum, Herr Misik, dass das Wort Kommunismus jemals wieder mehr als "eine Reihe leerer Imaginationen evoziert", wenn wir es jetzt unbesehen zurück in die Rumpel- oder Asservatenkammer stecken. Da kommt es nämlich gerade erst her. Es ist so eingestaubt da, dass nicht einmal Andre Brie etwas anderes darin erkennen kann als "eine Reihe weltfremder Romantizismen". (Wobei – dass ausgerechnet der Berufspolitiker Brie ein Leben ohne Staat, Herrschaft, Markt und Geld besonders romantisch findet, kann ich mir gerade nicht so recht vorstellen.)

     

    Sie fragen, welchen Nutzen es bringen könnte, wenn man den Kommunismus fordert? Im Moment keinen, da gebe ich Ihnen recht. Im Moment nämlich ist gar nicht mehr zu erkennen, wie es eigentlich aussehen soll, dieses "Himmelreich" der Arbeitenden. Ist es ein Platz im Dschungelcamp? Ein Lottogewinn? Der größte Busen aller Zeiten? Die Absatzschuhe von Zarlando? Die Eröffnung einer Boutique im Vatikan? Der Eintrag im Guinnessbuch für die erste Nachtbesteigung des Mount Everest?

     

    Wenn Sie mich fragen, sind die Idealen der Linken allesamt in einem kläglichen Zustand. So, wie sie derzeit aussehen, sind sie nicht nur ein Lacher für die Konkurrenz, sie sind auch nichts, wohinter irgend jemand mit einiger Selbstachtung sich gern versammeln würde. Die Folgen sind traurig genug.

     

    Es ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gäbe. Nie war die Welt so bunt wie heute. Es ist nur so, dass es nichts mehr gibt, woran die verschiedenen Heilslehren sich messen lassen müssten. Die Rechte hat noch immer, was sie immer schon hatte: ihre Machtstrukturen, ihr Geld und ihre Siegerpodeste. Die Linke hat: nichts – abgesehen von der Hoffnung, sie würde etwas abkriegen von dem, was die Rechte für sich beansprucht. Wenn sie brav genug ist.

     

    Eins muss man dem Kapitalismus lassen: Auch wenn er offiziell nicht mehr so genannt werden will, er macht dem Titel "Wegwerfgesellschaft" alle Ehre. Selbst seine Kritiker eignen sich heutzutage die Worte nur noch an, um ein Weilchen damit zu spielen, sie kaputt zu machen und zu entsorgen, wenn sie ihren vermeintlichen Zweck nicht mehr erfüllen. Der Markt, nicht wahr, wird schon neue produzieren. Aber der Markt hustet ihnen was. Wer als Konsument glücklich werden will, der soll es ruhig versuchen. Viel Spaß dabei.

     

    Und nun? Nun, denke ich, sollten wir uns bei den immissionsgeplagten Chinesen einen Mundschutz ausleihen und uns in die Asservatenkammer begeben. Dort sollten wir die alten Begriffe unter dem übrigen Müll hervorkramen und sie vorsichtig abpusten. Wenn wir Glück haben, fällt den begabteren unter uns bei der Betrachtung des Plunders etwas ein. Etwas ganz Neues womöglich. Und das wäre dann immer noch mehr, als ihnen bis jetzt eingefallen ist.

  • TK
    Tanja Klaeft

    Kommunismus / Sozialismus kann man nur dann gutheissen, wenn man keinerlei Ahnung von wirtschaftlichen Fragen hat.

     

    Im Übrigen leben wir ja bereits in einer quasi-sozialistischen Bürokratie (EUdSSR), und die deutsche Staatsquote bei ca. 70-80% zeigt, dass in Deutschland eine Plan- und Kommandowirtschaft dominiert. Keine große Überraschung, da im Bundestag 6 sozialistische Blockflöten den Ton angeben.

  • T
    TheShadow

    Ich könnte jetzt einen ellenlangen Kommentar schreiben; darüber, dass der Artikel auf mindestens zwei Ebenen auf argumentativ eindimensionalen und reaktionären bzw. angepassten Denkmustern aufbaut; darüber, dass der allgemeine Rechstruck auch an der Taz nicht vorbeigegangen ist; darüber, dass das Niveau sich gewissen Fleisch-Bearbeitern vom SPIEGEL nähert... aber ich lasse es und denke mir, dass sich das eigentlich nicht lohnt...

  • HP
    Hans Peter

    Ein sehr guter Artikel. Danke

  • R
    robert

    Endlich einmal ein geistriecher Beitrag zur Debatte, auch wenn ich wieder einmal sehr vermisse, dass der eigentliche Gedanke (Was ist Kommunismus?) keinen Platz findet.

  • H
    hto

    Der Kommunismus gehört auf den Weg der Macht der Straße und nicht ins Parlament - das Parlament ist offensichtlich die institutionelle Fabrik für Verkommenheit im geistigen Stillstand, seit der "Vertreibung aus dem Paradies" (erster / einziger geistige Evolutionssprung)!!!

  • H
    Hans

    Ich würde Robert Misik zustimmen, dass Gesine Lösch mit ihrem Kommunismus-Statement sich selbst keinen Gefallen getan hat, zumal radikal-chique auch funktionieren muss.

    Andererseits ist der ironische Aufarbeitung in Mainstream-Medien über den Kommunismus auch von einer Schicht von Schreibern geprägt, die kaum ein echtes Wissen über den Kommunismus verfügen. Was diese Leute darunter verstehen, ist ja nur eine Pflanze, die aus Stalins Thesen von Sozialismus-in-einem-Land hervorgegangen ist und die ganz oben auf der Liste inhumaner Regierungssysteme steht.

    Kommunismus ist als Begriff jedenfalls keine Linken anzuraten, aber welche Begriffe taugen, um die Veränderungssituationen, die wir in Deutschland und Europa beobachten, auszudrücken und damit auch alternative Konzepte zu befürworten?

    Anscheinend tut sich ausgerechnet die Linke damit schwer, was ich in gewisser Weise schade finde, denn sie sollten es besser können.

  • T
    teil

    Guter Artikel. Besonders der letzte Satz "Aber bis dahin sollte man das K-Wort doch besser in der Asservatenkammer ablegen" gefällt mir. Es klingt jedenfalls einleuchtend, will man auf dem kleinen Weg was verändern, will man also in die Gesellschaft reinwirken anstatt ihr vor den Kopf zu stoßen. Und mir gefällt auch gut, dass sie den Begriff nicht in den Dreck ziehen, sondern ihn für Linke als einen Pass ins Abseits analysieren. Allerdings kann ich ihnen nicht zustimmen, wenn sie die Leute die den Begriff benutzen und sich als Kommunisten bezeichnen alle als gleich sehen, nämlich als realitätsferne Utopisten. Man kann durchaus auch Utopist sein und trotzdem Realist bleiben und auf pragmatischem Weg Veränderungen anstreben oder vornehmen um der Utopie ein Stück näher zu kommen. Also im Prinzip im Kleinen verändern ohne das Große aus den Augen zu verlieren.

    Also bezogen auf die Einwirkung in eine Gesellschaft, die beim Begriff Kommunismus nur an eine gescheiterte Ideologie denkt, die heute nur noch von weltfremden Romantikern verfolgt wird, sollte man das K-Wort meiden.

    Für mich steht allerdings fest, dass der Kommunismus nicht gescheitert ist, das er nicht lächerlich, unrealistisch, romantisch angeberisch, oder wie sie sagen "radikal chic", sondern eine anzustrebende alternative Gesellschaftsordnung ist, deren Bewegung wir auch manches zu verdanken haben und dessen Analyse (kritisch und fortschrittlich) und Präsenz wichtig ist, will man den hemmungslosen Kapitalismus in die Schranken weisen.

     

    Ich denke darüber hinaus, ist es natürlich auch schwer im Kapitalismus, der sich ausweitet und im neu entstehenden Finanz- und Turbokapitalismus seine radikalste, brutalste Form zeigt, unter der die ganze Arbeiterschaft der Welt leidet, während die Verantwortlichen genauso weiter machen können. In so einer Zeit ist es für Gesellschaftskritiker und Kapitalismusgegner natürlich eine große Bürde, nun ausgerechnet den Begriff Kommunismus zu meiden, weil er als lächerlich gilt oder ignorante Reaktionen hervorruft.

  • K
    Kommunist

    Eine kleine Anmerkung: Es gibt nicht DIE Kommunisten. Deshalb stimmt die Aussage auch nicht, dass die Kommunisten es verurteilen, wenn man das System reformiert. Zwar ist es einerseits korrekt, dass das System damit teilweise gestützt wird, aber es ist wahrscheinlich auch dumm zu glauben, dass erst mal nur genug Not entstehen muss, damit die Massen den Kommunismus wollen. Dafür braucht es nicht Hunger, sondern Aufklärung!

    Außerdem - und hier beziehe ich mich auf Adorno - gibt es ein viel größeres Problem als die Stabilisierung des Systems durch Reformen: nämlich die "Verhärtung" "der gesellschaftlichen Apparatur". Das jetzige System wird von den meisten nicht als positiv, aber als alternativlos wahrgenommen. Hier liegt das große Problem. Und wenn eine Veränderung innerhalb des Kapitalismus diese Denkstruktur aufbrechen kann, sei sie an sich noch so wertlos für die Systemüberwindung, dann ist sie es allemal wert.

     

    In diesem Sinne: Für die gesellschaftliche Radikalemanzipation! Für den Kommunismus!

  • I
    instroemen

    Ein hervorragender Artikel, den ich mir ausdrucken musste. Vielen Dank!