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Debatte KlimakonferenzDer Fehler im System

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Wer das Klima schützen will, muss eine schlagkräftige internationale Institution schaffen: einen mit der UN vergleichbaren Klimarat, der mit Boykotten reagieren kann.

D ie jährlichen Weltklimakonferenzen gleichen einem unüberschaubaren Basar von vielen schönen Worten und wenigen kargen Ergebnissen. Die Klimadiplomatie braucht deshalb neue Strukturen - und mehr globale Gerechtigkeit.

Bei seiner Ankunft auf Bali analysierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel: "Der Klimagipfel in Nairobi funktionierte vor einem Jahr wie ein Mikadospiel: Der Erste, der sich bewegt, hat verloren. Hier auf Bali ist es umgekehrt: Derjenige, der sich nicht bewegt, verliert."

Bild: taz

Nick Reimer ist Redakteur im Wirtschaft und Umwelt-Ressort der taz. Und zur Zeit beim Weltklimagipfel auf Bali.

Und? Hat sich die Konferenz bewegt? Ja, werden Klimadiplomaten und Minister sagen, die in ihren Reden stets auf die dramatischen Ergebnisse des IPCC verwiesen. Aber angesichts dieser Ergebnisse kann man den Weltklimarettern auf Bali allenfalls bescheinigen: "Hat gewackelt!"

Das liegt an der Systematik der Weltklimadiplomatie selbst: Jeder Beschluss muss von den 190 Vertragsstaaten einstimmig getragen werden. Zwar definiert die Geschäftsordnung, dass die Mehrheit über die Minderheit bestimmt. Das aber fürchten kleine oder arme Staaten, die schon oft vom reichen Norden über den Tisch gezogen worden sind. Deshalb lehnen sie die Geschäftsordnung ab. Es gelten provisorische UN-Bestimmungen, nach denen Beschlüsse "einmütig" gefällt werden müssen. Heißt: Liechtenstein könnte jeden Beschluss verhindern. Genauso wie die USA.

In seinem Bericht zur Reform des UN-Sicherheitsrates schrieb der damalige Generalsekretär Kofi Annan: "Die Wahrung des Weltfriedens hängt ganz wesentlich davon ab, dass ein gemeinsames, weltweites Verständnis dafür vorhanden ist, wann die Anwendung von Gewalt sowohl rechtmäßig als auch legitim ist." Was für den Weltfrieden gelten soll, ist für das Weltklima genauso richtig. Ohne ein gemeinsames, weltweites Verständnis dafür, wie die Nutzungsrechte an der Erdatmosphäre sowohl rechtmäßig als auch legitim verteilt sind, werden die Blockaden bei künftigen Klimaverhandlungen kaum zu lösen sein. Augenscheinlich ist die Klimadiplomatie nicht in der Lage, ein solches gemeinsames Verständnis zu entwickeln.

Wir brauchen einen radikalen Neuanfang bei den Strukturen: die Gründung eines UN-Klima-Sicherheitsrates. Vorbild dafür ist der UN-Sicherheitsrat, der nach Artikel 24 I der Charta der Vereinten Nationen "die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" trägt. Zweifellos bedroht die Erderwärmung den Weltfrieden wie kaum eine andere Entwicklung. Schon heute werden um Wasser oder Erdöl Kriege geführt, längst fordert der Klimawandel mehr Todesopfer als der internationale Terrorismus.

In den neuen UN-Klimarat könnten neun ständige Mitglieder berufen werden: 1. die Gruppe der kleinen Inselstaaten; 2. die Afrikanische Union, um die speziellen Probleme Afrikas artikulieren zu können; 3. die Mercosur-Staaten in Mittel- und Südamerika; 4. die G 77, 5. der südostasiatische Zusammenschluss Asean; 6. die arabisch dominierte Opec; 7. ein noch zu schaffendes Gremium für die zerfallende Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS); 8. die Europäische Union, die auch europäische Nicht-EU-Länder mit vertreten muss; 9. schließlich die übrigen Industriestaaten um Japan, Kanada und die USA. Natürlich bevorteilt eine solche Sitzverteilung den Süden. Aber das ist nur gerecht: Die Länder, die am wenigsten zum Problem beigetragen haben, leiden am stärksten unter dessen Folgen. Deshalb kann der UN-Sicherheitsrat auch nicht die Aufgaben des UN-Klimarates übernehmen: Er wird vom Süden nicht zu Unrecht als ein Gremium der Industrienationen wahrgenommen.

Mit Sicherheit werden jetzt die Russen aufschreien. Ebenso die Chinesen. Die USA sowieso. Sie sind nirgends in der ihnen angemessenen Gewichtung präsent. Deshalb gehören dem Klima-Sicherheitsrat noch fünf nichtständige Mitglieder an. Auf diese Sitze entsenden die G-8-Staaten ihren Vertreter, außerdem die Schwellenländer (also etwa China, Indien oder Brasilien) und die indigenen Völker, die von der Eisschmelze in der Arktis bis zum Abholzen des Regenwaldes besonders betroffen sind. Ergänzt würde die Runde durch einen Vertreter des UN-Klima-Sekretariats in Bonn sowie den Umweltminister jenes Landes, das die nächste Klimakonferenz ausrichtet - er wird es nämlich sein, der diese Konferenz als Präsident leitet. Beide erhalten als Konferenz-Organisatoren einen Beraterstatus. Ein Vetorecht besitzt im Gremium niemand.

Erste und wichtigste Aufgabe des UN-Weltklimarates ist, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie künftig die Klimaverhandlungen auf eine neue Grundlage gestellt werden können. In der Vergangenheit nämlich waren historische Besitzstände die Basis des Kioto-Protokolls und aller anderen Gespräche. So verpflichteten sich die Industriestaaten zu Reduzierungen ihrer Emissionen von 1990 - und erwarteten dafür großes Lob. Woraus aber, fragen Entwicklungs- und Schwellenländer, leiten 20 Prozent der Weltbevölkerung eigentlich das Recht ab, mehr als 60 Prozent des weltweiten Kohlendioxidausstoßes zu verursachen? Praktisch könnte die Arbeit des neuen Gremiums so aussehen: Russland ruft den UN-Klima-Sicherheitsrat an, weil Österreich sein Kioto-Ziel nicht schafft. Im Entwurf für die UN-Resolution K 72 wird Wien ein Handelsembargo angedroht, falls nicht umgehend etwas unternommen wird. Bolivien ruft den Rat an, weil Deutschland 20 Kohlekraftwerke zu bauen plant. Resolution K 73 fordert die Bundesregierung auf, völkerrechtsverbindlich darzulegen, wie sie ihr selbstgestecktes Klimaziel erreichen will. Resolution K 74 droht die Entsendung einer internationalen Blauhelm-Schutztruppe an, falls die indonesische Regierung nicht innerhalb einer festgesetzten Frist die Brandrodungen auf Borneo stoppt.

Zweite Aufgabe des UN-Klimarates: Er muss eine Judikative entwickeln. So, wie es etwa einen Internationalen Seegerichtshof in Hamburg gibt oder den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, so braucht die Welt einen Internationalen Klimagerichtshof. Dessen Rechtsgrundlage müssten vom Klimarat erarbeitete Statuten sein, dann kann der Gerichtshof strittige technische Fragen der Klimadiplomatie entscheiden. Denn nie wieder soll ein Weltklimagipfel über Fragen wie diese debattieren müssen: Tragen Eukalyptus-Plantagen in Spanien in gleichem Maße wie Teakholz-Plantagen in Indonesien zum Klimaschutz bei?

Darum muss es dem UN-Klimarat als Drittes gehen: die jährlichen Klimagipfel von den zähen Detailfragen zu entlasten. Ob und wie man ein internationales meteorologisches Austauschsystem einrichtet, wer es mit prozentual welchem Anteil finanziert - dazu bedarf es keiner jährlichen Weltklimakonferenz. Jede Demokratie braucht eine Gewaltenteilung. Wer möchte, dass die Klimakonferenz das demokratische Zentrum der Weltklimapolitik bleibt, der muss ihr entsprechende Institutionen zur Seite stellen.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

5 Kommentare

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  • PM
    Peter Müller

    Auch wenn man 100x behauptet, dass die Arktis schmilzt, so wird diese Aussage dennoch nicht wahr. Die Arktis ist genauso groß, wie im langjährigen Mittel.

     

    Einfach mal nachsehen unter:

     

    National snow and ice data center

  • HK
    Hans-Jürgen Kapust

    In der Tat. Es gibt angesichts der das ganze Leben - denn ein anderes kennen wir nicht, als das der Erde - nach Naturgesetzen sich vollziehenden bedrohlichen Entwicklung keine andere Lösung als das, was die Gattung homo sapiens mit ihren Arbeitsvermögen angerichtet hat, nicht nur zu stoppen, sondern auch wieder gut zu machen.

    Eine Art Weltregierung mit einem übernationalen Gewaltmonopol, demokratisch legitimiert und konstruiert, ist aber nur die Projektion der bürgerlichen Gesellschaft von der nationalen auf die globale Ebene; und genau so unfähig, hier wie da, sich dem Gewinnmaximierungsinteresse und dem gnadenlosen Wachstumsgebot entfesselter Kapitalfraktionen wirksam zu widersetzen. Nicht zuletzt, weil diese Gesellschaft sich über nichts anderes als Besitz und Vermögen zu legitimieren vermochte, seit sie sich den Staat der feudalen Gesellschaft aneignete.

    Nun idealtypisch jeden "Erdenbürger" zum Unternehmer seiner selbst zu machen, z.B. durch weniger Atmen sich Atemluft-Zertifikate zu erwerben, enspricht ziemlich genau dieser bürgerlichen Sparlogik; der Logik des Anhäufens.

    Insofern muss wohl, wie Herr Neef indirekt in seinem Kommentar fordert, ein sehr grundlegender Wandel unserer politisch-ökonomischen Umgangsweise miteinander als Gesellschaft - auch als globale - erfolgen.

    Nicht die industrielle Produktionsweise, nicht die Technik an sich ist das Problem. Bäuerlich-hanwerklich geprägte Gesellschaften waren und sind den "Launen" der Natur im viel stärkerem Maße ausgeliefert. Da macht es auch Sinn für Notzeiten zu sparen.

    Die industrialisierten Gesellschaften sind wie Kinder mit einem Auto losgefahren, die nicht gelernt haben, wie man bremsen kann.

    Bremsen heißt, den unorganischen Stoffwechsel mit der Natur auf das Maß einzuschränken, das das Leben dieses Raumschiffs, Erde nachhaltig gewährleistet.

    Es reicht sicher nicht allein, den Glauben an das Geld zu attackieren. Es muss auch etwas gesucht und gefunden werden, das seine Vermögen ersetzt und besser ist, als Geld, um z.B. Arbeitskraft zu organisieren, oder dem Einzelnen Status und Ansehen zu verschaffen. etc..

    Dies als Orientierungshilfe und nicht als Allheilmittel. Und natürlich ist "Demokratie eine schlechte, aber die einzig mögliche Staatsform." Allerdings nur, wenn Emanzipation und die Herstellung von Autonomie, und damit Verantwortlichkeit ihre Ziele sind.

    von Hajü

  • WN
    Wolfgang Neef

    Grenzen des Systems: Wachstums- und Technik-Abhängigkeit

    Die spannende Überschrift "Fehler im System" ließ hoffen, dass neben den politischen einige grundsätzliche Fragen behandelt werden: Eine "Welt-Klima-Politik" setzt voraus, dass die Frage geklärt wird, mit welchen technischen und ökonomischen Mitteln auf die Klima- und Umweltkrise eingewirkt wird. Und hier fangen die Schwierigkeiten erst richtig an, selbst wenn es Verhandlungserfolge bezüglich der Reduzierungsziele gibt: Die Markt- und Rendite-getriebene Wachstums-Ökonomie erzeugt eine Technik, die eben jenes Wachstum in Artefakte umsetzt. In diesem Denk- und Wirtschaftssystem ist "Reduzieren" nicht möglich - was sich ja auch an der ständigen Steigerung des Energie- und Rohstoffverbrauchs ablesen lässt, trotz seit Jahren verkündeter CO2-Reduktions-Ziele. Für dieses System ist buchstäblich jedes Mittel recht: Es werden ständig neue Produkte in die Welt gesetzt, größtenteils inzwischen reiner Spielkram, die nichts sind als Vehikel zur Geldvermehrung, völlig gleichgültig, was sie wirklich nutzen oder schaden. Inzwischen schaden sie fast alle. Da erstaunt es auch nicht weiter, wenn - wie Nikolai Fichtner in der taz vom 14.12. völlig richtig anmerkt - dort, "wo es der deutschen Wirtschaft richtig weh tun könnte, bei Autos und Energiekonzernen" und und und...Blockade angesagt ist. Brav exekutiert von einem Umweltminister, der CO2-Emmissionsklassen tatsächlich aufs Gewicht der Autos beziehen will: Für jeden Ingenieur eine Lachnummer sondergleichen, weil schon rein technische Effizienz genau das Gegenteil ist: Transportleistung pro Gewicht. Auch hier sind deutsche Autos miserabel.

    Solche Grotesken ergeben sich aus einer System-Logik, die mit der Erde umgeht wie der Cowboy: Neue Gebiete erobern, abgrasen, vollmüllen und weiterziehen (nach Boulding, der auch den Satz geprägt hat: "An ständiges Wachstum in einer endlichen Welt glauben nur Verrückte und Ökonomen"). Solche Ökonomen unterstellen, dass die Erde eine Scheibe ist - denn wenn sie rund wäre, würde man ja irgendwann wieder bei den abgegrasten, vollgemüllten Claims ankommen. Genau das ist heute der Fall, wie man am Klima sehen kann.

    Also: Ohne eine gundsätzlich andere Ökonomie und damit auch ebenso grundsätzlich andere, nicht-fossil basierte Technik (nach Boulding wäre das eine "Raumfahrer-Technik", die die "Pflege und Aufrechterhaltung der Bestände" zum Ziel hat, also die Vorräte unangetastet lässt und die menschlichen Bedürfnisse mit möglichst wenig Produktion und Verbrauch befriedigt) wird das ganze Gerede und Verhandeln ins Leere laufen, mit den entsprechenden Folgen für unsere Kinder und Enkel.

  • FN
    Friedrich Naehring

    Der Kommentar von Ludwig Paul Häußner und André Presse geht davon aus, dass jeder Mensch dieser Erde das gleiche Recht hat, die Atmosphäre zu nutzen und sie mit CO2 zu belasten. Nach gegenwärtigem Wissensstand steht jedem Menschen das Recht zu, 2.000 kg CO2 jählich zu emittieren. Dann bliebe der Temperaturanstieg auf der Erde unter 2 °C.

     

    Alle Menschen und alle Regierungen müssen sich darüber einig werden, dass diese Obergrenze von 2.000 kg/Person/Jahr für alle verbindlich ist. Auch wenn die Einigkeit hierüber noch auf wackligen Füßen steht, kann jeder Einzelne und jeder Staat bereits jetzt diesen Wert als Richtschnur nehmen und handeln. Von Deutschland geht gegenwärtig eine mehr als 5-fach zu hohe CO2-Emission aus, nämlich 11.000 kg/Person/Jahr. Das zwingt uns, unser Leben, unsere Wirtschaft und Kultur umzugestalten.

     

    Wenn wir darauf warten würden, bis alle 160 Staaten sich einig wären, wer was genau tun muss, würde gefährlich viel ungenutzte Zeit vergehen. Internationale Abkommen und Gremien zum Klimaschutz sind wichtig. Ihr langsames In-Gang-Kommen dient oft als wohlfeile Ausrede, nicht hier und jetzt mit dem Klimaschutz zu beginnen. Diese Ausrede überzeugt nicht.

     

    Die von Häußner und Presse genannten internationanlen Emissionszertifikate für CO2 können ein wichtiges Instrument sein, um allen Menschen das gleiche Recht zu geben, die Atmosphäre bis zu einer verbindlichen Obergrenze zu verschmutzen. Die Geldeinnahmen aus der Versteigerung der Emissionsrechte auf alle Menschen dieser Erde gleichmäßig zu verteilen, empfinde ich als einen Schritt hin zu ausgleichender Gerechtigkeit. Hierfür müssen alle 160 Staaten gewonnen werden, damit das funktioniert. Sie müssen sich bereit erklären, die Schürfrechte für die Lagerstätten auf ihrem Territorium der internationalen Emissionsrechte-Versteigerung zu unterwerfen. Außer CO2 sind auch die anderen Klimagase in die Versteigerung einzubeziehen. Hierfür eine internationale Umsetzungsstrategie zu entwickeln sehe ich als ein lohnendes Ziel für deutsche Institute wie das IEP an der Universität Karlsruhe an.

     

    Wir alle haben aber mehr Handlungsspielräume als die so sinnvollen Emissionsrechte: Immer mehr Nutzen aus immer weniger Energie zu ziehen, d.h. die Energieeffizienz in allen Bereichen zu verbessern, auch unter den gegenwärtigen Energiepreisen, und die fossilen Energieträger einschließlich Uran durch die verschiedenen Erneuerbare Energien abzulösen.

     

    Friedrich Naehring - Estorf (Niedersachsen)

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Klimawandel als Chance für Bewusstseinswandel

     

    Ein systematischer Ansatz, um die Probleme weiter steigender CO2 Emissionen Griff zu bekommen Ist erforderlich. An ihm orientiert sich die folgende Ausführung.

     

    Legitim und im Interesse sowohl der Umwelt, des individuellen Rechts auf Nutzung der Natur wie auch der unternehmerischen Initiative sind entgeltliche Emissionsrechte. Dieses Vorgehen ist in Bezug auf die Energiekosten methodisch geeignet, da zwischen Kohlenstoff, seiner Verbrennung und Kohlendioxid eine feste Beziehung besteht: aus jeder Tonne Kohlenstoff werden 3,7 Tonnen Kohlendioxid. Für die Förderung und den Verkauf von Kohle und Öl als primären Energieträgern gälte auf diese Weise: Wer Kohlenstoff herstellt oder in Verkehr bringt, muss zunächst die Berechtigung hierzu erwerben.

     

    Mit Hilfe von Emissionsrechten und deren institutionell in geeigneter Weise gestalteten Handel kann Energiepolitik von der Quelle her betrieben werden. Diese ist in folgender Weise zu denken und zu gestalten: systematisch unterteilt sich der Ansatz in das Begrenzungsproblem (1. Ebene - normativ-legislative Ebene), das Problem der Verteilung der Emissionszertifikate (2. Ebene - Allokationsebene der Produktionsfaktoren) und die Verwendung der ökonomischen Gegenwerte (Preise) der Zertifikate (3. Ebene - Rückvergütungsebene).

     

    Auf der ersten - normativ-legislativen - Ebene sind die Aufnahmefähigkeit des atmosphärischen Speichers zu ermitteln und damit das maximale Emissionsvolumen zu beschließen. Das Gesamtvolumen der Verschmutzungserlaubnis ist somit an klimapolitischen Notwendigkeiten orientiert.

     

    Auf der zweiten Ebene der Allokation sind die Emissionsrechte weltweit zu versteigern. Die Zahlungsbereitschaft der einzelnen Bieter - dies dürften in der Regel Konzerne sein - richtet sich nach deren unternehmerischen Fähigkeiten, die in der sparsamsten Verwendung mit dem Verschmutzungsrecht liegt und die sich in der effizientesten Nutzung bei der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen ausdrückt. Die Gesamterlöse repräsentieren also den Knappheitswert des atmosphärischen Aufnahmespeichers.

     

    Auf Ebene drei der Rückvergütung wird dem gleichen Recht aller Menschen an der Natur - das nicht bei Nationen, Unternehmen oder Interessengruppen liegen darf - zum Ausdruck, das gegenwärtig von Staaten wie Indien als Bedingung für eine Beteiligung an den klimapolitischen Bemühungen der weltweiten Staatengemeinschaft eingefordert wird.

     

    Dieses Teilhaberecht eines jeden Menschen an den Schätzen der Natur würde dadurch realisiert, in dem es monetarisiert - sprich: in Geld umgemünzt - und nicht Staaten oder Unternehmen zugesprochen wird. Das gleiche Teilhaberecht jedes Einzelnen bezieht sich dann auf den Versteigerungserlös, der pro Kopf der Weltbevölkerung rückzuvergüten ist.

    Die Folgen des skizzierten Vorgehens, insbesondere die Auswirkungen auf Kaufkraft, Warenströme und Wohlstand, Selbstbestimmung und Stärkung einer subisidiären Lebensweise der Menschen kann sich ein jeder selbst geistig vergegenwärtigen. Das hier betrachtete Problem einer Erhöhung der Energiekosten würde sich in der Weise umgestalten, als dass die Energiekosten zwar steigen würden. An die Stelle sprudelnder Gewinne für wenige würden jedoch erhöhte Rückvergütungen und damit die Möglichkeit zum Erwerb von Energie zu gestiegenen Preisen treten.

     

    Zu den Vorteilen eines solchen Vorgehens zählt der geringe finanzielle Aufwand des Verfahrens und ein weltweit einheitlicher und standortunabhängiger Emissionpreis. Hierdurch sind Staaten nicht mehr durch die heimische Industrie mit Abwanderungsdrohungen erpressbar. Die Unternehmen erhalten einen stärkeren wirtschaftlichen Anreiz, sparsam mit CO² umzugehen - technischer Fortschritt und ökonomisch rentable Energiesparinvestitionen gingen Hand in Hand.

     

    Der skizzierte Weg ist weltweit zu denken. Durch eine Versteigerung von CO²-Zertifikaten und eine Rückvergütung an die Menschen erhalten beispielsweise China und Indien einen systematischen Anreiz, sich am Klimaschutz zu beteiligen. Die Rückvergütung einer CO²-Abgabe pro Kopf würde auch in Deutschland den Klimaschutz demokratiefähiger machen. In Bezug auf die Ressourcenpreise wäre gesichert, dass steigende Preise auch zu steigenden Rückvergütungen führen - und Energie somit erschwinglich bleiben: Steigen die Rohstoffpreise erhöht sich auch die Auszahlung aus der Rückvergütung.

     

    Fazit: Energiepreise müssen steigen, wenn ein zunehmender Teil der Menschheit nachhaltig in den Genuss der wirtschaftlichen Produktionsfähigkeiten kommen soll. Gewinne der Energieversorger sollen aus erfolgreicher unternehmerischer Initiative entstehen können und nicht aus monopolartigen Vorrechten an den natürlichen Ressourcen entstehen. Ein Anstieg der Ressourcenentgelte und damit der Kosten für die Ressourcennutzung führt zu einer sparsameren Verwendung der Naturgrundlage: die Versorger gehen schonender mit den Ressourcen der Erde um. Wirtschaftliche Dynamik wird so umweltverträglich und nachhaltig. Durch die Rückvergütung der Ressourcenentgelte ist das (monetarisierte) Recht aller an der Naturgrundlage gewahrt. Die ökonomischen Anreize zu unternehmerischer Initiative bleiben erhalten und werden - durch die Stärkung der Kaufkraft zum Beispiel in strukturschwachen Regionen - sogar gestärkt.

     

     

    Ludwig Paul Häußner / André Presse - Universität Karlsruhe (TH) - IEP