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Debatte JournalismusDer Sugardaddy hilft nicht

Kommentar von Steffen Grimberg

Auch die Regionalpresse baut Stellen ab. Um die Qualität zu erhalten, muss über öffentlich-rechtliche Stiftungen nachgedacht werden.

Die deutschen Zeitungshäuser versuchen sich weiterhin an der Quadratur des roten Achtecks: Online Geld verdienen ohne Bezahlschranken. Bild: dapd

S o schön es ist, dass in Deutschland überhaupt mal wieder über die Presse diskutiert und gestritten wird, so unerfreulich ist der Anlass: Das Ende der Financial Times Deutschland (FTD) am heutigen Freitag und das fortgesetzte Siechtum der insolventen und als eigenständiger Titel wohl unrettbaren Frankfurter Rundschau (FR) haben nicht nur die Branche aufgeschreckt. „Zeitungssterben“, raunt es wohlig-verschwörerisch, und dass man ja in den USA schon habe sehen können, wo das endet.

Die aktuelle Debatte befindet sich dabei aber gleich dreifach in ziemlicher Schieflage: Vom Zeitungssterben kann zum Glück – noch – keine Rede sein. FTD wie FR befanden sich seit Jahren in einer Sondersituation. Beide Blätter waren defizitär und am Markt nicht lebensfähig, wurden aber über ein rundes Jahrzehnt von ihren Verlagen weiter finanziert. Wer könnte sich das in anderen Wirtschaftszweigen vorstellen – einen Supermarkt etwa, der auch im nächsten Monat unerschütterlich geöffnet hat, obwohl er Tag für Tag Geld verbrennt?

Zweitens ist immer von „den Zeitungen“ die Rede, auch wenn die aktuellen Beispiele allesamt aus dem Segment der überregionalen Presse stammen. Deren Nimbus ist unbenommen. Aber die überregionalen Titel – ohne Boulevardblätter, sprich Bild, gerechnet – machen in Deutschland gerade einmal knapp 10 Prozent der täglichen Auflage von rund 17,6 Millionen Zeitungsexemplaren aus.

Die Gunst der Stunde

Das Gros der deutschen Presse findet auf lokaler und regionaler Ebene statt. Bei den Regionalverlagen bietet sich allerdings ein eher uneinheitliches Bild. Auch weil kaum eine Branche mit ihren wirtschaftlichen Kennzahlen so verschwiegen umgeht wie die Verlegerzunft: Wie viele lokale bzw. regionale Titel bzw. Zeitungsunternehmen wirklich kriseln, ist schlicht unbekannt. So manches lokale Zeitungshaus schreibt weiter ordentlich zweistellige Umsatzrenditen und nutzt die Gunst der angstbesetzten Stunde wieder einmal für jetzt leichter durchsetzbare Rationalisierungsmaßnahmen.

Noch entscheidender aber ist die dritte Unwucht in der Diskussion. Denn natürlich geht es ihr eigentlich gar nicht um die Zukunft der (gedruckten) Zeitungen, sondern um die Zukunft des Journalismus und der mit ihm verbundenen Marken. Dass die Verlage ein über Jahrzehnte höchst einträgliches Geschäftsmodell für das Bedrucken und Verteilen von Papier hatten, es ihnen jetzt aber einem ebensolchen für die digitale Welt gebricht, ist hinreichend beschrieben. Die Konsequenzen – vulgo die in immer kürzeren Abständen über die Redaktionen hereinbrechenden Fusions- und Sparrunden – erodieren das journalistische System zusätzlich.

Zeitungs- und Biermarkt

Denn vor allem die Regionalpresse teilt schon jetzt das Schicksal der deutschen Brauereien: Immer mehr Journalismus kommt aus ein und demselben Redaktionskessel. Wie im Biermarkt wird am Ende die angebliche Angebotsvielfalt durch individuelle Etikettierung sichergestellt. Die Zahl der deutschen Zeitungstitel bleibt dabei mehr oder minder stabil. Die publizistische Vielfalt ist dagegen in den vergangenen dramatisch geschwunden.

taz
STEFFEN GRIMBERG

war langjähriger Medienredakteur der taz und ist derzeit freier Journalist. Am 1. Januar 2013 beginnt er beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg – als Redakteur des Medienmagazins „Zapp“.

Früher eigenständige Blätter wie Aachener Zeitung und Aachener Nachrichten, Weserkurier und Bremer Nachrichten oder bald auch Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung werden redaktionell identisch. Die WAZ-Gruppe hat ihre vier Titel im Ruhrgebiet an ein großes Content-Desk gefesselt, die Axel Springer AG eben dem Hamburger Abendblatt verordnet, sich gefälligst bis aufs Lokale und Regionale in die Berliner Welt-Redaktionsgemeinschaft zu trollen. Immer damit verbunden sind freundliche Bekenntnisse zum Qualitätsjournalismus – und Stellenabbau in den Redaktionen.

Und so entkräftet ziehen die Bataillone nun in die digitale Schlacht. Mit den etablierten Verlagen als Taktgeber ist sie für den Journalismus vermutlich nicht mehr zu gewinnen. Die Zögerlichkeit, mit der Bezahlschranken für Journalismus seit Jahren diskutiert, aber kaum eingeführt werden, taugt noch nicht einmal für die Echternacher Springprozession mit ihrem angeblichen Motto „Eins vor, zwei zurück“. (Anders als Zeitungen steht das Pilger-Gehüpfe zu Polka-Rhythmen aber immerhin schon mal auf der Unesco-Weltkulturerbe-Liste, aber das nur am Rande.)

Im Gegenteil: Die deutschen Zeitungshäuser versuchen sich weiterhin an der Quadratur des Kreises, online möglichst viele Klicks durch ein möglichst freies Angebot mitzunehmen und gleichzeitig hier und da ein bisschen zu kassieren. Dass dabei nichts herauskommen kann, liegt auf der Hand.

Wenn Journalismus aber tatsächlich so ein hohes Gut – neudeutsch: Public Value – darstellt, seine Leistung konstituierend für die unerlässliche demokratische Meinungs- und Willensbildung ist, muss also weiter gedacht werden. Denn Journalismus im Netz kann künftig nicht Prestigeprojekt von Konzernen sein, die das Geld dafür andernorts verdienen.

Mäzenatenjournalismus

Zumal deren Anzahl, von sendungsbewussten Unternehmen wie Springer abgesehen, eher überschaubar bleiben dürfte. Außerdem macht ein solches System den Journalismus im Sinne des Geldgebers erpressbar. Auch das in den USA grassierende Mäzenatentum hilft höchstens punktuell: Was, wenn der Sugardaddy keine Lust mehr hat?

Wenn Journalismus aber so wichtig ist und ein öffentliches Gut darstellt, muss auch dieser Gedanke erlaubt sein: In Großbritannien unterstützt die gebührenfinanzierte BBC bereits die regionalen Nachrichtensendungen privater TV-Sender. Es geht um regionalen Journalismus, der hierzulande überwiegend von der Presse geleistet wird. Denkverbote, dass man die zuvorderst ja zur Finanzierung von Journalismus eingesammelten Milliarden für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht aufteilen darf, helfen nicht weiter.

Es müsste vielmehr sehr schnell gedacht werden. Denn die Umstellung der Rundfunkgebühr auf die Haushaltsabgabe ab 2013 verspricht allen Schätzungen zufolge Mehreinnahmen, die den Grundstock für eine staatsferne, öffentlich-rechtliche Stiftung für Journalismus im Netz und anderswo bilden könnten.

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12 Kommentare

 / 
  • MS
    Michael Schmidt

    Ich glaube nicht, daß man überhaupt in die Diskussion einsteigen muß oder sollte, denn öffentlich-rechtliche Gelder für Printmedien können ja nur auf 2 Arten verteilt werden:

     

    - entweder gibt es Geld für existierende Medienhäuser, darunter auch Springer, Burda, DuMont etc... (da wird wenig für die taz übrig bleiben...); bei staatlichem Geld für Springer muß ich übrigens kotzen.

     

    - oder neue staatliche Printverlage werden gegründet. Als ehemaliger 20 Minuten Köln Mitarbeiter berichte ich Interessierten gerne, wie sich Springer, Burda, Dumont und Konsortern wohl verhalten werden, wenn unpleitegehbarer Wettberwerb auf dem geliebten Markt erscheinen will...

     

    nene, die Idee sollte besser begraben werden.

  • O
    obtazobfaz

    Um den Qualitätsjournalismus zu retten, brauchen wir eine Steuer auf alle Haushalte, die von einer Kommission dann verteilt wird, welche entscheidet, welche Meinung "Qualitätsjournalismus" ist und unterstützt werden muss, und welche Meinung das nicht ist. Diese Stiftung / Kommission / "staatsferne" Institution wird vorraussichtlich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen schwarz, rot und grün reduziert und mit einer grossen Anzahl von lebenslangen Bürokraten besetzt.

     

    So wird der Qualitätsjournalismus gerettet und alle BürgerInnen können wieder ruhig schlafen, ohne von mehr als einer Meinung verwirrt zu werden.

  • M
    meinung

    schön das es mal konkreter wird. Das Aufteilen bzw unterstützen durch GEZ wäre ein guter Weg. Ich wäre auch bereit für Nachrichten zu zahlen aber bei der momentanen Qualität, keine Chance.

    Für den überwiegend blutleeren Mainstreamjournalismus habe ich keinen Cent übrig. Vielleicht wachen die entsprechenden Chefredakteure mal auf und lassen Redakteuren mehr Raum für die Realität!

    Und zwar nicht nur die politisch korrekte Realität, sondern die täglich erlebbare Realität.

    Die Leute sind nicht dumm auch wenn es immer herbeigeschrieben wird.

    Und wenn man ausländische Nachrichten lesen muss um zu erfahren, was in Deutschland vorgeht, dann ist das ein Armutszeugnis für den deutschen Journalismus. Wenn sich die "dummen" Bürger nur noch über das Internet der Blogger und alternativen Medien informieren können dann gibt es eben eine Selektion, das Überleben der ehrlicheren und realitätsakzeptierenden Zeitung.

    Um den Rest weint niemand eine Träne……….

  • DB
    Der Bär

    Was ?? Eine öffentlich-rechtliche Presse mit "öffentlich-rechtlichen" Redakteuren ? Geht's noch ?

    Mir geht schon der öffentl.-rechtl. Staatsfunk auf den

    Senkel und da kommt ihr mit so einer dämlichen Idee ?

    Geht es der TAZ schon so schlecht ? Schielt ihr schon nach den öffentlichen Fleischtöpfen mit Journalisten-Pension und lebenslanger Beschäftigung ? Was glaubt ihr denn wer in so einer "Stiftung" das Sagen hat ? die Parteien ! Dann dürft ihr schreiben was die euch vorsingen.

    Catpcha :gras.Das passt zu dem Artikel

  • E
    ello

    "eine staatsferne, öffentlich-rechtliche Stiftung", das ist ein Lacher. Wohl eher der feuchte Traum eines taz-Journalisten, endlich eine staatliche Sinekure zu ergattern und ohne Leistungsdruck einfach vor sich hin zu bosseln.

  • ST
    Stefan Thiese

    Sehr schöner Artikel. Der Gedanke muß erlaubt sein: wieso nicht unabhängige öffentlich rechtliche Printmedien? Es sollte um die Qualität der Information, um einen Bildungs- und Informationsauftrag gehen, nicht um ein bestimmtest Medium.

  • D
    D.J.

    "Denn die Umstellung der Rundfunkgebühr auf die Haushaltsabgabe ab 2013 verspricht allen Schätzungen zufolge Mehreinnahmen, die den Grundstock für eine staatsferne, öffentlich-rechtliche Stiftung für Journalismus im Netz und anderswo bilden könnten."

     

    Das mit öffentlich-rechtlichen Gebühren und der Staatsferne war aber jetzt hoffentlich ironisch gemeint, oder?

  • H
    Harald

    Es ist die pure Angst vor den Bloggern die so einen Artikel schreiben lässt. Qualitätsmedium TAZ...selten so gelacht.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Super Idee, die Finanzierung von Zeitungen durch die Steuerzahler. Aber warum nicht? Wer in dieser ehemals investigativen Brance arbeitet noch als Journalist und nicht als Volkserzieher. Da wäre es doch gerecht, wenn sie auch ihre Arbeit von der Allgemeinheit bezahlt bekommen. Quasi für die Vermittlung eines einheitlichen Lehrplans.

  • I
    iwern

    sprechen Sie es doch aus. die Presse soll Anteil haben an der GEZ- Gebühr. Schöner Gedanke. Keine Zeitung kann mehr eingehen und alle haben das Recht auf (nicht ganz) freien Medienkonsum. Irgendwie glaube ich nicht, dass das mit der CDU geht.

  • D
    Detlev

    Je mehr die Qualität nachlässt, desto geringer der Anreiz für die Leser, dafür wirklich Geld auszugeben. War früher eine Le Monde, eine FAZ oder eine SZ ein echter Schatz, mit dem man manche Stunden verbringen konnte, ist das heute eher die Ausnahme. Gerade das Hamburger Abendblatt wird bald am niedrigen Niveau aussterben. Bei der FR war es auch das sonderbare Beschönigen der SPD, weil die auch mal dort als Retter auftratt, aber gleich auch in die Redaktion wollte.

  • M
    Media

    Stiftungsjournalismus ist der wohl einzige Weg, um Qualitätsjournalismus unter den Bedingungen des Internets zu erhalten. Um Websites wie klimaretter.info und freitag.de zu erhalten, sollte man aber wirklich keine Zeit mehr verlieren!