Gedankenspiel um „SZ“ und „FR“: Ist noch Platz da?
Die „Süddeutsche Zeitung“ soll an Teilen der „Frankfurter Rundschau“ interessiert sein. Aber können die Bayern sich in Hessen behaupten? Ein Gedankenspiel.
„Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit“, sang die Band Tocotronic zu Beginn ihrer nunmehr 20-jährigen Karriere. Vielleicht haben das 2002 und 2003 auch rund zwei Dutzend Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung (SZ) in Berlin und Nordrhein-Westfalen gesungen, als ihnen gekündigt wurde. Die SZ stellte in jenen Jahren ihre Hauptstadtseite und ihren Regionalteil in NRW ein. Von einer „Werbekrise“ war damals die Rede. Es war die erste.
Ist die Welt jetzt, rund zehn Jahre später, bereit für Konzepte dieser Art? Ausgerechnet jetzt, auf dem Höhepunkt der Zeitungskrise, die mit der in Hamburg beheimateten Financial Times Deutschland gerade ein erstes Opfer gefordert hat? Solche Fragen stehen im Raum, seitdem das Medienbranchenportal Horizont darüber spekuliert, ob die SZ plant, mit bisherigen Redakteuren der insolventen Frankfurter Rundschau (FR) einen Frankfurt-Teil aufzuziehen. Horizont beruft sich auf nicht genannte SZ-Verlagshierarchen.
Andere Zeitungen haben mit Regionalteilen ähnlich schlechte Erfahrungen gemacht wie die Münchener, und zwar an denselben Orten: Die taz stellte ihre Regionalausgabe in Nordrhein-Westfalen 2007 ein, die „Berliner Seiten“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung existierten nur von 1999 bis 2002.
Letztere waren feuilletonistisch ambitioniert, sorgten in Berlin und Brandenburg aber nicht für einen nennenswerten Auflagenzuwachs. Die regionalteilaffinste überregionale Zeitung hierzulande ist eindeutig die taz: mit einem täglichen Teil für Norddeutschland und Berlin in den jeweiligen Regionen. Hinzu kommt die Stuttgarter Wochenzeitung Kontext, die in Baden-Württemberg und in Berlin der taz-Wochenendausgabe beiliegt.
Organisationprobleme und unterschiedliche Kulturen
Wie wäre es nun, wenn die SZ in Frankfurt in diesem Sinne tazzig wird? „Organisationstheoretisch ist es problematisch, eine Redaktion zu integrieren, die vorher eigenständig war, weil es unterschiedliche Redaktionskulturen in Einklang zu bringen gilt“, sagt der Medienwissenschaftler Martin Welker, einer der Autoren der von der Otto-Brenner-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie „Die Zeitungsmacher“. Die Schwierigkeiten bestünden auch, wenn man keine komplette Redaktion, sondern – und darauf liefe es bei der FR wohl hinaus – nur eine kleine Truppe übernähme.
Sinn ergäbe es allemal, wenn die SZ eine Ausgabe in Frankfurt in Angriff nähme, sagt Welker. „Die SZ hat einen starken Abonnentenstamm in den Großstädten.“ Käme noch „eine regionale Kompetenz dazu“, die im Zeitungsgeschäft ohnehin an Bedeutung gewinne, könnte das für die Nutzer reizvoll sein.
Dazu passt, dass Kurt Kister, der Chefredakteur der SZ, bei einer Diskussion im Bezug auf Regionalausgaben neulich gesagt hat, „in bestimmten städtischen Ballungsräumen“ sei „noch Platz“. Die Veranstaltung fand beim Spiegel in Hamburg statt, in jener Stadt, in der eine Regionalausgabe sich noch eher aufdrängt als in Frankfurt.
In Hamburg beherrscht Springer den Markt, der durch die neue „Redaktionsgemeinschaft“ zwischen dem Hamburger Abendblatt und der Welt noch eintöniger wird. Die SZ hätte bei einem Vorstoß hier zwar das Problem, dass Springer auf dem Anzeigenmarkt allerlei effiziente Gegenmaßnahmen ergreifen würde. Aber Redakteure wären so leicht zu bekommen wie am Main – dank des Untergangs der FTD.
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