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Debatte Islamischer UnterrichtStreiten muss sein

Kommentar von Michael Kiefer

In Österreich zeigt sich, was man bei der Integration des Islam alles falsch machen kann. Daraus lassen sich Lehren für den islamischen Religionsunterricht in Deutschland ziehen.

W enn in den vergangenen Jahren über islamischen Religionsunterricht in Deutschland diskutiert wurde, dann verwiesen dessen Verfechter immer wieder auf Österreich als Vorbild: Dort, so hieß es, sei man dem Islam durchweg positiver gesonnen als in Deutschland. Dort ist der Islam den Kirchen in allen Belangen gleichgestellt, und an den Schulen gebe es daher schon lange einen islamischen Religionsunterricht, der vorbildlich sei und landesweit erteilt werde. Mit derart lobenden Tönen dürfte nun jedoch Schluss sein. Denn Österreich erlebt seit Wochen und unter großer Anteilnahme der Medien einen Skandal, in dessen Mittelpunkt der islamische Religionsunterricht steht.

privat

Michael Kiefer ist Islamwissenschaftler und lebt in Düsseldorf. An der Universität Erfurt arbeitet er derzeit im Projekt "Mobilisierung von Religion in Europa" für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Ausgelöst hat ihn eine Studie des Islamwissenschaftlers Mouhanad Khorchidee, die über muslimische Religionslehrer in Österreich alarmierende Fakten präsentierte. Nicht nur, dass mehr als 70 Prozent der befragten Fachkräfte über keinerlei pädagogische oder theologische Ausbildung verfügte. Ein gutes Fünftel (21,9 Prozent) lehnten die Demokratie ab, weil sie sich angeblich nicht mit dem Islam vereinbaren lasse. Fast genauso viele (18,2 Prozent) zeigten Verständnis dafür, dass "Muslime, die vom Islam abgefallen sind, mit dem Tod bestraft würden", und fast ein Drittel sah einen Widerspruch "zwischen Muslimsein und Europäersein".

Große Teile der österreichischen Öffentlichkeit zeigten sich schockiert über derlei Ansichten. Es hagelte Kritik - vor allem an die Adresse der "Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich", die den Islamunterricht in personeller und inhaltlicher Hinsicht zu verantworten hat. Der Verband war wegen undemokratischer Gepflogenheiten und mangelnder Repräsentativität schon früher mehrfach ins Gerede gekommen. Doch jetzt kochte die Woge der Empörung so hoch, dass das österreichische Bildungsministerium die Reißleine zog.

Zusammen mit der islamischen Religionsgemeinschaft, die kräftig unter Druck geriet, wurde umgehend ein Fünf-Punkte-Paket auf den Weg gebracht, das helfen soll, die Missstände alsbald zu beheben. Bereits ab kommendem Schuljahr gibt es für alle Islamlehrer neue Dienstverträge, in denen das Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten verbindlich festgeschrieben werden. Darüber hinaus gibt es einen neuen Lehrplan sowie einen wissenschaftlichen Beirat, der das eingesetzte Lehrmaterial überprüfen soll; außerdem werden die Lehrkräfte künftig überprüft und kontrolliert. Ob diese Maßnahmen, die viele noch für unzureichend halten, zum Erfolg führen können, lässt sich noch nicht absehen. Man kann aber zum jetzigen Zeitpunkt schon ein paar wichtige Lehren aus dem österreichischen Islamdebakel ziehen.

Hierzulande wird häufig ins Feld geführt, eine Integration des Islam falle schwer, weil komplizierte rechtliche Vorbehalte einer Anerkennung als Religionsgemeinschaft im Wege stünden. Dass dieses Argument unzutreffend ist, zeigt das Beispiel Österreich. Dort wird die islamische Religionsgemeinschaft seit 1979 als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt und in allen Belangen den christlichen Religionsgemeinschaften gleichgestellt. Die aus muslimischer Perspektive idealen rechtlichen Gegebenheiten führten jedoch nicht dazu, dass sich eine islamische Religionsgemeinschaft herausbildet hat, die die Muslime Österreichs in ihrer ganzen Vielfalt vertritt. Im Gegenteil, die Geschicke der "Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich" (IGGiÖ) werden gerade mal von einem Prozent der Muslime Österreichs bestimmt. Die Zusammensetzung der Entscheidungsgremien ist deshalb hoch umstritten, die Mehrheit der Muslime fühlt sich von der IGGiÖ nicht vertreten. So bleiben sie, wie ihre deutschen Glaubensbrüder und -schwestern, ohne offizielle Vertretung und meiden auch mehrheitlich den an Schulen erteilen Religionsunterricht der IGGiÖ - mit gutem Grund, wie man nun sieht.

Die "Islamische Glaubensgemeinschaft" und der österreichische Staat haben vorgemacht, wie man einen islamischen Religionsunterricht auf keinen Fall organisieren darf. Erstens sollte man keine Religionsgemeinschaft in die Schulen lassen, die sich nicht auf zivilgesellschaftliche Mindeststandards einlässt. Eine Organisation, deren Präsident in einem Schulbuch einen "Märtyrer" mit Gewehr und Handgranate abgebildet ist, ist mit Sicherheit kein guter Partner. Zweitens sollte man unbedingt darauf achten, nur qualifiziertes Personal in die Schulen zu lassen. Die Tatsache, dass 70 Prozent der Fachlehrkräfte keinerlei Examen in der Tasche haben, stellt für sich genommen bereits einen Skandal dar. Drittens gilt: Bevor man landesweit islamischen Religionsunterricht anbieten kann, braucht man eine etablierte islamische Theologie und Religionspädagogik, die an heimischen Universitäten gelehrt wird und den üblichen Standards entspricht.

Der größte Fehler war mit Sicherheit jedoch, dass die österreichische Gesellschaft, insbesondere die verantwortliche Politik, den schulischen Aktivitäten der IGGiÖ in den vergangenen zwei Dekaden faktisch keine Aufmerksamkeit widmete: Man ließ sie einfach gewähren. So kam es, dass muslimisches Lehrpersonal mit fragwürdigen Ansichten und Lehrmaterialien ihren Dienst in öffentlichen Schulen versahen. Kritische Berichte, die immer wieder zu vernehmen waren, wurden weitgehend ignoriert. Stattdessen gab man sich der Illusion hin, dass in Österreich mit dem Islam alles zum Besten bestellt sei. Mit Ignoranz lässt sich jedoch kein Integrationsprozess erfolgreich gestalten. Schon seit den bahnbrechenden Forschungsarbeiten des Soziologen Robert E. Park, der die berühmte Chicagoer Schule begründete, wissen wir, dass zum erfolgreichen Integrationsprozess auch der Konflikt gehört. Deshalb müssen sich Zuwanderer und Aufnahmegesellschaft an divergierenden Vorstellungen abarbeiten, um das verbindende Gemeinsame formulieren zu können. Dies gilt gerade auch für die Debatte um den Islam in seinen vielfältigen Ausdrucksformen.

Betrachtet man die schulische Integration des Islam unter diesem Gesichtspunkt, dann ist es in Deutschland in den vergangen Jahren deutlich besser gelaufen als in Österreich. Die Bildungspolitiker und Schulverantwortlichen der Länder, vor allem in Nordrhein-Westfalen, haben es bislang mit Augenmaß und großer Umsicht vermieden, beim islamischen Religionsunterricht irreversible Fakten zu schaffen. Da die schwierige Frage der muslimischen Ansprechpartner, die bei einem ordentlichen Religionsunterricht mit einer erheblichen Machtfülle ausgestattet werden, noch nicht befriedigend zu klären war, gibt es bislang nur Modellversuche, die dafür ausgesprochen gut funktionieren. Man streitet sich noch mit den muslimischen Verbänden - und das ist gut so. Denn nur die beharrlich geführte Auseinandersetzung kann die Basis für eine verträgliche Partnerschaft von Staat und Religionsgemeinschaft in einer werteplural orientierten Gesellschaft schaffen.

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1 Kommentar

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  • A
    aso

    Wie könnte der Konflikt um die beharrlich zu führende Auseinandersetzung in der Zukunft zu gestalten sein?

    Prognosen deuten darauf hin, daß der demographische Faktor die Bevölkerung zunächst in den europäischen Großstädten hin zu einer muslimischen Mehrheit sich verschieben wird.

    In Rotterdam gibt es den ersten muslimischen Bürgermeister.

    Wie also könnte zukünftig das verbindende Gemeinsame formuliert werden?

    Unter besonderer Berücksichtigung der Worte Erdogans, Assimilierung sei ein Verbrechen, sowie es gäbe keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus. Es gäbe keinen moderaten Islam, Islam sei Islam.

    Sind diejenigen, die auf einen Dialog schwören Apeaser? Betreiben jene, die behaupten es gäbe kaum Probleme Taqija?