Debatte Gegenseitiger Respekt während einer Diskussion ist rar geworden. Dabei ist es etwas, was jeder verdient hat: Ein Appell: Das ist ja das Mindeste
Von Laila Oudray
R.E.S.P.E.C.T – das forderte Aretha Franklin im gleichnamigen Song von ihrem Liebsten. Mit diesem Ansatz wurde sie zum Vorbild für viele Frauen.
Doch Franklin machte einen großen Fehler. Im Lied zählt sie auf, was sie alles tut, um sich den Respekt zu verdienen. Dabei ist das nicht etwas, was man sich erst verdienen muss. Es ist etwas, was jedem Menschen gebührt.
Respekt ist nicht Wertschätzung oder Sympathie. Ich kann jemanden verabscheuen und ihn doch als Mensch respektieren. Ich kann mich trotzdem um sein Wohlergehen sorgen und Rücksicht auf ihn nehmen. Ein obdachloser und drogensüchtiger Mensch muss genau so respektiert werden, wie der Chef einer Bank. Den Menschen, der von meiner politischen Meinung weit entfernt ist, muss ich genau so respektieren, wie den, der genau so denkt wie ich.
Besonders Letzteres fehlt allerdings im gesellschaftlichen Bewusstsein, vor allem in der politischen Debatte. Wirft man einen Blick auf das Diskussionsverhalten in den sozialen Medien, wird deutlich: Respekt wird zu einem Gut, das nur dem zuteil wird, der die gleichen Meinung hat. Andere Stimmen werden verspottet oder beleidigt. Das gilt nicht nur für extreme Positionen, sondern sogar schon für abweichende Ansichten. Konstruktive Diskussionen sind so nicht möglich und im Internet tatsächlich rar, denn eigentlich benehmen wir uns im Netz alle so.
Doch nicht nur in der virtuellen Welt wird Respekt in einer Diskussion zu etwas Besonderem: Im März war taz.meinland in Dersau in Schleswig-Holstein. Die Veranstaltung drehte sich um das Thema Dorfsterben und lief gut. Nach der Diskussion gestand der Bürgermeister, dass er mit Sorge auf unser Kommen geblickt hat. Er befürchtete, dass Reporter einer linken Zeitung aus Berlin nicht kämen, um zuzuhören, sondern um den „Leuten in der Provinz“ mal zu erzählen, was sie alles falsch machten und sie nicht ernst nehmen würden.
Er ist nicht der Einzige, der diese Sorge hatte. In der ganzen Republik erzählten uns BesucherInnen der Veranstaltungen, wie froh sie waren, dass ihnen zugehört und sie nicht sofort abgewürgt oder persönlich angegriffen wurden. Das sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht.
Respekt in der Debatte bedeutet nicht, dass man zustimmen muss oder dass man nicht kritisch nachfragen darf: Man kann streiten, bis die Fetzen fliegen, aber gleichzeitig kann man den Anderen weiterhin als Menschen wahrnehmen, ihn nicht beleidigen oder demütigen.
Das funktioniert gut, wenn man sich von der deutschen Definition von Respekt, die quasi eine furchtsame Ehrerbietung bedeutet, verabschiedet. Dagegen sollte man sich an dem englischen Wort „respect“ orientieren. Im englischen Sprachgebrauch wird Respekt als etwas verstanden, das man grundsätzlich jedem entgegenbringt.
Respekt ist keine Adelung, sondern das Mindeste, was man seinem Mitmenschen entgegenbringen sollte. Es ist auch das Mindeste, was man von seinem Umfeld erwarten sollte – egal wie scharf diskutiert wird.
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