piwik no script img

Debatte FlüchtlingspolitikDie Grenze selbst ist die Gefahr

Kommentar von Holger Harms

Europa muss für alle offen stehen, nicht nur für eine kleine Elite. Der Versuch, Migration zu kontrollieren, ist unmenschlich, teuer und sinnlos.

Lampedusa: Flüchtlinge sollen nicht illegal nach Europa einreisen müssen. Bild: ap

E inen mutigen Beitrag hat Paul Collier, Professor für Economics and Public Policy, vor kurzem in der taz veröffentlicht. Angesichts eines unmenschlichen Umgangs mit Flüchtlingen und unhaltbarer Zustände in Unterkünften auf Lampedusa, aber auch überall sonst in der EU schreibt er, dass unsere Menschenrechtsrhethorik bei Flüchtlingen falsche Hoffnungen weckt. Statt offizieller Einreise gebe es kriminelle Gangs, die Fluchtreisen organisierten. Und bei ihrer Ankunft auf europäischem Festland würden die Geflüchteten dann mit Rechten überschüttet, so Collier. Das kann schon nicht mehr als nur naiv betrachtet werden.

Collier hat recht, wenn er schreibt, dass es nicht sein kann, dass Menschen ihr Leben bei einer hoch gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer riskieren. Die europäische Migrationspolitik muss sich ändern. Und Collier hat auch damit recht, dass die Flüchtlinge, die es trotz allem bis nach Europa schaffen, nicht zu den Ärmsten der Armen gehören. Zu kostspielig sind die durch Frontex und durch in Drittstaaten vorverlagerte Kontrollen aufgezwungenen Routen.

Collier zieht daraus den Schluss, dass Europa den Afrikanern einfach mehr Studienplätze zur Verfügung stellen muss, in beiderseitigem Interesse, und ansonsten die Grenzen dicht bleiben sollen. So würden die nach einer Ausbildung in Europa Hochqualifizierten einen Entwicklungsschub in ihren Heimatländern bewirken. Die Forderungen, die er aufstellt, sind weder sinnvoll, noch liefern sie einen neuen Beitrag zur Debatte über Migration.

geboren 1984, ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich mit dem Thema koloniale Kontinuitäten und Rassismus in der gegenwärtigen Entwicklungspolitik.

Der Autor der Forderung in der Vorwoche „Studienplätze statt Bootsplätze“, Paul Collier, ist Professor für Ökonomie an der Oxford University und Direktor des Zentrums für afrikanische Ökonomien. Davor leitete er die Forschungsabteilung der Weltbank.

Schon Wolfgang Schäuble und Nicolas Sarkozy, damals die Innenminister in Deutschland und Frankreich, hatten 2006 das Konzept der zirkulären Migration ersonnen, das heute integraler Bestandteil der europäischen Migrationspolitik ist. Das Konzept sieht vor, dass Menschen aus Drittstaaten für eine gewisse Zeit in der EU studieren oder arbeiten, schon während ihres Aufenthalts durch Geldsendungen ihre Herkunftsländer unterstützen und schließlich bei ihrer Rückkehr ihre in der EU erworbenen Fähigkeiten in ihrer Heimat nutzen und somit die Entwicklung dieser vorantreiben.

An diesem Konzept gibt es jedoch erhebliche Zweifel. Die EU behauptet, der Abwanderung von Fachkräften aus den kapitalistischen Peripherien entgegenwirken zu wollen und stattdessen eine für alle vorteilhafte Politik zu betreiben: Afrikaner erhalten eine Ausbildung und Europa kann zugleich die Einwanderung kontrollieren und wirtschaftliche Bande für die Zukunft knüpfen.

Platz nur für wirtschaftlichen Eliten

taz am wochenende

Dieser Debattenbeitrag erscheint in der taz.am wochenende vom 26./27. Oktober 2013 . Darin auch: Wie Greenpeace gegen Russland kämpft. Eine Reportage aus dem Innern des Umweltriesen Außerdem: Apple hatte versprochen, die Arbeitsbedingungen in China zu verbessern. Fabrikarbeiter und Arbeitsrechtler berichten, ob sich wirklich etwas getan hat. Und: Der Herbst eines Superstars - ein Portrait von Dirk Nowitzki. Am eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Die Realität ist aber, dass die EU lediglich ein Nadelöhr für genau die Fachkräfte und wissenschaftlichen und politischen Eliten offen hält, die den Ökonomien der EU-Mitgliedstaaten nützen. Welche Art der Migration den Volkswirtschaften der afrikanischen Staaten nützen würde, bleibt bei gegenwärtiger Machtasymmetrie unberücksichtigt. Von dieser Elite wiederum zu verlangen, in die Heimat zurückzukehren, scheitert nicht nur an der Wirklichkeit. Denn nach Studium, ersten Arbeitserfahrungen, geschlossenen Freundschaften, Familiengründung besteht meist gar kein Interesse zurückzukehren.

Diese Forderung enthüllt auch die nationalistische Vorstellung der Vertreter der zirkulären Migration, dass Menschen dahin gehören, wo sie geboren wurden. Dass auch Europa zur Heimat werden kann, will man einmal bei diesem Wort bleiben, ist nicht vorgesehen, es offenbart ein Denken in rassistischen Kategorien. Eine Vorstellung, die auch Collier zu teilen scheint, wenn er von Afrikanern schreibt, die in ihre Heimat zurücksollen. Natürlich nicht, ohne vorher „von uns Fertigkeiten zu erlernen und Einstellungen zu absorbieren“. Der Weg zum wohlmeinenden Kolonialherren ist dann nicht mehr weit.

Europa ist mit seinen desaströsen Agrarsubventionen, einseitigem Interesse dienenden Freihandelsabkommen und Kriegseinsätzen – um nur einige Punkte zu nennen – für das Elend im Mittelmeer mitverantwortlich. Es reicht nicht, ein paar mehr Studienplätze zur Verfügung zu stellen und ansonsten weiterhin an der Militarisierung der Außengrenzen festzuhalten. Nicht eine lediglich an Nützlichkeitserwägungen ausgerichtete Politik, die Menschen je nach Bedarf ein- oder ausschließt, ist angezeigt.

Migration nicht kontrollierbar

Ganz im Gegenteil bedarf es einer solidarischen internationalen Politik, deren elementarer Bestandteil eine für alle Menschen offene europäische Grenze ist. Dies wird der Tatsache gerecht, dass es Migration immer gab und geben wird und sie nicht beliebig zu steuern ist.

Der vom Rat der Europäischen Union 2005 beschlossene „Gesamtansatz zur Migrationsfrage“, der nach wie vor handlungsleitend ist, plädiert für eine Politik, welche das Zusammenwirken von Migration und Entwicklung fördert. Im Gegenteil sind die konkreten Schritte vor allem von sicherheitspolitischen Erwägungen, Illegalisierung von Flucht und Migration sowie Maßnahmen der Migrationskontrolle geprägt.

Dass es zu einer Kehrtwende in der europäischen Migrationspolitik kommt, ist leider nicht allzu wahrscheinlich, wie gerade wieder unter Beweis gestellt wurde. Die Chance auf eine Entwicklungspolitik auf Augenhöhe und eine menschliche Migrationspolitik haben die Staats- und Regierungschefs auf der gestern endenden Tagung des Europäischen Rats vertan. Zu groß ist die Angst vor einsetzenden „Flüchtlingsströmen“, die nicht nur von der extremen Rechten geschürt wird, sondern auch von der sogenannten Mitte der Gesellschaft.

Außer Acht gelassen wird dabei nicht nur, dass es sich schlicht nicht alle Menschen leisten können, in ein anderes Land zu emigrieren. Auch muss klar sein, dass Europa nicht die einzige Region der Welt ist, in deren Richtung Wanderungsbewegungen stattfinden.

Der Versuch, Migration zu kontrollieren, ist unmenschlich, sinnlos, teuer und letztlich für die wirtschaftliche Entwicklung sowohl Europas als auch Afrikas nicht nützlich. Die Menschen an der Grenze stellen keine Gefahr dar – die Grenze selbst ist die Gefahr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

41 Kommentare

 / 
  • D
    Desillusionist

    Machen wir es doch ganz einfach und konsequent: Wer meint, daß Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen soll, der/die soll genau das tun. Flüchtlinge in seiner Wohnung aufnehmen und finanziell so lange auf eigene Kosten unterhalten, bis die Betreffenden wieder zurück gehen oder in Deutschland ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können.

     

    Genau so sieht gelebte Solidarität wirklich aus, liebe Gutmenschen. Also entweder ihr meldet euch dafür, oder ihr lasst Eure hochtönenden Artikel, Kommentare und Beschimpfungen Andersdenkender sein.

    • @Desillusionist:

      Im Endeffekt sind es ja hier bei der taz immer wieder ihresgleichen, die Andersdenkende beleidigen (seien es die Autoren der Artikel, oder eben die paar wenigen Kommentaroren hier, die noch linke und linksliberale Meinungen vertreten)...

      Das Gros der Kommentaroren hier ist leider konservativ, rechtskonservativ und rechts und reagiert höchst allergisch auf Einwürfe und Artikel Andersdenkender! Glauben sie nicht, dass ihr Schlechtmenschen (so möchten sie ja offensichtlich genannt werden) liberal genug seid, andere Meinungen zu akzeptieren. Bei ihnen funktioniert der Beißreflex ja auch bestens...

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Desillusionist:

      Zitat: "...oder ihr lasst Eure hochtönenden Artikel, Kommentare und Beschimpfungen Andersdenkender sein."

      Ich muss da mal drüber nachdenken, aber ich glaube dass könnte mir am Ende zu viel gelebte Solidarität mit Schlechtmenschen wie Ihnen sein.

  • Der berichtete Ansatz von Collier ist ja mal originell, und z. T. richtig. Denn es macht in der Tat keinen Sinn, die Leute mit den Segnungen des Sozialstaats anzulocken und führt letztlich zu Toten.

     

    Aber Studienplätze für Afrikaner? Sorry, aber da kommen doch bislang v.a. Kinder der Eliten, wenn die nicht gleich nach GB / USA gehen - wer will den schon hier studieren, wenn er eine Auswahl hat?

     

    Man merkt, dass der Herr Wissenschaftlicher Jahrgang 1984 ist. Die Grenze selbst ist die Gefahr - so einen Satz kriegt nur die Latte-Generation getippt. Mal Luhmann gelesen? Oder ist der mittlerweile "out"?

  • B
    Brandt

    Die Nutzlosigkeit der zirkulären Migration ist nicht ganz richtig. Ich verweise auf die Beispiele Taiwan, Israel, China und Indien. In all diesen Fällen haben hochqualifizierte Rückkehrer die Fertigindustrie und die Software Industrie in die Weltliga katapultiert.

     

    Migration kann sehr viel zur Entwicklung der Auswanderungsstaaten beitragen, wenn man sich auf den Kapitalexport konzentriert.

     

    Frankreich bot afrikanischen Migranten steuerfrei an, Sparguthaben zu bilden für SME Gründungen im Auswanderungsland.

     

    Das Kapitalproblem afrikanischer Staaten lässt sich einfach lösen, indem man Migranten erlaubt, nach dem Vorbild der alten Arbeiterbanken und Genossenschaftsbanken eine eigenständige Entwicklungsbank zu gründen.

     

    Diese Diaspora Entwicklungsbank könnte nachrangige Darlehen an Souveräne vergeben, die teils von der Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken ko-finanziert werden.

     

    Ebenso könnte eine autonome Diaspora Entwicklungsbank zweckgebundende Kredite vergeben.

     

    Debt-for-Nature

     

    Kredite für die Erhaltung von Naturparks, Wasser, Regenwälder, Tierbestände

     

    Debt-for-Education

     

    Kredite für den Ausbau der Bildungsinfrastruktur und der primären Schulbildung für Mädchen und Jungen.

     

    Debt-for-Health

     

    Kredite für die Gesundheitsversorgung

     

    Rücküberweisungen wirken sich nur mittelbar auf den Staatshaushalt aus, weil die zusätzliche Kaufkraft Wachstum erzeugt. Rücküberweisungen helfen unmittelbar nur den daheim gebliebenden Familienmitgliedern. Oder eine Rating-Agentur hält die Rücküberweisungen für so immens, dass sie zur Hebung der Rating-Note beiträgt. Dann profitiert der Auswanderungsstaat insgesamt von der Arbeitsleistung der Migranten im Einwanderungsland.

     

    Es ist aber wesentlich direkter durch zweckgebundende Kredite durch die Migranten an den Auswanderungsstaat, die Migrationsursachen abzustellen.

  • “Ganz im Gegenteil bedarf es einer solidarischen internationalen Politik, deren elementarer Bestandteil eine für alle Menschen offene europäische Grenze ist.“

    .

    Autor Holger Harms ist offenbar noch ´total grün hinter den Ohren.

    Ihm ist es entgangen, daß die FPÖ, die FN, die PVV und die Fortschrittspartei in europäischen Nachbarländern Erfolge wegen deren Einwanderungspolitik haben.

    D.h. die Wähler wollen keine offenen Grenzen für Alle.

     

    Wenn die von Holger Harms beschriebene Utopie so ein Erfolgsmodell wäre, müßte es doch irgendwo in der Welt ein Land geben, indem dies so verwirklicht ist.

    Bitte nennen!

    Holger Harms möge doch mal den USA vorschlagen, die Grenze zu Mexiko zu öffnen.

  • I
    Irrlicht

    Wenn man als Deutsche_r* beispielsweise in die USA auswandert, dort von gut gesponserten Betrieben und 1a-KiTas profitiert und weil man dort mehr Chancen für sich sieht - findet das jeder okay.

    Aber ein_e Afrikaner_in, dem/der es so dreckig geht, daß man horrende Summen für eine selbstmörderische Bootsüberfahrt hinblättert - dem wirft man auch noch vor, daß er woanders sein Glück versuchen will...

    • AA
      Albert Anders
      @Irrlicht:

      Stringentes denken ist schon im eigentlichen artikel kaum zu finden. Bei ihnen fehlt es völlig.

      Warum?

      Wer in die USA auswandert muss _VORHER_ Englisch können, einen Job haben usw..

      "Der Afrikaner" kommt ungerufen, wird nicht gebraucht und hofft Nischen zu finden. Ist er hier bekommt er vom (deutschen) Sozialstaat Leistungen. Bis hin zu 2,3 ja 10.000 € im Monat sollte er dementsprechend krank werden. Der Regelfall dürfte um/bei Tausend Euro liegen (Miete, Wohnung, Krankenversicherung im Wert von XXX + Anteil Verwaltungskosten).

      Aber Hauptsache gegenderten Text schreiben.

      Nb. Ein Kumpel (Meister in seinem Beruf) hatte vor Jahren die Chnace in die USA zu gehen. Er hatte einen Job und eine Wohnung. Englisch wäre ausbaufähig gewesen. Durfte er nicht weil der Arbeitgeber nicht nachweisen konnte das es keinen Einheimischen für den Job gibt.

       

      MfG.

       

      ps. Nee finde ich nicht ok wenn gute Leute auswandern und unterdurchschnittlich ausgebildete Leute nach Deutschland einwandern.

  • G
    Grundgesetz

    Kriminelle Asylbetrüger müssen konsequent abgeschoben werden

    • @Grundgesetz:

      im rahmen der freiheitlich-demokratischen grundordnung versteht sich

      • P
        Pellworm
        @bouleazero:

        Na klar, was dachten Sie?

  • D
    D.J.

    @Karl Ranseier,

     

    zu vereinfacht gedacht. Wenn Sie sich die Karten ansehen (Welthungerbericht z.B.) gibt es eine klare Verbindung zwischen Instabilität und Hunger. Subventionierte Importe mögen in einem Teil (!) der Länder für einen Teil (!) der Bevölkerung nachteilig bei einem Teil (!) der Produkte sein, doch trifft dies keinesfalls den Hauptkern des Problems (so riesig sind die Subventionen auch nicht). Und ich kann z.B. nicht erkennen, inwiefern Europa z.B. bei Eritrea (das übrigens auf billige Nahrungs-Importe aufgrund der Misswirtschaft dringend angewiesen ist) eine wesentliche Schuld träfe (zu den Ursachen der Instabiltät dort gab es letztens einen guten taz-Artikel).

  • U
    Ursula

    Der Logik des Autors folgend hätte er sicher nichts dagegen wenn sich Flüchtlinge völlig frei in seinem Haus ansiedeln und von seinem Erarbeiteten leben und mit ihren Familien bei ihm wohnen- denn nichts anderes wäre die geforderte Freiheti zur Migration im Kleinen.

  • EA
    @Ein anderer Hamburger

    Wenn jemand die "Bekämpfung des Elends von Menschen" gleichsetzt mit "Grenzen auf [für alle]", frage ich mich, ob der Begriff "Nachhaltigkeit" für viele Linke doch nicht mehr als eine Phrase ist.

  • @ Anton Gorodezky:

    Ihr Ansatz ist leider schon nicht richtig, man kann die europäischen Migrationsbewegungen bzw. Eroberungsbewegungen in Richtung Nord-, Mittel- und Südamerika nämlich schlicht nicht mit den heutigen Migrationsbewegungen vergleichen. Kommen heute einzelne menschliche Individuen aus Krisengebieten wie Eritrea, Syrien, Lybien etc, so waren es zur damaligen Zeit in Amerika keine klassischen Migrationsbewegungen heutiger Prägung, sondern Kolonisationsbewegungen. Hier liegt der massive Unterschied und der Grund der Falschheit ihres Vergleiches. Die Kolonisierung war in großen Teilen barbarisch, mörderisch, gar völkermörderisch und teils sogar von direkt von Staaten finanziert und gefördert bzw. ausgeführt (Spanien und Portugal in Südamerika). Dass sich die Situation heutiger Flüchtlingsbewegungen gänzlich anders darstellt ist auf den ersten Blick ersichtlich.

    Dass aber massenhafte Migrationsbewegungen (wesentlich größere als Deutschland zur Zeit erlebt) aber auch sehr fruchtbar sein können, zeigen die Bewegungen der Normannen (oder auch Wikinger) in Osteuropäische Gebiete, wo sie mit der lokalen Bevölkerung hauptsächlich Handel trieben und mit am Stadt und Staatsgründungsprozess beteiligt waren (wobei die Frage der Staatsgründungen in Verbindung mit den Normannen in der Geschichtswissenschaft noch immer kontrovers diskutiert wird). Es gibt also auch positive Beispiele, um nur mal eines aus der mittelalterlichen Geschichte zu nennen.

  • H
    @hamburger

    Danke für diesen Kommentar, der die innige Lust an der eigenen Schuld, welcher nur die Kehrseite alter europäischer Arroganz ist, als das entlarvt, was sie nicht ist: Im Allgemeinen nämlich nicht von sonderlicher ökonomischer, historischer und politischer Kompetenz geprägt, sondern stets dieselben Schlagworte wiederholend.

  • D
    D.J.

    Auch wenn ich mich wiederhole: Man muss sich entscheiden - entweder offene Grenzen für alle oder Sozialstaat. Beides geht nicht. Eigentlich ganz leicht zu verstehen. Von sonstigen Verwerfungen nicht zu reden.

    Und was die Strapazierung des Rassismusbegriffs bis weit über den Anschlag betrifft: Ich akzeptiere, dass Australier lieber dem indischen IT-Spezialisten eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung geben als mir als Historiker. Ist diese Akzeptanz nun rassistisch?

  • "Europa ist mit seinen desaströsen Agrarsubventionen, einseitigem Interesse dienenden Freihandelsabkommen und Kriegseinsätzen – um nur einige Punkte zu nennen – für das Elend im Mittelmeer mitverantwortlich."

     

    Wie bitte, was haben Agrarsubventionen (die es auch in Afrika gibt), Freihandesabkommen (die es ebenfalls in Afrika gibt) und Kriegseinsätze mit dem Elend in Eritrea, Somalia oder Lybien zu tun?

     

    Nichts.

     

    In Eritrea, reich an Bodenschätzen, regiert der Diktator einer marxistischen Partei und "beglückt" seine Einwohner mit Misswirtschaft, Unterdrückung, Verfolgung und Folter, in Somalia bestimmt ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg, Plünderungen und viel Gewalt das Geschehen. In Lybien gab es einen Volksaufstand gegen einen korruptes Regime und Probleme mit Islamismus.

     

    Deutschland ist für die Entwicklung dieser Länder NICHT mitverantwortlich.

     

    Das ständige Einreden von Schuld bei den Deutschen oder Europäern bei diesem Thema soll nur die Argumentearmut der Forderung überdecken, einen ganzen Kontinent Europa für hunderte Millionen Menschen freizugeben, die allesamt und verständlicherweise liebendgerne den Sozialstaat der europäischen Nationen in Anspruch nehmen würden, der ihnen in aller Regel einen höheren Lebensstandard auch ohne Arbeit verspricht.

     

    Afrika ist aber kein kleines Reservat, sondern ein Kontinent, der über weit mehr Einwohner als Europa verfügt. Wir können die Probleme dort nicht lösen, indem wir eine Massenmigration hierher organisieren.

     

    Die Forderung "Grenzen auf" ist bestenfalls linkspopulistisch, in erster Linie aber wirtschaftlich katastrophal und für die soziale Stabilität hier höchst fahrlässig. Im Übrigen verstößt er auch gegen den Geist des Grundgesetzes, in dem der Regierung vorgeschrieben wird, den Nutzen der Deutschen zu mehren und Schaden abzuwenden. Das Nutzen-Schaden-Prinzip hat Verfassungsrang und erlaubt kein Weltsozialamt Deutschland.

    • EA
      Ein anderer Hamburger
      @Hamburger:

      Die Forderung "Grenzen auf" ist das einzige was einem angesichts des Zustands der Welt einfallen dürfte, wenn einem nicht jegliche Empathie abhanden gekommen ist. Leute, die die "Mehrung des Nutzens der Deutschen" über die Bekämpfung des Elends von Menschen stellt, die zufällig woanders geboren wurden, sind das Problem - und nicht Flüchtlinge oder deren Unterstützer.

      • J
        Johnny
        @Ein anderer Hamburger:

        Wenn "Grenzen auf" die einzige Antwort ist, was passiert dann mit dem Sozialstaat? 900 Euro / Monat auf 800 Millionen Menschen, die weltweit unter extremer Armut leiden. Wie wollen Sie das finanzieren?

    • KR
      Karl Ranseier
      @Hamburger:

      Wenn durch europäische Agrar- und Exportsubvertionen die aus Europa in afrikanische Staaten importierten Nahrungsmittel dort billiger sind, als die dort hergestellten, dann zerstören unsere Subventionen die dortigen Agrarmärkte. Dadurch gehen in den entsprechenden Ländern die Bauern pleite, die Menschen haben kein Einkommen mehr und das Geld fließt durch den Import der Nahrungmittel ausser Landes.

      Das ist ein Problem der entsprechenden Staaten und ist ausserdem eindeutig ein negativer Effekt unserer Agrar- und Exportsubventionen.

       

      Insofern haben unsere Subventionen etwas mit den Situationen in den entsprechenden Ländern zu tun.

       

      Karl R.

  • Und damit wir nicht in der Luft argumentieren, sehen wir uns Beispiele an, in denen Menschen unkontrolliert in Gebiete eingewandert sind, die vorher von anderen Menschen bewohnt wurden:

    die Europäer nach Südamerika

    die Europäer nach Nordamerika

     

    Also mir persönlich machen diese Beispiele die Vorstellung einer offenen europäischen Grenze nicht gerade schmackhaft. Oder gibt's auch positive Beispiele?

    • R
      Ruhender
      @Anton Gorodezky:

      Die islamischen Einwanderer des 8. Jahrhunderts brachten Europa eine kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Blüte, nachdem der Sieg der Germanen über die Römer Mitteleuropa in die Barbarei zurückgeworfen hatte. Regelrechte Bildungseinheiten führten die islamischen Truppen mit sich, die sich zuerst um Aufklärung, Bildung und Kultur, bemühten. Umgekehrt die Kreuzzüge der sog. Christen: Sie hinterließen im Orient nichts als Ausbeutung, Unterdrückung und Sklaverei. Historisch gesehen profitierte Europa stets von Zuwanderung, hingegen litt die Welt stets unter europäischen Auswanderern und europäischem Imperialismus. Die Ursache dafür liegt in einem europäisch-arischen Herrschaftsdenken, welches vermutlich ein kompensatorischer Reflex auf die reale Unterlegenheit und Rückständigkeit der Weißen ist.

    • G
      Gollum
      @Anton Gorodezky:

      Ihre "Beispiele" sind lächerlich, bzw. sind überhaupt keine Beispiele für Migration im engeren Sinne. Es sind Beispiele für Landraub, Kolonialismus, Ausrottung und Unterwerfung. Beispiele für positive Einwanderungswellen hält alleine die europäische Geschichte zu Hunderten bereit. Die Hugenotten nach Preußen oder die Deutschen nach Russland z.B. Eigentlich ist die gesamte europäische Geschichte von gegenseitiger Migration geprägt. Dabei gab es auch Konflikte, doch sind diese Beispiele nicht in der Mehrheit.

      • @Gollum:

        Katharina II. holte die Deutschen ins Land, um unbewohnte Steppengebiete zu besiedeln und ein paar "wehrbauern" gegen nomadische Reiter zu haben. Das ist also genau die qualifizierte Migration, die hier so kritisiert wird - weil ja eine unkontrollierte Einwanderung stattfinden soll.

         

        Das gleiche gilt für die Hugenotten. Friedrich II. hat das nicht aus bloßer Toleranz getan, sondern weil er sich von den Hugenotten (und ihren Fähigkeiten) einen Aufschwung für sein Land erhoffte.

         

        Schauen wir uns stattdessen die Beweggründe der Kolonisten in Amerika an: den Wunsch, die eigene Religion frei von Verfolgung ausleben zu können, wirtschafliche Gründe. Und das sind ja auch die Hauptgründe für die Afrikaner von heute: Schutz vor politischer verfolgung und Entkommen aus der Armut.

         

        Ich denke deshalb, dass meine Beispiele ganz und gar nicht lächerlich sind.

      • A
        Akatana
        @Gollum:

        Die Hugenotten waren aber in ihrer Masse gerade das was der Autor eben NICHT MEHR will, nämlich intelektuelle Oberschicht, bzw. Facharbeiter erster Güte.

        • G
          Gollum
          @Akatana:

          Die Deutschen wurden aber nicht handverlesen, sondern es konnte kommen wer wollte. Dass Katharina II. das noch besonders gefördert hat, macht es zu einem besonderen Beispiel, aber wenn Sie ernsthaft abstreiten wollen, dass es in Europa 2000 Jahre lang eine mehr oder weniger "unkontrollierte" Migration gab und weiterhin ernsthaft darauf beharren, dass der europäische Kolonialismus, der nur auf Macht und Unterwerfung beruhte, auch nur Ansatzweise mit der heutigen Migration nach Europa zu vergleichen ist, dann wird diese Diskussion wohl sinnlos bleiben.

  • Ein grenzenlos guter Artikel.

    Dass ich das noch erleben darf!

    • G
      Genzenlos?
      @bouleazero:

      ???

      Zwei Drittel oder mehr des Artikels sind nur Wiederholungen oder negative Kritik. Wo bleibt das Positive? Wo bleibt die kritische Auseinadresetzung mit dem vorgeschlagenen "keine-Grenze-szenario"?

      Was bliebe denn ohne Grenze? Grenzenlose Transfers? Wo soll es für den Einzelnen beginnen? Soll es eine Grenze an der privaten Wohnung geben? Oder soll alles geteilt werden? Nach welchen Regeln? Fragen über Fragen. Keine wird beantwortet.

  • A
    arDaga

    Bravo, bravo, bravo!

  • N
    Niente

    Wieso muss Europa allen offen stehen? Es gibt schon genug Armutsflüchtlinge, die wir mitfinanzieren müssen. Wer soll das denn bezahlen?

    Wenn jemand hier einen Job findet (vor seiner Einwanderung), kann er hier leben; das ist etwas anderes.

    Europa soll nicht das Armenhaus der Welt werden.

    • @Niente:

      Armenhaus der Welt? Das Gegenteil ist der Fall!

      Wenn Deutschland zu der Wirtschaftsmacht geworden ist, die es heute ist, dann wäre das nicht ohne die Mitarbeit der zahlreichen Mitbürger aus anderen Ländern möglich gewesen. Und genauso wird es sein, wenn die heutigen Zuwanderer endlich arbeiten dürfen.

      Die Angst vor unbekannten Gewohnheiten und Kulturen schreibe ich der menschlichen Psychologie zu. Wirtschaftlich und sozial gibt es keinen vernünftigen Grund, anderen Grundrechte zu verwehren, die für uns selbstverständlich sind: Hier zu leben und zu arbeiten zum Wohle Aller! Inklusive der Daheimgebliebenen!

      • T
        Tyborg
        @bouleazero:

        "Und genauso wird es sein, wenn die heutigen Zuwanderer endlich arbeiten dürfen." Wovon träumen Sie nachts? Sind die Arbeitslosenzahlen in der EU noch nicht bis zu Ihnen durchgedrungen? Erst denken, dann schreiben!

      • D
        Desillusionist
        @bouleazero:

        @bouleazero: Ihre vollmundigen Arbeitsethik-Romantik-Sprüche zeigen mir, daß Ihnen die Realitäten der deutschen Arbeitswelt völlig fremd sind. So einen Quatsch geben nur die Regierung und Wirtschaftsverbände von sich - Leute, die jede Bodenhaftung verloren haben und die Arbeitswelt nicht kennen. Es gibt allein in Deutschland bereits jetzt Millionen Menschen, für die es realistisch betrachtet keine Arbeit gibt und auch in Zukunft keine geben wird. Nicht mal prekäre Beschäftigung. Wir haben mit Internet-Plemplem, Kommunikations-Tralala, Unternehmensberatung-Klimbim, Event-Marketing, u.A. schon so viele Arbeitsbeschaffungsmassnahmen laufen, die bei Lichte betrachtet keinen realen ökonomischen Nutzen bringen. Was wird in Deutschland los sein, wenn diese Blasen platzen und wir eine jetzt noch unvorstellbar grosse Zahl von Arbeitslosen bekommen? Warum wohl proben Bundeswehr und EUROGENDFOR bereits seit Jahren den Häuserkampf in europäischen Innenstädten? Die üben nicht für die Taliban, sondern für den Kollaps der ökonomischen und sozialen Systeme des Westens und die Folgen.

        • @Desillusionist:

          Warum so desillusioniert? Internet macht doch Spass, du machst ja selber mit :-) Bin völlig einverstanden, dass man nicht jedem HiTech-Schnickschnack hinterher laufen darf (am besten so wenig wie möglich davon kaufen, sag ich immer).

          Ich denke nicht, dass Europa über kurz oder lang kollabiert, daran haben vor allem die Bosse selbst kein Interesse. Aber ich hoffe, dass die grosse Masse der unteren Gehaltsklassen demnächst mal feststellt, dass der Reichtum so ungeheuerlich unfair verteilt ist, dass diese Schere der eigentliche Grund dafür ist, warum es Dir so dreckig geht (wenn dem so ist). Dessen ungeachtet sollte man sich sein persönliches Lebensglück nicht von den Umständen versauen lassen. Man lebt nur einmal. Es wäre geil, wenn in vier Wochen in der Schweiz die 1:12-Initiative durchkommt !

          • D
            Desillusionist
            @bouleazero:

            @bouleazero: "(...) Es wäre geil, wenn in vier Wochen in der Schweiz die 1:12-Initiative durchkommt! (...)" - Oh, oh, oh, da ist er wieder, der geballte gutdeutsche ökonomisch-politische Sachverstand. Das wird sie nicht. Die Schweiz kennt keine Neidkultur in dem Umfang wie in Deutschland und auch die Neigung, sich unter schmollendem Verweis auf globale Verteilungsungerechtigkeiten von der Allgemeinheit zeitlich unbegrenzt alimentieren zu lassen, ist - zum Glück! - dort deutlich geringer ausgeprägt als in Deutschland. Meinetwegen kann mein Chef 1000mal soviel wie ich verdienen, wenn ich von meinem Geld gut leben kann, ist mir das völlig egal. Was soll der ewige Appell an das typisch deutsche Neidgefühl? Es ist ein Kennzeichen des häßlichen, nicht aber des guten Deutschen.

  • TI
    tazächlich ich

    „Ganz im Gegenteil bedarf es einer solidarischen internationalen Politik, deren elementarer Bestandteil eine für alle Menschen offene europäische Grenze ist. Dies wird der Tatsache gerecht, dass es Migration immer gab und geben wird und sie nicht beliebig zu steuern ist.“

    1. Zu schon immer gab: Die ansteigenden Massen, die derzeit in den verarmten, verkommenen, verödeten Startlöchern der dritten Welt stehen, lassen sich nicht mit dem vergleichen, wie es früher einmal war. Auch die Rahmenbedingungen des vermeintlich so segensreichen Ziels sind heute andere. Diese Menschenmassen durch offene Grenzen in das zum Kentern begriffene Projekt Europa einzulassen wird Folgen nach sich ziehen, die sich ein unbelehrbarer Gutmensch gar nicht ausdenken kann. Unser so hoch gelobter, sowieso schon wankender Frieden würde nicht länger bestand haben.

    Wer also Forderungen wie im obigen Artikel aufstellt, deren Umsetzung höchstgradig unvernünftig, demokratiegefährdent und friedenstorpedierend wären, sollte doch mal den Verstand bemühen.

    2. Zu nicht beliebig zu steuern ist: Ganz richtig wird festgestellt, daß Europa nicht das einzige Ziel der Wanderbewegungen ist. Während Europa völlig planlos und unorganisiert dem Massenandrang begegnet, wissen Kanada, USA und Australien mit einem Punktefragebogen ganz genau, was sie im Land haben wollen und was nicht. Punkt aus.

    Und was die Australier zukünftig mit Bootsflüchtlingen machen wollen, hat auch seine Berechtigung. Denn eine Systemüberlastung ist keine Lösung; die Probleme müssen vor Ort gelöst werden

  • U
    UserIn

    Schöner Kommentar, danke Her Harms.

  • NW
    no way

    Taz, Europa parkt bereits in seinen Banlieus, Suburbs und Kiezen mehrere zehn Millionen Afrikaner und Araber ohne Perspektive. Schon vergessen? Euer Blabla wird bereits durch die bestehenden Verhältnisse konterkariert.

     

    Wir werden uns nicht erpressen lassen.

    Die Probleme Afrikas müssen in Afrika gelöst werden. Nirgendwo sonst.

    Es gibt nur einen Weg: Hilfe und Aufklärung vor Ort und konsequente Bekämpfung der Schleuserei.

  • W
    Weltfremd

    Selten etwas so weltfremdes gelesen.

  • HF
    heiliger fatih

    ich zahle lieber über meine steuern die Abwehr der "flucht" mit, als die anschließend noch höheren folgekosten nach der Einwanderung. das Schlagwort von der "solidarischen Politik" heißt doch, daß ich abgeben soll. das will ich aber nicht.