Debatte Feminismus: Feminismus ist Pop!
Der emanzipatorische Kampf für Frauenrechte ist so glamourös, wie man ihn führt. Feministische Musikerinnen und Magazine aus den USA zeigen, wie man es richtig macht.
V or Jahren veröffentlichte ich mit meiner besten Freundin ein so genanntes Fanzine: ein kleines, selbstkopiertes Heftchen in zartem Rosa. Begeistert von der feministischen Do-It-Yourself-Kultur, die ich an einem liberalen kalifornischen Campus aufgesogen hatte, musste nach der Rückkehr sofort ein eigenes popfeministisches "Grrrl Zine" her. In einer Art Manifest verkündeten wir, welche Misstände unsere feministische, an Popkulturkritik geschulte Wut befeuerten. Jede der Zeilen begann mit der Formulierung: "Ich habe es satt".
Sonja Eismann, 34, ist Musik- und Kulturjournalistin. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin wirkt sie an einem EU-Forschungsprojekt zu Grrrl Zines mit. Gerade ist von ihr der Reader "Hot Topic. Popfeminismus heute" erschienen (Ventil Verlag).
Fast zehn Jahre und zahllose öffentliche Aufrufe für einen "neuen Feminismus" später juckt es mir in den Fingern, diesen entnervten Aufschrei zu wiederholen. Denn was wir brauchen, ist kein neuer Feminismus - wie denn auch, wenn bis jetzt nicht einmal die Forderungen des "alten" erfüllt sind? Eine Bewegung, die sich für Gleichberechtigung und Emanzipation stark macht, wird weder sauer wie Milch noch benötigt sie eine Botox-Injektion. Was wir brauchen, zumal in einer so antifeministischen Gesellschaft wie der (west)deutschen, ist ein neues feministisches Bewusstsein.
Feminismus muss dafür nicht glamourös und cool werden, wie so manche popbeflissene Feministin das übereifrig predigt. Nein, denn Frauen müssen jetzt schon bereits genug: Selbstdisziplinierung ist das lauteste Glücksversprechen. Im Gegenteil sollte insbesondere jungen Frauen gezeigt werden, dass der Feminismus all das schon längst sein kann - wenn er es denn will. Vor einer affirmativen Verwendung des Begriffs darf man dabei nicht zurück schrecken. In feministisch geprägten Pop- und Subkulturen, in denen übrigens auch junge Männer die Auflösung verstaubter Geschlechterklischees als Befreiung empfinden, ist dies schon lange der Fall. Musikerinnen wie Peaches, Chicks on Speed oder Rhythm King And Her Friends ziehen in ihren Texten und Performances lustvoll Gender-Stereotypen durch den Kakao. Dabei deklarieren sie sich nicht nur ganz selbstverständlich als feministisch, sondern sind zudem auch noch ausgesprochen unterhaltsam.
Der Antagonismus zwischen den Generationen der "Altfeministinnen" und der "F-Klässlerinnen", der durch die mantraartige Betonung der angeblich so grundsätzlichen Differenz erst hergestellt wird, trägt wenig zu einem neuen Bewusstsein bei. Sicherlich sind Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Generationen essentiell, um auf shiftende Lebensrealitäten und Prioritäten reagieren zu können. Doch was der konservative Literaturkritiker Harold Bloom in den 70er Jahren in seiner Rede von der "Einflussangst" als mächtigem ödipalen Kampf alter und junger Alpha-Männchen um ihren Platz in der Genealogie imaginierte, verkommt hier zu einer medial befeuerten Schlammschlacht in den eigenen (weiblichen) Reihen, die Schadenfrohe süffisant von "Stutenbissigkeit" fabulieren lässt.
Die Mechanismen sind dabei so altbekannt wie ärgerlich: Auf der einen Seite die alten und damit unattraktiven "Altfeministinnen" - denn was ist in den Medien schlimmer, als von gestern zu sein? Richtig: alt und eine Frau zu sein. Auf der anderen Seite die auf ihr persönliches Fortkommen reduzierten "F-Klässlerinnen". Die werden durch die Schulklassen-Assoziation nicht nur gleichzeitig infantilisiert und sexualisiert (wie übrigens auch die Alpha-"Mädchen" des Spiegels). Sie lassen auch völlig aus dem Blickfeld rutschen, dass die Frauenbewegung ja auch mal ein linkes Projekt war.
"Weil sie versuchen werden, uns zu überzeugen, dass wir längst schon angekommen wären, dass wir schon da sind, dass es passiert ist, haben wir beschlossen, uns auf eine Agenda der Freiheit für alle zu stützen", sangen die drei Frauen der New Yorker Band Le Tigre auf ihrem Album "Feminist Sweepstakes" 2001. Damit stellten sie klar, dass Feminismus sich nicht im ökonomischen Empowerment einzelner Frauen erschöpfen kann, sondern dass der Kampf gegen die eigene Diskriminierung automatisch mit dem Protest gegen jedwede Ungleichheit einher geht.
Die Amerikanerinnen sind da eben mal wieder weiter als wir. Nicht nur, dass es dort eine ganze Palette frauenspezifischer Magazine gibt, die sich ihre feministische genauso wie ihre popkulturelle Expertise stolz ans Revers heften und nach denen man sich hier nur die Finger lecken kann. Nein, in diesen Zeitschriften, die klingende Namen wie Bitch, Bust oder Venus Zine tragen, ist man sich auch einig, dass der vermeintliche Grabenkampf zwischen den "ernsthaften" Feministinnen der Zweiten Welle und den "Lifestyle"-Feministinnen der Dritten Welle vornehmlich eine Inszenierung der Medien ist. Denn die lieben bekanntlich nichts so sehr, als einmal mehr den Tod - oder zumindest die heillose Zerrüttung - des Feminismus zu verkünden.
Das Bust Magazine brachte schon im Dezember 2000 zwei Ikonen aus zwei Generationen des Feminismus zu einem Gespräch zusammen, das von Neugierde und Respekt geprägt war: Gloria Steinem, in den USA ähnlich bekannt wie Alice Schwarzer in Deutschland, und Kathleen Hanna, Mitglied von Le Tigre. Letztes Jahr erschien in Kalifornien ein Sammelband mit unzähligen Artikeln zu Themen, die man gemeinhin der "Dritten Welle" des Feminismus zuordnet: Subkultur-Aktivismus, Identitäts-Politik und Sex-Positivismus. Der provokante Titel des Bandes: "We don't need another wave" - "wir brauchen keine neue Welle des Feminismus"
Dass bei der wichtigen Auslotung verschiedener weiblicher Identitäts-Modelle nicht das trennende, sondern das verbindende Moment betont werden sollte, ist eine Erkenntnis, von der man sich wünschen würde, dass sie schleunigst den Weg über den Atlantik finden möge. Die vielen Rufe nach einem "Bindestrich"-Feminismus machen vor allem klar, wie sehr hierzulande das historische Wissen darüber fehlt, dass es auch schon in den Siebzigerjahren unzählige "Feminismen" gab. Auf der anderen wird deutlich, dass Feminismus wieder nur als temporäre Krücke wahrgenommen wird, die ausgepackt wird, wenn es strategisch und für das eigene Fortkommen als günstig erscheint.
Das ist zwar legitim, besitzt aber nichts von der Power eines radikalen, kritischen Ansatzes, der eine immer noch nach patriarchalen Prinzipien organisierte Gesellschaft transformieren kann. Man achte hierbei bitte besonders auf das Stichwort "radikal", das, ebenso wie "links", völlig aus dem Fokus der Feminismus-Debatten im bürgerlichen Feuilleton verschwunden ist. Schon allein, um wieder etwas Bürgerschreck-Spaß in die Auseinandersetzung zu bringen, sollte beides schleunigst wieder eingeführt werden.
Die dritte Welle von Feministinnen, die sich so gar nicht von ihren Vorläuferinnen der zweiten Welle distanzieren will, sondern ihnen für ihre Errungenschaften dankbar ist, steht nämlich auch hier schon in den Startlöchern. Selbst schuld, wer all deren Ladyfeste, Drag-King-Shows und queer-feministische Symposien verschläft.
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