Debatte Fairphone: In der Aktualitätsfalle
Sicherheitslücken, keine Ersatzteile mehr: Das Scheitern des Fairphones ist exemplarisch für die Elektronik aus dem Internet der Dinge.
N achhaltig, reparierbar, fair – das war das Versprechen. Doch am Ende ist es leider anders: Die Fairphone-Macher haben es nicht geschafft, ihre bisherigen Geräte tatsächlich nachhaltig zu gestalten. Die Ankündigung, keine Ersatzteile mehr für die erste Generation des Telefons zu liefern, ist der letzte Hinweis darauf, dass die Strategie nicht erfolgreich war.
Für BesitzerInnen des Telefons ist das bitter. Für die Macher des Fairphones, hoffentlich auch für andere Unternehmen, in jedem Fall aber für die Politik ist es eine Gelegenheit, Lehren daraus zu ziehen. Um es selbst (für andere Unternehmen) oder beim nächsten Mal (für die Fairphone-Hersteller) besser zu machen. Oder, und das ist noch wichtiger, die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu setzen. Denn die Probleme beim Fairphone sind exemplarisch für die aktuelle und für künftige Elektronik-Generationen.
Wer heutzutage sein Produkt mit einer endlichen Lebensdauer versehen will, der braucht keine Sollbruchstellen mehr, keine angesägten Teile oder labilen Steckverbindungen. Zumindest dann nicht, wenn es um ein Elektronikgerät geht. Meistens reicht schon das Nichtstun. Nämlich, die Software nicht aktuell zu halten. Smartphonehersteller haben dieses Prinzip schon vor Jahren perfektioniert.
Mittlerweile versucht Android-Hersteller Google gegenzusteuern, doch Smartphones sind fast schon wieder von gestern: Smarte Uhren, Wasserkocher, Waschmaschinen sind die aktuelle und nächste Generation der mit Software versehenen Geräte. Und auch, wenn wohl nur wenige versuchen, sich mit ihrem Wasserkocher ins Online-Banking einzuloggen – wenn ein veraltetes Betriebssystem Angreifern so viele Sicherheitslücken bietet, dass es ein Leichtes ist, seine Abschaltautomatik zu manipulieren, dann werden sich Verbraucher wohl doch einen neuen Wasserkocher kaufen. Notgedrungen.
Systemproblem auch bei Fairphone 2
Ein ähnliches Problem hat das Fairphone. Und zwar sowohl die erste als auch die zweite Generation. Letztere liegt immerhin mittlerweile bei Android 6.0. Aktuell wäre die 7er-Version, demnächst soll die 8er kommen. Schlimmer ist es beim Fairphone 1: Das steckt immer noch bei Version 4.2 fest. Zum Telefonieren ist das noch brauchbar, aber in persönliche Accounts einloggen sollte man sich mit so einem Gerät eigentlich nicht mehr.
Dass die Fairphone-Macher daran gescheitert sind, liegt an einer etwas komplizierten Gemengelage, die auch damit zu tun hat, dass ein Prozessorhersteller keinen Zugriff auf einen notwendigen Quellcode bietet. Das hätte sich vorher klären lassen, aber der Punkt ist: Es ist ein Problem, wenn so der Hersteller einer einzelnen Komponente einen Update-Prozess torpedieren kann.
Helfen würde hier eine Pflicht zur Offenlegung entsprechender Quellcodes. Natürlich schreien da die Hersteller, dass damit ihr Markt kaputt gehen würde. Dass es durchaus quelloffene Software gibt und trotzdem Unternehmen, die damit Geld verdienen, ist vielleicht noch nicht zu ihnen durchgedrungen – aber in diesem Fall würde auch eine Offenlegung gegenüber dem Geschäftspartner reichen. Auch aus Gründen der Software-Sicherheit ist mehr Offenheit keine schlechte Idee, denn mehr Menschen, die einen Quelltext lesen, finden in der Regel auch mehr Fehler.
Alternative offenes Betriebssystem
Doch es gibt noch eine Alternative: offene Betriebssysteme. Momentan werden Systeme wie Lineage nur in der Nische angewendet und gelten als etwas für Freaks. Mozilla, das mit Firefox OS das Potenzial gehabt hätte, zumindest ansatzweise eine Konkurrenz für Android und iOS zu werden, hat dessen Entwicklung längst eingestellt. Warum? Keine Nachfrage, daher kein Angebot an Apps, daher keine Nachfrage … – ein Teufelskreis.
Gerade im Hinblick auf smarte Wasserkocher, Alarmanlagen und Staubsaugerroboter, Fernseher und Sprinkleranlagen, das ganze Internet der Dinge also, wäre aber eine Förderung von offenen Betriebssystemen sinnvoll. Bei denen viele Menschen in den Quelltext schauen, Fehler finden, bei denen es entsprechende Updates gibt, Sicherheitslücken geschlossen werden. Damit die Waschmaschine nicht auf den Sperrmüll muss, weil ein Programmierer mal einen schlechten Tag hatte.
Doch selbst, wer sich damit abgefunden hat, dass er sein Fairphone 1 besser nur noch zum Telefonieren verwendet, wird das in absehbarer Zeit nur noch dann können, wenn sich Ladekabel und Steckdose in unmittelbarer Nähe finden. Denn im Juli teilte das Unternehmen seinen Kunden mit: Die Ersatzteile sind aus. Da ein Akku, der zwei Jahre mit weitgehend gleichbleibender Qualität durchhält, heutzutage schon an ein Weltwunder grenzt, ist die Rechnung einfach. Spätestens in zwei, drei Jahren werden die Glücklichen, die auf den letzten Drücker noch einen Akku erstanden haben, ihr Telefon aussortieren.
Politisches Gegensteuern
Bei anderen Herstellern, die auf fest verklebte Komponenten setzen – Öffnen verboten –, ist die Situation für Verbraucher eher noch schlechter. Um so wichtiger wäre, dass es endlich ein politisches Gegensteuern gibt. Der Hebel wäre ein ganz einfacher: eine Verlängerung der Gewährleistung für Elektronikgeräte – und zwar mit einer Beweislastregelung zugunsten der Kunden. Momentan müssen Kunden nach einem halben Jahr beweisen, dass der Defekt schon beim Kauf vorhanden war. Unmöglich.
Eine gestaffelte Gewährleistung – denn smarte Waschmaschinen sollten schon ein paar Jahre länger durchhalten als ein smartes Telefon – wird dazu führen, dass die Zahl der wegen Ach-lohnt-doch-nicht-mehr-die-Reparatur-Entsorgungen deutlich sinkt. Und sich gleichzeitig die Reparierbarkeit der Geräte deutlich verbessert. Schließlich hätten die Hersteller dann einen Anreiz, Reparaturen so schnell und effizient wie möglich durchzuführen – und nicht erst das gesamte Produkt auseinanderzubauen, bis der defekte Akku freigelegt ist.
Nachteile gäbe es für diejenigen, die gerne im Jahresrhythmus ein neues Smartphone kaufen. Die Preise der Geräte dürften mit längerer Haltbarkeit merkbar ansteigen. Denn dass die Industrie Regeln zur Nachhaltigkeit und Reparierbarkeit uneigennützig umsetzt – das wird auch mit dem besten Gesetz nicht passieren.
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