Debatte Energieffizienz: "Glühlampe raus" reicht nicht

Alle reden vom Energiesparen, und doch wird in Deutschland immer mehr Strom verbraucht. Energieeffizienz hat keine Lobby, nicht mal einen eigenen Bundesverband.

Der Blick in die hiesige Verbandslandschaft kann ziemlich frustrierend sein. Wir stoßen auf die Deutsche Dahlien-, Fuchsien- und Gladiolen-Gesellschaft, entdecken einen Verband Deutscher Kerzenhersteller sowie auch einen Verein Deutsche Edelkatze e. V. Es gibt offensichtlich für jeden Aspekt des Lebens eine passende Vereinigung. Mit einer Ausnahme: Einen Bundesverband Energieeffizienz als Lobby der knappen Ressourcen gibt es nicht.

Diese Lücke im Verbandswesen ist ein fatales Indiz für die herrschende Interessenlage in Deutschland: Eines der wichtigsten Themen des 21. Jahrhunderts ist nicht institutionell besetzt. Zu denken gibt das vor allem, weil es auch im Energiesektor längst eine Vielzahl erfolgreicher Verbände gibt. Ob für Solarenergie, Biogas, Wasserkraft oder Wind, ob für Biotreibstoff, Holzpellets oder Geothermie - jede Energieform hat leidenschaftliche Verfechter. Nur eben die Effizienz nicht. Und so konnte es auch gerade wieder passieren, dass die EU ein Klimaschutzpaket vorlegte, in dem Energiesparen nicht vorkommt. Denn selbst von den Umweltverbänden kommt wenig zu diesem Thema.

Was muss eigentlich noch alles passieren, bis man sich endlich um Energieeffizienz bemüht? Weder die steigenden Öl-, Gas- und Strompreise noch die intensive Debatte über Klimaschutz haben das Thema angemessen auf die politische Tagesordnung heben können. "Effizienz ist nicht sexy", lautet die stete Entschuldigung.

Freilich: Bleibt man möglichst allgemein, findet Energiesparen viele Fürsprecher. Selbst Wirtschaftsminister Michael Glos von der CSU setzt sich etwa "für mehr Energieeffizienz beim Mittelstand" ein. Doch solche Sprüche sind erfahrungsgemäß nur Folklore. Sie sind unpolitisch, unangreifbar - und unwirksam. Und so wird immer offensichtlicher, dass spürbare Fortschritte im Klimaschutz erst zu erzielen sein werden, wenn die Effizienz eine koordinierte Lobby bekommt. Das könnte ein Verband sein, der die Arbeit von Umweltorganisationen, fortschrittlichen Ökonomen und von jenen Unternehmen bündelt, die von einem engagierten Klimaschutz profitieren.

Stattdessen herrscht seit Jahrzehnten Effizienzgeschwafel: "Energie sparen - unsere beste Energiequelle", schrieb das Bundeswirtschaftsministerium schon vor 30 Jahren, und mahnte, dass Energie "ein sehr wertvolles Gut" sei. In den Achtzigern überschwemmten dann Aufkleber "Ich bin Energiesparer" das Land. Heute verbraucht jeder Deutsche ein sattes Viertel mehr Strom als damals. Verschwendung ist längst so normal geworden wie das Reden übers Sparen.

Ein bizarres Phänomen: Jedes Mal, wenn Sprit, Strom oder Heizung teurer werden, verfällt das Land in Hysterie - statt sich nüchtern seiner Einsparpotenziale zu besinnen. Teil des Rituals sind pseudoinvestigative Reportagen, in denen das Wort "Abzocke" zum Mantra der Realitätsverweigerer wird. Denn aus der Innenansicht einer Verschwenderkultur muss es immer Schuldige geben, wenn die Energiepreise steigen. Der Gedanke, dass schlicht Mangel an Rohstoffen die Ursache sein könnte, kommt nicht vor. Und so trifft es im Wechsel die Konzerne, den Staat, die EU oder auch die Saudis. Mitunter freilich irgendwie auch zu Recht, doch das ist nicht das entscheidende Thema. Entscheidend ist vielmehr die weltweite Energieknappheit. Und knapp heißt zwangsläufig teurer, das ist banale Ökonomie.

Gleichwohl ist der Umgang mit der Verknappung noch immer reichlich naiv. Zu beobachten auch bei Minister Glos, als er kürzlich zwar korrekt erkannte, dass Deutschland - nebenbei bemerkt: sogar ganz Europa - auf einen Stromengpass zusteuert. Doch alles, was ihm dazu einfällt, ist der Bau neuer Kraftwerke und eine längere Laufzeit der Atommeiler. Naiv ist das, weil Glos auch hier wieder die limitierten Ressourcen übersieht - unter anderem, dass es im dicht besiedelten Deutschland an Standorten für Großkraftwerke fehlt. Hätte er verstanden, würde er stattdessen ein ambitioniertes Programm zur Effizienz lancieren.

Denkbar wären zwei Varianten. Die eine fußt auf dem Ordnungsrecht, die zweite auf dem Steuer- und Abgabenrecht - und die Lösung dürfte immer eine Kombination beider sein. Dann würden einerseits Energieverschwender (wie stromfressende Geräte) schlicht verboten, und an anderen Stellen würde eine Energiesteuer Wirkung haben.

Doch eine solche Erleuchtung im Wirtschaftsministerium ist nicht absehbar. Und so nimmt die Schizophrenie ihren Lauf: Je mehr man die Effizienz in Reden beschwört, umso höher steigt zugleich der Verbrauch. Ernsthafte Gegenkräfte sind rar.

Natürlich gibt es Pseudoaktive, etwa die Deutsche Energie-Agentur dena, die sich mit Tipps gefällt, wie "Glühlampe raus, Energiesparlampe rein". Das ist zwar richtig, doch es geht letztlich am Thema vorbei, weil Effizienz vor allem politisch umgesetzt werden muss. Schnöde Tipps sind für den Klimaschutz ähnlich hilfreich wie Kochrezepte im Kampf gegen den Welthunger.

Politisch zu agieren - wie es nötig wäre - ist der dena aber verwehrt. Denn ihr federführender Gesellschafter ist das Wirtschaftsministerium. Und wer stellt schon seine Eigner in den Senkel? So ist die dena in diesem Punkt weitgehend zur Erfolglosigkeit verdammt.

Dagegen ist die Arbeit des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie von anderem Kaliber. Niemand hat sich in den letzten Jahren in Deutschland rund um die Effizienz so sehr profiliert wie die Forscher aus Nordrhein-Westfalen. Etwa mit ihrem Energieeffizienz-Fonds, der Verbrauch belastet und Einsparen belohnt. Nur braucht auch exzellente Wissenschaft für den Erfolg die öffentliche Wahrnehmung. Weil die aber gering ist, verstauben viele gute Ideen in den Schubladen in Wuppertal. Und man muss wieder an die Formulierung "nicht sexy genug" denken.

Aber halt, warum eigentlich nicht? Längst gibt es einige beachtenswerte Entwicklungen. Zu ihnen zählt die Kraft-Wärme-Kopplung, also die effiziente, weil gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme. Nennen wir die Technik einfach stromerzeugende Heizung. Da müsste jedem Maschinenbauer angesichts geballter Innovation doch das Herz aufgehen. Oder das Geschäftsmodell des Einspar-Contractings: Firmen sanieren fremde Gebäude auf eigene Rechnung und refinanzieren sich dann aus den Energieeinsparungen. Kann man Geld auf attraktivere Weise verdienen als durch Nichtverbrauch? Unsexy ist das nicht.

Kurzum: Es dominiert bislang im Land eine Ignoranz gegenüber der Effizienz - doch die wird nicht mehr lange währen können. Denn es droht der Kollaps der Ökonomie mangels Rohstoffen; die Natur lässt sich eben nicht überlisten. Wer verantwortungsvoll handelt, muss daher Wirtschaft und Gesellschaft schnellstens auf Energieeffizienz trimmen. Für den Weg dorthin braucht es helle Köpfe - und vielleicht auch einen einschlägigen Bundesverband.

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Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.

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