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Debatte EmanzipationDas Glück der Karrierefrau

Kommentar von Georg Seesslen

"Bauernprinzessin", "Geerbtes Glück", "Frischer Wind": Was das Bild von Frauen im TV von heute angeht, war das Biedermeier eine aufregende Zeit.

Klischees, wohin man auch schaut: TV-Serie "Stefanie - Eine Frau startet durch". Bild: ap

D as deutsche Fernsehen zeigt, wie Frauen von heute Sexualität und Ökonomie patent miteinander verbinden. Viel Drehbuchfantasie benötigt man dazu nicht, im Gegenteil: Narrative Vergewisserung mag man so etwas nennen.

Deutsche Frauen im Idealtraum des deutschen Fernsehens erben sehr regelmäßig irgendwo in wuuuunderschöner Landschaft ein feines, kleines Unternehmen, verlieben sich dort in pflegeleichten, arbeitstüchtigen Naturburschen oder finden zurück zur wahren, zur Jugendliebe. Bei der sexualökonomischen Lebensplanung zeigen sie, dass sie aus den Fehlern mit den Loser-Schnarchsäcken daheim gelernt haben, und verbinden perfekt und patent guten Sex mit sozialem Aufstieg. Zwischendurch darf geheult und gelacht werden. Aber nicht zu viel.

Zwei Wochen Einheitskost

Die Ausbeute aus zwei Wochen von Erstsendung und Wiederholungskarrussel: Hamburger Landschaftsarchitektin erbt Weingut bei Barcelona, zieht mit Tochter dorthin und verliebt sich in attraktiven Spanier (dessen Vater, böser Spekulant, erst mal was gegen das neue Glück hat): "Geerbtes Glück" (2004, R: Heidi Kranz). Besitzerin von Luxushotels unternimmt mit Manager-Neffe Reise nach Mexiko, dort trifft sie adelige Jugendliebe wieder (Neffe hat erst mal was dagegen): "Traumhotel-Überraschung in Mexiko" (2005, R: Marco Serafini). Hamburger Unternehmensberaterin erbt Eisdiele in Ligurien: Geschäftsfrau plus genialer Eiskünstler plus Liebe ist gleich Erfolg (alle Welt hat erst mal was dagegen): "Erdbeereis mit Liebe" (2007, R: Oliver Dommenget).

GEORG SEESSLEN

ist Publizist und Filmkritiker. Er lebt in Kaufbeuren und hat über 20 Bücher zum Thema Kino geschrieben.

Tochter erbt Bauernhof und findet in bosnischem Knecht Hilfe und Liebe; die Mutter hat was dagegen: "Bauernprinzessin" (2003, R: Susanne Zanke). Deutsche Frau in Afrika wird von Ehemann vernachlässigt und verliebt sich in Buschpiloten; die Familie hat was dagegen: "Kein Himmel über Afrika" (2005, R: Roland Suso Richter). Alleinerziehende unter der Fuchtel ihrer Eltern findet Platz auf Hausboot und Stelle bei Modefotografen, der sich natürlich in sie, blablabla, und wer hat was dagegen? Jaja, schon gut: "Harriets Traum" (2010, R: John Delbridge).

Wenn es nicht um Tourismus, Erbschaft und neues Glück geht, dann um die alte Geschichte vom sozialen Aufstieg durch Heirat (mit ein bisschen "Powerfrau" im Lebensplan): Glasdesignerin heiratet adeligen Glasschleiferei-Besitzer und muss erkennen, dass er ihr Halbbruder ist. Nach dem raschen Tod des Mannes rettet sie das Unternehmen: "Die Kristallprinzessin" (2001, R: Rolf von Sydow). Empfangsdame eines Konzerns wird aus Herzattackengründen Chefsekretärin, entdeckt, dass ihr Manager-Boss gar keine so kalte Drecksau ist, wie es erst scheint, verliebt sich und verlässt Proll-Freund: "Vorzimmer zur Hölle" (2008, R: John Delbridge).

Erben ist gut, Heimat ist gut

Ähnlich die Konstellation in "Ein Date fürs Leben" (2008, R: Andi Niessner): Alleinerziehende Mitarbeiterin eines Münchner Aktionshauses sucht auf den Rat von schwulem Kollegen neue Beziehung und findet heraus, dass der neue Finanzberater der Firma gar nicht so schnöselig-eiskalt ist: "Frischer Wind" (2009, R: Imogen Kimmel). Vorstandsmitglied verliebt sich in Angestellte der Firma, die gerade unfreundlich übernommen werden soll; "Das Glück kommt unverhofft" (2010, R: Sybille Tafel). Therapeutin und Topmanager wollen jeder für sich Selbstmord begehen und tun sich gewinnbringend zusammen, "Aber jetzt erst recht" (2010, R: Nikolai Müllerschön). Nach dem Tod ihres Verlobten geht Restauratorin in ein Kloster in der Toskana und verliebt sich bei der Wiederherstellung eines Freskos in schmucken Theologiestudenten; die Kirche hat was dagegen ("Gelübde des Herzens", 2003, R: Karola Hattop).

Erben ist gut, Heimat ist gut, "Die Hüttenwirtin" (2010, R: Thomas Jacob) ist noch besser: "Karrierefrau" Sandra erbt Berggaststätte, hat zuerst was dagegen, lernt aber dann feschen Mann kennen. Maja möchte auswandern, trifft aber auf dem Geburtstagsfest der Mutter ihre große Liebe wieder, "Hannas Fest" (2008, R: Peter Weissflog). Natürlich gibt es auch die Seniorenvariante: Nach dem Unfalltod der Tochter und des ungeliebten Schwiegersohns reist Agnes zu den Enkeln nach Mallorca. Dort lernt sie netten Rechtsanwalt kennen, die Enkel haben gegen alles was, nützt aber nichts: "Im Fluss des Lebens (2011, R: Wolf Gremm).

Es handelt sich bei alledem, wohlgemerkt, um aufwändige, spielfilmlange Prestigeproduktionen. Dazu kommen noch Soap, verschiedene Serienformate, die Rosamunde-Pilcher- und die Utta-Danella-Schiene, wo sich, nur zum Beispiel, in "Das Geheimnis unserer Liebe" (2007, R: Gloria Behrens) Uhrmacherbetrieb-Erbin am Starnberger See praktischerweise in den Rechtsanwalt verliebt, der ihr hilft, das Familienerbe nach den Raubtierregeln zu übernehmen. Und das alles gibt's auch durch diverse Traumschiff-, Heimat- oder Komödienwölfe gedreht. Und dann gibt's auch noch Christine Neubauer, nebst sehr, sehr sonderbarer Nachrichten aus einem sehr, sehr sonderbaren, nun ja, Privatleben.

Cinderella träumt im Landhaus

Das Ganze ist nicht nur Kitsch. Es ist der Kitsch des Neoliberalismus, die weibliche Variante. Er dreht das alte Melodrama auf den Kopf und propagiert eine Art ökonomistischer Heiratsfantasie: Wenn Besitz, Karriere und Vermögen stimmen, dann kommt die Liebe von ganz allein. "Irgendwas mit Natur" ist für deutsche Frauen geeigneter als das internationale Finanzkapital. Cinderella 2011 bekommt Tränen in die Augen bei einem Gedanken: Mittelständisches Familienunternehmen, hinreichend kapitalgedeckelt, gerne mit heimatverbundener Tradition, und bitte nichts mit Dreck und so. Und ohne Mann ist auch die "Karrierefrau" nix Halbes und nix Ganzes.

Verglichen mit den Frauenträumen unseres öffentlich-rechtlichen Fernsehens von heute war das Biedermeier eine verdammt aufregende, emanzipatorische, feministische und ehrliche Zeit. Und erst die fünfziger Jahre: Wie progressistisch konnten damals "Schnulzen" sein!

Jaja, es sollte besser sein, sagt die Kritik. Es könnte noch schlimmer kommen, sagt das Gefühl. Es ist, wie es ist, sagt die Struktur.

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12 Kommentare

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  • Z
    Zeitist

    "und bitte nichts mit Dreck und so"

     

    Es sei der köstlichen Kritik an einer Stelle widersprochen und an "Eine für alle – Frauen können’s besser" erinnert.

     

    Ich habe es mir nicht angetan, aber Stefan Niggemeier fasste folgendermaßen zusammen:

     

    "Dabei stammen die Frauen in ihr direkt aus einem Fünfziger-Jahre-Film – außer dass sie nicht Näherinnen, sondern Schweißerinnen sind, und die lebensklugen Sprüche jetzt lauten wie: “Männer kann man sich schönsaufen, Arbeitslosigkeit nicht.” Ununterbrochen schmachten sie irgendwelchen anbetungswürdigen Traummännern hinterher. Der revolutionäre emanzipatorische Akt der ersten Folge besteht darin, dass eine Frau sich einmal nach der Arbeit weigert, noch die Probleme ihrer Familie zu lösen (“Ach wisst ihr was, klärt doch einfach mal was ohne mich”, hoho!). Dass dieselbe kleine Arbeiterin dann für einen Euro die Firma kauft, die von bösen Heuschrecken ausgesaugt werden soll, hat auch nichts mit Klugheit zu tun, im Gegenteil: Frauen sind doch so impulsiv!

     

    Jeden Moment erwartet man, dass Doris Day zur Tür rein kommt und die anderen mit ihrer Modernität überfordert — außer, dass man schon nach Minuten aufhört, überhaupt etwas zu erwarten."

  • W
    Walter

    @Georg

    Warum sehen Sie sich diese Sendungen an?

    Um hier einen Artikel schreiben zu können?

    Bis auf eine kenne ich die Sendungen noch nicht mal vom Titel her.

  • T
    Tim

    Hey, warum soviel Kritik? Das ist die Antwort des Fernsehens auf die Erbengeneration. Eisdiele in Ligurien ermöglicht nur die kleine Flucht vor dem Alltag, der aus einem geerbten Siedlungshaus in der Provinz mit 30 jahre Sanierungsstau und den Erbstreitigkeiten mit jahrelang quasi verschollenen Geschwistern besteht.

  • S
    serap

    wer sich mit filmanalysen im allgemeinen beschäftigt, weiß auch, dass sich nicht nur filme über sogenannte "karrierefrauen" nach schema f ableiten lassen. ich finde kaum, dass man den artikel ernsthaft mit dem titel "emanzipation im fernsehen" in verbindung bringen kann, es sei denn man möchte jegliche formate, die sich mit der genderdebatte befassen, ironisiert in einen topf werfen. enttäuschend, dies von der taz zu lesen.

  • BR
    Boykin Reynolds

    Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer - ein sehr treffender Kommentar! Und ich ärgere mich, dass ich für die ganze Volksverdummung immer noch volle GEZ-Gebühren bezahlen muss, obwohl ich keinen Fernsehempfang mehr habe.

  • DP
    Daniel Preissler

    schöner Kommentar!

  • N
    NormalBürger

    Sehr gut beobachtet Herr Seeslen,

    vergessen wurden bei der Aufzählung nur noch die üblichen "FilmFilm" Abenteuer der heutigen PauerFrau.

    Ständig hüpft eine ach so tolle, intelligente, allesinallem vielvielbessere Frau durchs Bild und klärt die ach so dusseligen Männer auf, wie dämlich die doch so sind. Da darf dann auch mal der männliche Part geschlagen und getreten werden, isja lustich....

    Und NormaloFrau sitzt zu Hause auf dem Sofa und findet sowas total toll. Das ist doch das schlimmste an der heutigen Frauenzentriertheit.

  • L
    Lotte

    Nachdem Bascha Mika ja mal bei der taz Chefredakteurin war, hätte ich schon erwartet, dass etwas mehr Strukturanalyse in dem Artikel steckt. Aber heutzutage ist man ja froh über jede mediale Äußerung, die gegen die Zementierung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse durch Eva-Herrmann-gebrainwashte Leitkulturvertreter mit der klaren Benennung der Tatsachen eintreten. Mehr davon bitte. Nächste Themen: Der neue Sexismus von Heidi Klum bis Charlotte Roche; Warum selbst "Brigitte" die Gleichstellung der Geschlechter torpediert: Opferhaltung, aber gut angezogen; Die wirklichen Abgründe der Integrationsdebatte: Clash of Gender Concepts- wollen wir wirklich nochmal in die 50er Jahre zurück?

  • N
    Nogo

    Ja und für so nen Schmalz fernab jeglicher Realität muss Mensch dann noch GEZ-Gebühren zahlen.

  • F
    FAXENDICKE

    "Wer nichts erheiratet, oder nichts ererbt bleibt ein armer Teufel bis er stirbt!

  • KW
    Kati Wetzel

    Vielen Dank für diesen genial humorvoll vormulierten Text. Er spricht mir aus der Seele.

    Das Schlimme und Fatale ist, dass es quer durch alle Intelligenzschichten geht, in denen solch widerlicher Schmalz konsumiert wird. Bäh....

  • A
    Alekto

    So, jetzt warte ich nur noch auf die ganzen Kommentarschreiber, die alle behaupten, Frauen seien wirklich so (wollen nur Erben, stehen nur auf Männer mit Geld und Status, wollen sich nicht dreckig machen, etc. pp).