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Debatte ChinaberichterstattungSchlechter Umgangston

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Über das chinesische Programm der Deutschen Welle tobt dieser Tage ein heftiger Streit. Er ist symptomatisch für das Verhältnis vieler deutscher Medien zur Volksrepublik.

W enn die Bundeskanzlerin in dieser Woche nach Peking reist, um am asiatisch-europäischen Gipfel (Asem) teilzunehmen, wird sie versuchen, das deutsch-chinesische Verhältnis wieder aufzubessern. Dieser Gipfel ist eine windelweiche Veranstaltung, auf der nicht mit konkreten Ergebnissen zu rechnen ist; seine Beschlüsse sind unverbindlich. Doch seit dem Treffen der Kanzlerin mit dem Dalai Lama vor einem Jahr hat sich das Verhältnis zwischen Berlin und Peking abgekühlt.

Aber nicht nur zwischen den Regierungen kriselt es. Viele Deutsche blicken mit Skepsis auf den wirtschaftlichen Aufstieg des autoritären China und fürchten dabei auch um den eigenen Wohlstand. Viele Chinesen wiederum sehen die Berichterstattung deutscher Medien über China zunehmend kritisch.

Fragte man in Deutschland lebende Chinesen nach ihrer Meinung, so vergriffen sich früher nur einzelne deutsche Medien gelegentlich im Ton - etwa der Spiegel, der mit seiner Titelgeschichte über "Die gelben Spione" alle Chinesen hierzulande unter Generalverdacht stellte oder gar einen "Weltkrieg um Wohlstand" mit dem "Angreiferstaat" China heraufbeschwor und so Ressentiments schürte.

Doch als im März gleich mehrere deutsche Medien ihre Berichte über die Unruhen in Tibet fälschlicherweise mit Bildern von Demonstrationen in Nepal illustrierten, sahen viele Chinesen darin eine antichinesische Kampagne am Werk - und wurden darin von ihrer Regierung unterstützt. Mehrere tausend von ihnen demonstrierten daraufhin in Berlin gegen das, was sie als "Manipulation" hiesiger Medien empfanden.

Diese Medienschelte war insofern einseitig, als sie Chinas Führung von der Kritik aussparte und nicht nach den Ursachen der Unruhen fragte. So erweckten die Demonstranten den Eindruck, von Peking gesteuert worden zu sein. Doch so einfach verhält es sich nicht. Denn Chinas kontrollierte Medien besitzen für viele Chinesen nur geringe Glaubwürdigkeit. Gerade deshalb aber ist es für Peking so wichtig, westliche Medien als unglaubwürdig zu diskreditieren. Auf diesem Umweg hoffen sie die Wirkung der eigenen Propaganda zu erhöhen.

Mitten ins Kreuzfeuer dieser Kontroverse ist nun das chinesischsprachige Programm der Deutschen Welle geraten. Die chinesische Website des deutschen Auslandssenders war in den letzten Jahren in der Volksrepublik meist gesperrt, weil sie dem Regime im Peking ein Dorn im Auge war. Trotzdem geriet die stellvertretende Leiterin des chinesischen Programms, Zhang Danhong, jüngst hierzulande in die Kritik, weil sie sich im Vorfeld der Olympischen Spiele in mehreren öffentlichen Debatten ungeschickt und missverständlich zu den Themen Tibet und Menschenrechte geäußert und dabei den Eindruck erweckt hatte, mit Peking auf einer Linie zu sein.

Die langjährige DW-Mitarbeiterin, sonst nicht als Propagandistin Pekings bekannt, hatte die Internetzensur in China mit dem deutschen Vorgehen gegen Kinderpornografie im Netz verglichen - so ähnlich, wie es übrigens auch der Sportfunktionär Michael Vesper getan hat. Zhang hatte sich noch nicht einmal im Programm des Senders geäußert. Doch als scharfe Kritik an ihr laut wurde, stellte sich die Senderleitung nur halbherzig hinter sie; später beugte sie sich dem Druck und entband Zhang von ihrer Leitungsfunktion.

Für die Propagandaabteilung der chinesischen Regierung war das ein gefundenes Fressen, konnte sie die Abstrafung einer Journalistin, die sich dem geltenden Konsens der Negativberichterstattung über China verweigerte, doch als Beispiel für westliche Doppelmoral im Umgang mit Meinungsfreiheit geißeln. Die Nachrichtenagentur Xinhua sprach sogar von einem wiederkehrenden "Nazi-Geist".

Das wiederum rief die Eiferer auf der anderen Seite auf den Plan. Einige Exilchinesen, darunter prominente Falun-Gong-Aktivisten, sahen die Deutsche Welle bereits von Chinas KP unterwandert und empfanden die Sanktionen gegen deren vormals leitende Journalistin als viel zu halbherzig.

Zu einem Politikum wurde diese Debatte, die mehr einer persönlichen Fehde unter Exildissidenten ähnelte, als sich ein "Autorenkreis der Bundesrepublik" auf die Seite der Kritiker schlug. Auch wenn die meisten der Unterzeichner bis dato kaum etwas von dem Programm gehört haben und auch des Chinesischen kaum mächtig sein dürften, fordern sie doch sogleich eine "ausführliche Überprüfung der Berichterstattung der China-Redaktion" sowie aller Mitarbeiter des Senders. Auch solle dort zur Kontrolle der rechten Gesinnung ein "diktaturimmuner Beobachter" installiert werden, so die zentrale Forderung.

Diese Forderung ist weltfremd und gefährlich. Denn statt einer unabhängigen und pluralistischen Berichterstattung über China, die auch unbequeme Meinungen erduldet und diskutiert und damit Pressefreiheit nach innen vorlebt, wäre ein einseitiger Gesinnungsjournalismus die Folge. Statt kritisches Debattenforum und "Brücke der Völkerverständigung" zu sein, würde die Deutsche Welle damit zu einem Propagandaorgan für die "richtige" Meinung degradiert. Von viel Vertrauen in die Kraft der eigenen Argumente und Werte kündet das nicht.

Natürlich verdienen Chinas Dissidenten unseren Schutz, wenn sie verfolgt werden, und unsere Solidarität, wenn es um ihre Meinungsfreiheit geht. Doch wenn sie fordern, dass nur noch ihre Meinung zählen darf, dann werden sie ihren Verfolgern immer ähnlicher. Dem darf nicht nachgegeben werden, denn auch zu chinesischen Dissidenten müssen deutsche Medien professionelle Distanz halten. Niemand hat die Wahrheit für sich gepachtet.

Die Kritiker der Deutschen Welle stilisieren den Konflikt zu einem Kampf zwischen Meinungsfreiheit und Diktatur. Dabei merken sie nicht, dass sie selbst dabei sind, die Meinungsfreiheit zu gefährden, die sie zu verteidigen vorgeben. Chinawissenschaftler und bekannte Persönlichkeiten wie Helmut Schmidt, die nicht ins allgemeine China-Bashing einstimmen, werden angefeindet. Zu Recht wehren sich so gut wie alle namhaften Sinologen gegen dieses Vorgehen.

Chinas Entwicklung ist zweifellos widersprüchlich. So werden in der Volksrepublik jedes Jahr mehr Menschen hingerichtet als im gesamten Rest der Welt. Zugleich wurden in China in den letzten 30 Jahren auch bis zu 400 Millionen Menschen aus der Armut geholt. Natürlich lässt sich das nicht gegeneinander aufwiegen. Aber im Umgang mit China greift ein simples Schwarz-Weiß-Denken zu kurz - dafür gibt es zu viele Grautöne, die der Einordnung bedürfen.

Guter Journalismus sollte diese Realität in all ihren Facetten und Widersprüchen ausleuchten, denn Chinas Bedeutung in der Welt nimmt zu. Manche Medien und Politiker aber stilisieren das Land lieber zum neuen Feind, den sie für alle möglichen Probleme verantwortlich machen können.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

1 Kommentar

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  • D
    David

    Demokratie - das geht weder von heute auf morgen, noch einfach mal so hopplahopp in einen völlig anderen Kulturkreis exportiert. Daß die VR China große Fortschritte gemacht hat während der letzten Jahrzehnte (das Heben des Großteils eines Milliardenvolkes aus bitterster Armut, gerade zunehmende Individualisierung und Demokratisierung der Gesellschaft, Schaffung eines der mächtigsten Industrienationen der Erde aus Mao'schem Steinzeitkommunismus - all dies wird sehr gerne von anmaßenden Menschen übersehen, die weder den spezifisch-chinesischen Kulturhintergrund erfassen, noch in der Lage sind Chinas Politik und Gemütslage adäquat soziokulturell zu kontextieren. China fair beurteilen, das muß die Maxime sein und schließt durchaus auch Kritik an herrschenden Zuständen mitein.

    Durch Konfrontationshaltung bewirkt man jedenfalls keinerlei Reform in einem Land.