Debatte Burka und Niquab: Säkulare Kleiderordnung
Lange galt Syrien Schurkenstaat. Jetzt verbietet Präsident al-Assad das Tragen eines Schleiers und macht sein Land somit zur Avantgarde im arabischen Raum.
V erkehrte Welt. Unter George W. Bush wurde Syrien einst als Schurkenstaat gebrandmarkt. Doch nun mausert sich das Land unter seinem Präsidenten Baschar al-Assad, der in diesen Tagen gerade sein zehnjähriges Dienstjubiläum feiert, zur arabischen Avantgarde gegen die Gesichtsverschleierung und eine zunehmende Islamisierung der syrischen Gesellschaft. Diese Entwicklung zeigt vor allem eines: dass der Nahe Osten nicht mit jenem Schwarz-Weiß-Denken zu fassen ist, das im Westen so verbreitet ist.
Denn einerseits unterstützt das Regime in Damaskus jeden, der sich den "Widerstand gegen Israel" auf die Fahnen geschrieben hat - darunter auch radikale Islamisten wie die schiitische Hisbollah im benachbarten Libanon oder die palästinensische Hamas, die in Syriens Hauptstadt ihr wichtigstes Exilbüro unterhält.
Andererseits hat in Syrien, das über 50 Religionsgruppen aufweist und von der islamischen Minderheit der Alawiten regiert wird, die Trennung von Staat und Religion eine lange Tradition.
Karim el-Gawhary ist taz-Autor und Korrespondent in Ägypten.
Noch vor zehn Jahren mussten die Schüler an Schulen und Universitäten in Militäruniformen antreten, manche Schülerinnen tauschten am Schultor ihr Kopftuch mit einer khakifarbenen Militärmütze. Doch konservative islamische Strömungen, wie man sie aus der ganzen Region kennt, haben auch vor der syrischen Gesellschaft nicht halt gemacht. So fand der Gesichtsschleier, Niqab genannt, in den letzen Jahren auch in Syrien immer mehr Verbreitung.
Jetzt zieht Baschar al-Assad die Niqab-Bremse. Die Mehrheit der Syrer, die mit der säkularen Tradition aufgewachsen sind, dürfte er auf seiner Seite wissen. In seinem undemokratischen Staat mit seinen staatlichen gelenkten Medien muss er sich aber auch nicht groß rechtfertigen. In einer Diktatur lässt sich so eine Kleiderordnung eben leichter befehligen.
Syriens Entscheidung dürfte vielen Europäern gefallen, die gerade ihre eigenen Debatten über den Gesichtsschleier führen. Das aber ist nicht das Motiv, sondern bestenfalls ein netter Nebeneffekt des Verbots.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin