Gangdauerlinie und Verfügbarkeit
Ganz so einfach, wie BERNWARD JANZING sich das vorstellt, liegen die Dinge nicht. Es ist richtig, zwischen ausbringungsunabhängigen Fixkosten (Kapitaldienst, Lohnkosten, Wartung usw.) und ausbringungsabhängigen variablen Kosten zu unterscheiden. Ein Kraftwerk wird sinnvollerweise immer dann ans Netz gehen, wenn der aktuelle Strompreis, also die erzielbaren Erlöse, momentan höher als die variablen Kosten sind. Das führt bei den sogenannten "Grundlastkraftwerken" dazu, daß sie auch in den Lasttälern weiterlaufen können, denn dann machen sie wegen der niedrigen "Brennstoffkosten" (bei Laufwasserkraftwerken: sozusagen nichts, das Wasser läuft sowieso, entweder über die Turbine oder an ihr vorbei, bei Kernkraftwerken: die sehr niedrigen Urankosten) auch bei Niedrigstpreisen keine Verluste, aber Geld verdienen die natürlich auch nur in den teureren Spitzenlastzeiten, denn bevor sich ein Grundlastkraftwerk rechnet, muß es natürlich über die Deckung der variablen Kosten hinaus auch Fixkostenbeiträge erwirtschaften. Daraus ergibt sich die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit der hohen Gangdauern um die 8000 Stunden herum. (Mehr geht nicht, weil die Kraftwerke einmal jährlich in die Revision müssen und dann einige Zeit stillstehen - bei Laufwasserkraftwerken macht man das gerne in einer niederschlagsarmen Jahreszeit, wenn der Fluß ohnehin wenig Wasser führt, bei Kernkraftwerken auch, weil das Flußwasser zur Kühlung benötigt wird.) Und Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen können auch ohne garantierte Einspeisungsvergütung jederzeit mit Grundlastkraftwerken konkurrieren, denn ihr "Brennstoff" kostet gar nichts, aber nur, wenn überhaupt die Sonne scheint oder der Wind weht.
Und hier kommt der Punkt "Verfügbarkeit" ins Spiel: Unter Marktbedingungen, also ohne garantierte Einspeisungsvergütung, würden sich die "Regenerativen" ihr Geschäft immer selbst verderben. Warum?
Das liegt daran, warum sich Strompreise überhaupt in Abhängigkeit von der Last ändern. Wir hatten schon gesehen, daß ein Kraftwerk immer dann eingeschaltet wird, wenn der Strompreis über die variablen Kosten steigt. Wenn also die jeweils gerade laufenden Kraftwerke alle ausgelastet sind und ihre Leistung nicht mehr steigern können (in der Praxis werden eher einzelne Kraftwerke zu- oder abgeschaltet, man drosselt sie nur ungern), dann kann ein höherer Stromverbrauch nur dann stattfinden, wenn es für eine höhere Gesamtleistung mehr Abnehmer gibt, die auch bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen. Dieses höhere Kaufangebot wird den Betreiber des nächstteureren Kraftwerks veranlassen, es zuzuschalten, d. h. der jeweilige Strompreis entspricht immer genau den Grenzkosten des Grenzkraftwerks - die "billigeren" Anbieter kassieren den dann höheren Preis natürlich auch und dürfen sich darüber freuen - sie brauchen den auch.
Für die Regenerativen gilt aber "immer an", d. h. sie gehen ans Netz, sobald Wind aufkommt oder sich die Sonne zeigt, unabhängig vom Preisniveau. Und dadurch werfen sie genau dann immer prompt und vorhersagbar die teureren Anbieter aus dem Netz, mit der Folge, daß der Preis dann auf die Grenzkosten der nächstbilligeren zurückfällt. (Das ist übrigens davon unabhängig, wieviel Geld die Windmüller und Solarzeller wirklich per Einspeisungsvergütung bekommen: die EVU müssen den Strom abnehmen, er ist "einfach da" und wird deswegen auch rücksichtslos ins Netz gedrückt, notfalls, bis es den Strom dann umsonst gibt, weil alle wahlfrei verfügbaren Kraftwerke abschalten.) Und damit können regenerative Stromerzeuger konventionelle Kraftwerke natürlich nicht ersetzen: Die werden in den Zeiten der Nichtverfügbarkeit Strom zu "gesalzenen Preisen" erzeugen, und davon können die Regenerativen dann auch nicht profitieren.
Die Elektrizitätswirtschaft wünscht sich in diesem Dilemma zwei Dinge: Zum einen disponible Verbraucher, mit denen sie die Lasttäler auffüllen kann, die also dann einschalten, wenn sie das möchte, und zum anderen die Möglichkeit, Lastspitzen zu vermeiden bzw. die Kosten für deren Deckung zu senken. Die Lösung sind Speicher - Strom wird erzeugt, wenn er billig ist, dann "eingelagert" und bei Bedarf abgerufen. Man macht das seit langem mit Pumpspeicherkraftwerken, aber die sind relativ teuer, und es gibt dafür nur begrenzt Errichtungsmöglichkeiten. Eine ganz neue Möglichkeit zum Speichern sind die Traktionsbatterien von Elektrofahrzeugen. Autos stehen die meiste Zeit herum - eine Fahrstrecke von 100.000 km entspricht nur 1000-2000 Stunden Fahrzeit, bei einer Jahresfahrleistung von 20.000 km also nur etwa 200-500 von über 8500 Stunden. Und Elektrofahrzeuge wären in der ganzen übrigen Zeit (ca. 8000 h) ans Netz angeschlossen zum Nachladen.
Natürlich bietet es sich an, die Besitzer einfach an den Preisschwankungen teilnehmen zu lassen, ihnen also Spezialtarife anzubieten, nach denen sie immer in den Schwachlastzeiten günstig nachladen können. Mit den neuen elektronischen Zählern ginge das mehr oder weniger vollautomatisch, der Besitzer teilt dem Bordcomputer einfach mit, wann frühestens (z. B. am nächsten Morgen) er das Fahrzeug wieder vollgeladen benötigt, und der verhandelt dann selbständig mit dem Zähler, wann in der Nacht wie lange mit welcher Leistung geladen wird. Dasselbe könnte dann am Ladeanschluß am Firmenparkplatz geschehen, auch hier wird der Fahrer die volle Batterie erst zum Feierabend benötigen. Und eine weitere Möglichkeit wäre die Rückspeisung: Die Stromversorger würden bei Lastspitzen zwischenzeitlich Strom aus den Fahrzeugbatterien zurück ins Netz holen - zwar mit einigen Umwandlungsverlusten, aber konkurrenzlos günstig im Vergleich zu Spitzenlastkraftwerken (und natürlich den Fahrzeugbesitzern für die Benutzung der Batterie gutes Geld vergüten).
Was würde das im Endeffekt bedeuten? Das würde im Extrem dazu führen, daß die Versorger die Netzlast so steuern können, daß die gesamte nicht-regenerative Stromversorgung _nur_ noch aus Grundlastkraftwerken abgedeckt wird (bei denen es sich dann weitgehend um Kernkraftwerke handeln würde). Das gäbe einen konstanten niedrigen Strompreis rund um die Uhr, den auch die Industrie sehr begrüßen würde. Es würde nämlich einfach so viel Leistung aus Kernenergie erzeugt, daß die im Mittel die Gesamtnachfrage abzüglich der variablen Einspeisungen aus regenerativen Quellen abdecken kann, und die Glättung erfolgt dann über die zahlreichen Batteriespeicher, die die Versorger nicht einmal selbst vorfinanzieren müßten.
Und nun dürfte klar sein, warum Unternehmen wie RWE, die auf riesigen Braunkohlevorräten sitzen, ein Interesse daran haben, die Elektromobilität voranzutreiben. Die Kernenergie wäre dann übrigens wirtschaftlich das Aus für die Regenerativen: Da sie ebenfalls kein CO2 freisetzt, wird niemand dafür Verständnis haben, warum man über Subventionen noch sehr viel teurere WEA und PV-Anlagen finanzieren soll. Die intelligenten Zähler haben das gleiche Ziel: Da sie auch dem privaten Verbraucher signalisieren, wie der aktuelle Strompreis gerade wirklich ist (momentan bezahlt er für jede Kilowattstunde unabhängig vom "wahren" Strompreis an der Börse ungefähr 20 Cent), veranlaßt er ihn natürlich, verschiebbare Belastungen in die billigeren Zeiten zu verlegen, dadurch verschwinden die Lastspitzen.
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