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Debatte ArbeitsmarktRaus aus der Minijob-Falle

Kommentar von Ursula Engelen-Kefer

Minijobs sind eine Armutsfalle. Trotzdem sorgt die Regierung dafür, dass es im kommenden Jahr noch mehr Minijobber geben wird.

Minijobs haben mit Selbstverwirklichung nicht viel zu tun. Bild: dpa

S ie verdingen sich in Garderoben, in Toiletten oder dem Einzelhandel zu Spitzenzeiten. Rund eine Million Rentnerinnen und Rentner arbeiten inzwischen in den sogenannten Minijobs. Schon ihre Beschäftigungsorte zeigen, dass dies mit Selbstverwirklichung im Beruf wenig zu tun hat, sondern schlicht eine Notwendigkeit ist, um die karge Rente aufzustocken.

Die Rentnerinnen und Rentner sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Insgesamt gibt es inzwischen rund 7,4 Millionen Minijobs, die überwiegende Anzahl der Beschäftigten sind Frauen. Zwei Drittel von ihnen müssen für einen Stundenlohn unter 7 Euro arbeiten, ein Drittel sogar für weniger als 4 Euro. Für 4,7 Millionen Menschen sind Minijobs die Haupteinkommensquelle, während 2,7 Millionen Beschäftigte diese Tätigkeit im Nebenjob oder als Schüler und Studenten ausüben.

Minijobber stellen den Hauptanteil bei den sogenannten Aufstockern, das heißt den Arbeitnehmern, die zusätzlich zu ihrer Arbeit Hartz IV beziehen müssen, um überhaupt leben zu können. Dies bedeutet für die Steuerzahler, eine groß angelegte Subventionierung der Löhne zahlen zu müssen, für die Arbeitgeber ist es dagegen ein probates Mittel zur Personalkostensenkung.

Bild: Archiv
Ursula Engelen-Kefer

ist Honorarprofessorin an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit und Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialversicherung beim Sozialverband Deutschland. Bis 2006 war sie stellvertretende DGB-Vorsitzende.

Noch mehr Minijobs

Minijobs sind daher eine Armutsfalle bei Arbeit und im Alter. Trotzdem tut sich in kaum einem arbeitsmarktpolitischen Bereich so wenig wie hier. Im Gegenteil: Die schwarz-gelbe Koalition hat gerade erst gegen die Stimmen der Opposition die Anhebung der Einkommensgrenze auf 450 Euro beschlossen, die zum 1. Januar 2013 in Kraft tritt. Eine weitere Ausdehnung der Minijobs ist daher zu befürchten. Auch bei der SPD sind Minijobs kein großes Thema.

Dabei hatten sich sowohl CDU als auch die Sozialdemokraten auf ihren jüngsten Parteitagen, die nächsten Bundestagswahlen fest im Blick, zur Bekämpfung der Altersarmut verpflichtet. Die SPD rückte in ihrem Rentenkonzept den Zusammenhang zwischen prekärer Beschäftigung und Niedriglöhnen in den Mittelpunkt. Als Gegenmaßnahmen schlägt sie die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen sowie „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ für die etwa 900.000 Leiharbeitnehmer vor.

Rentenkonzepte wie die Zuschuss- oder Lebensleistungsrente Ursula von der Leyens, die Solidarrente der SPD oder die Garantierente der Grünen versprechen eine Aufstockung der Niedrigrenten auf etwa 850 Euro für langjährig beschäftigte Geringverdiener. Allerdings springen sie erheblich zu kurz und daneben, wenn sie sich an der Minijob-Realität vorbeimogeln.

Frauenquote reicht nicht

Ebenso wenig überzeugend ist die gerade vor wichtigen Wahlen wieder laut werdende Empörung bis in die Spitzen der politischen Parteien über die anhaltende Lohndiskriminierung von Frauen. Selbst aus Brüssel erschallt regelmäßig der Ordnungsruf der zuständigen Kommissarin, Viviane Reding, mit der Androhung einer europaweiten Frauenquote für die Top-Etagen der Konzerne. Der Aufschrei der Wirtschaftsverbände folgt auf dem Fuße.

Aber so notwendig eine wirksame Frauenquote auch ist, so unerlässlich bleibt es, für die große Mehrheit der Frauen auf den unteren und mittleren Ebenen des Arbeitsmarktes bessere Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Vor allem muss ihr Abdrängen in die Minijob-Domäne beendet werden. Dies ist keine Brücke, nicht einmal ein gangbarer Steg in die reguläre Beschäftigung mit beruflichen Entwicklungsperspektiven. Im Gegenteil: Gerade erst hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestätigt, dass Minijobs reguläre Beschäftigung verdrängen.

Für Frauen, die nach der Familienphase wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren, gibt es derzeit aber häufig keine anderen Arbeitsmöglichkeiten als Minijobs. Dies ist bei allen Tätigkeiten mit leicht auswechselbaren Arbeitnehmern der Fall – vor allem im Gaststättenbereich und im Einzelhandel, aber auch in den Gesundheits- und Pflegeberufen, obwohl dort ständig der Personalnotstand ausgerufen wird. Viele Frauen wollen jedoch reguläre Teilzeitarbeit mit höherem Einkommen.

Unabdingbar ist daher, die durch die Hartz-Gesetze aufgerissenen Minijob-Schleusen wieder zu schließen. Zumindest sollten die zuvor geltenden Höchstarbeitsstunden wiedereingeführt und auf 15 in der Woche begrenzt werden. Zusammen mit der Einführung gesetzlicher Mindestlöhne könnte so Lohndumping durch Minijobs verhindert werden. Darüber hinaus sollten die Arbeitszeiten und Verdienste von Haupt- und Minijobs für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge zusammengerechnet werden – wie es ebenfalls vorher galt.

Nur ein Zuverdienst

Eine nachhaltige Beseitigung der Minijob-Falle ist jedoch nur möglich, wenn diese Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen vollständig beendet wird. Nur dann können die Anreize zur Aufstückelung von Vollzeit- und Teilzeitstellen beseitigt werden. Für Arbeitnehmer entfiele die Versuchung, durch Arbeit „brutto für netto“ Sozialversicherung und Steuern zu sparen, was sie mit niedrigen Löhnen und Renten bezahlen müssen. Für die Sozialversicherungen würden die milliardenschweren Ausfälle bei den Einnahmen beendet, die jetzt von den übrigen Beitragszahlern getragen werden müssen und zu schlechteren Leistungen führen.

Als Ursache für die fehlende Eindämmung der Minijobs sollte das immer noch in Teilen der besser verdienenden Gesellschaft vorherrschende Familienkonzept, gemäß dem die Erwerbstätigkeit von Frauen lediglich Zuverdienst ist, nicht unterschätzt werden. Die Frauen können sich dabei der Familientätigkeit voll widmen und dem besser verdienenden Partner für seine berufliche Karriere den Rücken frei halten.

Dieses Schema zieht sich ebenfalls durch die Spitzen von Parteien und Gewerkschaften, sodass auch sie die Eingrenzung der Minijobs mit spitzen Fingern vor sich herschieben. Es ist höchste Zeit, dass die Frauen in den Parteien und Gewerkschaften es endlich durchsetzen, dass die Abschaffung der Minijob-Falle auf der politischen Wahlagenda obenan steht.

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5 Kommentare

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  • W
    wauz

    Frau Engelen-Kefer interessiert nicht

     

    Auf ganze 4 Kommentare hat sie es gebracht. Dabei hätte man annehmen müssen, angesichts der steigenden Zahl der prekär Lebenden, dass sich hier eine lebhafte Debatte entwickelt.

    Das Schweigen der Kommentatoren scheint mir vielsagend zu sein.

  • S
    Synoptiker

    Hallo, Fr. Engelen-Kefer,

    wenn Sie jetzt bei der TAZ nacharbeiten, dann müssen Sie sich fragen lassen, haben Sie während Ihrer aktiven Zeit als Gewerkschafterin die richtigen Schwerpunkte gesetzt? Die durch die Hartz-Gesetze aufgerissenen Mini-Job-Schleusen heute wieder zu schließen, wie Sie es jetzt fordern, ist mit der Aufgabe in der katholischen Kirche vergleichbar, dort die einmal beschlossenen Dogmen wieder abzuschaffen. Viele Menschen sagen, die Entwicklung, wie sie heute ist, war absehbar. Ihnen und den Gewerkschaften fehlte lediglich der Mut, sich der Agenda 2010 von G. Schröder und seiner neoliberalen Blender-Truppe entgegen zu stellen. Was Ihnen heute an Wiedergutmachung bleibt, sich von dieser SPD loszusagen und für wirklich alternatives linkes Denken einzutreten.

    Die einzige Partei die im Sinne des kleinen Mannes Kurs gehalten hat ist Die Linke, dafür hat sie mit Ausgrenzung bezahlen müssen. Auch hier hat der DGB eine Bringschuld, wenn auch eine geringere als die überhebliche SPD-Spitze!

  • M
    Maria

    Was hat die Autorin denn während ihrer Zeit beim DGB für das Thema getan ? Gleichstellung ist für sie nach meiner Beobachtung nur ein Lippenbekenntnis.

  • PU
    Peter Unlustig

    Ein zutreffender Artikel von Frau Engelen-Kefer. Allerdings auch keine weiteren positiven Neuigkeiten aus diesem Bereich. Urban Priol brachte es in seinem satirischen Jahresrückblick etwa so auf den Punkt: Vor Jahren sprach man von wohlverdientem Ruhestand, wenn es um die Rente ging. Heute "zerbrechen" sich unsere Politiker die Köpfe, wie Rentner mehr abgabenfrei dazu verdienen können. Das sagt sehr viel über unsere Gesellschaft bzw die herrschende Politik. Wer ohne Not die Rentenbeiträge senkt und gleichzeitig von entstehender Altersarmut spricht ist eben auch total verlogen! Klientelpolitik in Reinform und die "Opposition" aus rot-grün schweigt und unterstützt den von ihr beschrittenen Weg unbeirrt.

  • D
    Detlev

    "… es gibt inzwischen rund 7,4 Millionen Minijobs, die überwiegende Anzahl der Beschäftigten sind Frauen. Zwei Drittel von ihnen müssen für einen Stundenlohn unter 7 Euro arbeiten, ein Drittel sogar für weniger als 4 Euro. Für 4,7 Millionen Menschen sind Minijobs die Haupteinkommensquelle ..”

     

    1. Gewerkschaften haben das Thema gar nicht auf der Tagesordnung.

     

    2. Minijobs sind klassische Instrumente gegen die Organisierung von Beschäftigten, weil nur ein Minibruchteil dieser Jobs entlang von Tarifverträgen oder gewerkschaftlichen Regelungen existiert

     

    3. Politische Parteien (SPD, CDU, CSU, FDP und sogar z.T. die Grünen) unterstützen die Aufweichung der Arbeitsverhältnisse, die durch Tarifverträge oder/und gewerkschaftliche Regelungen definiert sind, die Folge sind nicht nur sinkende oder stagnative Löhne, sondern auch sinkende Steuereinnahmen.

     

    4. Ursula Engelen-Kefer hat Recht, geht aber nicht weit genug: Minijobs müssen auf das Niveau zurückgeführt werden, dass sie mal hatten: Taschengeld für Hausfrau/Mutter.

     

    Wo könnte die Grenze liegen?

     

    Bei 100 oder 150 EURO pro Monat plus Mindestlohn für jede Arbeit bei 9,50 EURO pro Stunde.

    Alles andere nagt am echten Arbeitsmarkt, wirkt sich als nicht sichtbarer Zerstörungstorpedo für soziale Sicherungssystem aus, denn es sind bereit 7,4 Mio. Arbeitnehmer in diesen Jobs, bei ca. 30 Mio. Beschäftigten insgesamt, von den ca. 1,4 Mio. auch noch Aufstocker sind, also sich im Hartz-Bezug befinden. (Es könnte gut und gerne ca. 10 Mio. Menschen in Jobs stecken, die nicht auskömmlich sind bzw. die auf jeden Fall zur Renten-Armut führen müssen) Und, ja, es werden 2013 mehr solche Jobs entstehen, weil sie entstehen können. Und darauf weist Engelen-Kefer zu recht hin.

     

    Aber Engelen-Kefer sollte zuerst mal zu ihren DGB-Gewerkschaften gehen und denen diese Zahlen mit der nötigen Nachhaltigkeit um die Ohren hauen und aus der SPD austreten, denn diese Partei arbeitet für dieses ‚System‘ und alles, was die störrt, ist, dass der/die Bundeskanzler/in weniger verdient als mancher Sparkassendirektor in Köln oder Hattingen. Sie würden das auch nicht ändern oder behaupten sogar, sie könnten das gar nicht ändern, weil sonst der Aufstand des kleinen Mannes drohe ... (Auf Deutsch: Wir sind nicht zuständig)