„Dead Zone“ auf Arte: Apokalyptischer Horror
Kurz vor der US-Präsidentschaftswahl zeigt Arte einen Thriller. Was 1983 als „überzogen“ galt, ist heute erschreckend realistisch.
Versteht man das TV-Programm von Arte zwei Tage vor der US-Präsidentschaftswahl als Kommentar auf die Weltlage, dann schaut’s nicht gut aus, gelinde gesagt. „Dead Zone“ kam damals, 1983, als apokalyptischer Horrorschocker fern jeder Realität daher.
Schon allein, weil seine Macher explizit Spezialisten in Science-Fiction-Horror sind: Romanvorlage und Drehbuch von Stephen King, verfilmt von David Cronenberg.
Mittendrin ein Präsidentschaftskandidat, der daherkommt wie ein sascha-hehniger Sunnyboy, aber schlimmer ist als der schlimmste James-Bond-Bösewicht. Treppenwitz der TV-Geschichte: Gespielt wird die Figur von Martin Sheen, der in der TV-Serie „The West Wing“ gut zehn Jahre später der moralisch einwandfreie Präsident Jed Bartlett sein würde. Sein Demagogen-Präsident in „Dead Zone“, kommentierte die New York Times damals, sei nun wirklich „überzogen“.
Dessen Plan, kurz zusammengefasst: ein Atomkrieg, die Hand schon auf dem Knopf. Dass er das vorhat, ist nur einem anderen klar: dem Allerweltstypen Johnny Smith (gespielt vom unfassbar jungen Christopher Walken). Nach einem Autounfall lag er fünf Jahre im Koma, nun ist irgendwas in seinem Kopf falsch verdrahtet, jedenfalls kann er die Zukunft jener Personen sehen, denen er die Hand gibt. Und vorab eingreifen, um die Zukunft zu verändern. Egal ob es um Unfälle von Kindern geht oder Mord. Oder eben: Massenmord mittels Atomwaffen. Wie der, den der irre Präsident verüben wird, wenn er dann konsequenterweise im Amt sein wird.
Eigenes Horror-Szenario
Der Spannungsbogen kreist also um die Frage, ob Smith es schafft. Oder selbst nur als armer Irrer abgestempelt wird. Weil keiner seine warnenden Vorhersagen glauben will. Sie klingen nun einmal sehr unrealistisch, der Grat zwischen Verschwörungsideologie und klarer Analyse ist dünn.
Auch die bombastische Filmmusik – von keinem geringeren als Michael Kamen („Brazil“, „Memento“, „Die drei Musketiere“) – lässt daran keinen Zweifel.
Tja, „überzogen“. Wie sich die Wahrnehmung dieses Begriffs in Sachen USA dann doch verändert hat, lässt sich anhand dieses Films hervorragend nachvollziehen. Denn in diesen Tagen entwerfen schon ehrwürdige Blätter wie The Atlantic, die New York Times oder der New Yorker ihre eigenen Horror-Szenarien, die alles von bewaffneten Milizen vor US-Wahllokalen bis hin zu einem „Auto Coup“ des Präsidenten als sehr realistisch erscheinen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins