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De Maizière will InternetsperrenNetzcommunity und FDP enttäuscht

Der Plan von Innenminister de Maizière, Internetsperren doch noch zu ermöglichen, verärgert die Netzgemeinde - und die FDP, die auf den Koalitionsvertrag pocht.

Constanze Kurz vom CCC: "Diese gestrige Haltung ist schade." Bild: dpa

BERLIN taz | Mit seiner Ankündigung, nun doch Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornografie ermöglichen zu wollen, hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) neuen Streit in der Koalition ausgelöst. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erinnerte an die Koalitionsvereinbarung: "Ich gehe davon aus, dass diese für Liberale zentrale Vereinbarung zwischen Union und FDP nicht aufgekündigt wird, erst recht nicht beiläufig etwa in einem Tageszeitungs-Interview."

De Maizière hatte sich im Gespräch mit der taz dafür ausgesprochen, sowohl das Löschen als auch das Sperren von kinderpornografischen Seiten im Netz zu ermöglichen. Das Argument von Kritikern, durch eine Sperrliste werde eine Zensurinfrastruktur geschaffen, wies er zurück.

Gleichzeitig zog sich de Maizière mit seinem Vorstoß den Unmut der Internetgemeinde auf sich - dabei wollte er eigentlich mit einer Reihe von Netzdialogen auf diese zugehen. "Es ist enttäuschend, dass nach einer langen Debatte so eine gestrige Haltung zutage tritt", sagte Constanze Kurz vom Chaos Computer Club, die an einer der Dialogveranstaltungen teilgenommen hatte. Sperren seien kontraproduktiv, sagte sie.

"Es zeigt sich, dass de Maizière in den entscheidenden Fragen beratungsresistent ist", sagte Markus Beckedahl von netzpolitik.org, der ebenfalls am Dialog mit de Maizière teilgenommen hatte. "Offenbar haben die Veranstaltungen nichts gebracht." Er überlege deshalb, ob es noch sinnvoll sei, zu den weiteren geplanten Treffen zu gehen.

Die Internetsperren waren noch unter Schwarz-Rot verabschiedet worden. Union und FDP hatten dann im Koalitionsvertrag vereinbart, die Sperrung von Kinderporno-Seiten für mindestens ein Jahr auszusetzen. Stattdessen soll die Polizei versuchen, das Material löschen zu lassen. In einem Brief an den Bundespräsidenten hatte die schwarz-gelbe Regierung ein neues Gesetz angekündigt, das dem Grundsatz Löschen statt Sperren folgt.

Ein Vorstoß der EU-Kommission von Ende März, europaweit Sperren vorzuschreiben, hat nun zum Umdenken im Innenministerium geführt - zum Unmut der Liberalen. "Diese Bilder und Filme sind zu löschen, nicht zu sperren", sagte die Innenexpertin der FDP-Fraktion Gisela Piltz. "Sperren ist nicht nur weniger wirksam, sondern auch viel fehleranfälliger und rechtsstaatlich kaum kontrollierbar."

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10 Kommentare

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  • SV
    Sid Vicious

    Was bitteschön war von der Dumpfbacken-CDU anderes zu erwarten? Moderner Zeitgeist und Up To Date sein manifestiert sich in ACDC-Zappelmaxe-Einlagen im Bayernzelt! Geht es jedoch um aktuelle Fragestellungen, die eine moderne Kommunikationsgesellschaft nun mal so mit sich bringt, offenbart sich deren steinzeitlich, ewig-gestrige Gesinnung! Christ-Demokratisch heißt Rewgulierwut! Es sind konservative Mehrheiten in der EU, die uns die Eurokratur bescheren! Weg mit diesem Bonzen-Muff von gestern!!!

  • AL
    Anna Luehse

    Experten haben festgestellt:

     

    DAS INTERNET SCHÄNDET KEINE KINDER!

     

    Ganz vergessen: Die entführten Kinder (TAUSENDE jährlich), deren Folterungen nicht filmisch dokumentiert werden.

     

    "Der BUND DEUTSCHER KRIMINALBEAMTER (BDK) hat in scharfer Form Äußerungen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries kritisiert, die in einem Fernsehinterview von „Eigengebrauch“ kinderpornografischen Materials gesprochen und den Besitz von Kinderpornos damit in erschreckender Form verharmlost hatte."

    http://www.anti-kinderporno.de/seite/presseBDK.php

     

    Brigitte Zypries im Interview:

    „Wenn man eine Mindeststrafe auswirft, dann wird das Delikt ein Verbrechen und man kann nie sagen, daß der Besitz von bestimmten Bildern ein Verbrechen ist, denn normalerweise sagen wir in unserem Land, das was man zum Eigengebrauch hat, das ist nicht so strafwürdig, wenn es überhaupt strafwürdig ist, wie das was man dealt, was man weitergibt. Das ist ein Phänomen, das kennen wir bei Rauschgift, wo es eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt zum Eigenverbrauch. Und das kennen wir auch in anderen Bereichen.”

     

    Die in Portugal verschwundene kleine Britin Maddie McCann sei “ein absoluter (!!) Ausnahmefall”.

    http://www.tagesschau.de/ausland/justizminister6.html

     

    "Hinter dem Ganzen steckt ein fein gewebtes und vor allem umfassendes Netzwerk, das sich von der Polizei bis in die Regierung und die Justiz zieht"

    http://welt.de/welt_print/article3028080/

    Portugal-ist-ein-Paradies-fuer-Paedophile.html

     

    "Was waren noch gleich Browser?"

    (Michel Nihoul)

  • A
    agtrier

    Nun bekommen dir Pädos also doch noch ihre behördlich zusammengetragene Liste besonders empfehlenswerter Seiten. Oder glaubt hier irgend jemand, dass man so eine Sperrliste in Zeiten von Web 2.0 und Sozialer Netzwerke lange geheim halten kann?

  • S
    S.Beyer

    Ich weiß nicht ob das Kreise ziehen wird das Dilletanten soviel Einfluss auf die Netzstruktur nehmen können. Dann hat das Internet seinen Reiz für mich verloren und ich für meinen teil werde wenn es wirklich dazu kommt meinem Provider eine Kündigung für meine DSL Verbindung schicken. Meine Vertragsbindung läuft aus und ich wechsel zu einem Anbieter mit Monatlicher Kündigungsfrist(und GEZ fällt dann auch weg denn das Fernsehen hab ich mir schon vor über 10 Jahren abgewöhnt)Die Politiker können einem wirklich alles vermiesen!

  • C
    cgb

    Auf gulli.com ist ein schöner Satz eines Vertreters der Unterhaltungsindustrie zu lesen:

    "Kinderpornografie ist großartig. Es wird wunderbar werden, da Politiker Kinderpornos verstehen. Und indem diese Karte gespielt wird, können wir sie dazu bringen, dass sie Seiten blocken. Und wenn sie einmal damit angefangen haben, kriegen wir sie auch dazu, Filesharing-Seiten zu blocken"

     

    Quelle: http://gulli.com/news/kinderpornographie-als-vorwand-2010-04-28

  • G
    gaijinette

    Hab' fürs erste genug zum Thema gesagt (if published) auf der hier verlinkten Interviewseite.

     

    Ansonsten: Bliebe zu hoffen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger entpuppte sich als trojanisches Pferd in der Koalition. Ist ja bekannt, wie das ausging...

     

    ... also mein Appell an Sie, Frau L.-S.: Bitte die FDP-Tradition des Einsatzes für Menschenrechte re-aktivieren... ach so ja: Im Inland (BRD).

     

    --gaijinette

  • ZZ
    Zensursula zu Zensière

    Zwischen dem Beschluss der CDU, auf eine Internet-Zensur zu verzichten, ganz im Widerspruch zu ihrem eigenen Gesetz, und dem Vorschlag der EU-Kommission lag so wenig Zeit, dass es höchst fraglich ist, ob in der CDU wirklich ein Sinneswandel stattgefunden hat. In der EU werden solche Entscheidungen nicht innerhalb weniger Wochen beschlossen; auch nicht in der EU-Kommission.

     

    Statt abzuwarten bis man mal wieder der EU-Kommission den schwarzen Peter für eine von der Bevölkerung abgelehnte EU-Richtlinie zuschieben kann, hat de Maizière die so verlockend hervorstehende Karte doch gezogen. Ha, ha! Mal sehen wie das Spiel für ihn ausgeht.

     

    Wenn die Zensur in der EU erst einmal akzeptiert wird, dann stehen die Verlierer schon fest.

  • M
    Michel

    Thomas le Zensière.

  • B
    bempo

    Genauso habe ich es von den rechten CDU-Puffels erwartet... und alles andere hätte mich überrascht. Was glaubt Ihr denn, wer uns da regiert? CDU-light gibts nicht!

  • B
    berndwand

    internetsperre ist das dämlichste wort aus den letzten jahren. das hört sich nach totaler ahnunglosigkeit an.möchte wirklich mal gerne wissen wie de maizière und seine online-laien sich das vorstellen.