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Dayton-Verfassung abschaffen?Verblüffende Wende in Bosnien

Nach einer Erklärung der drei wichtigsten bosnischen Politiker könnte die ethnische Teilung des Landes überwunden werden. Hat der bosnische Serbe Dodik seine Politik radikal geändert?

Einst hartnäckiger Streiter für die Republika Srpska: Milorad Dodik. Bild: reuters

Dem Moderator des in Bosnien beliebten politischen Magazins "60 Minuten" verschlug es die Sprache. "Dies ist wohl ein historischer Augenblick," stammelte Bakir Hadziosmanagic. Damit war eine denkwürdige Diskussion zu Ende gegangen. Ihr Gegenstand: nichts weniger als die Abschaffung der Verfassung von Dayton und eine nichtnationalistische Struktur des Staats Bosnien und Herzegowina.

Vorrausgegangen war ein Treffen der wichtigsten Vertreter der drei Volksgruppen am Montag in Banja Luka: dem Ministerpräsidenten der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, dem Vorsitzenden der bosniakischen Partei der Demokratischen Aktion (SDA), Sulejman Tihic, und dem bosnischen Vorsitzenden der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), Dragan Covic. Dabei wurde ein Rahmen für eine neue Verfassung gesteckt, die Bosnien und Herzegowina in vier multiethnische Wirtschafts- und Verwaltungsgebiete aufteilen soll. Schon Ende November hatten die drei in Prud eine Übereinkunft über die Aufteilung des Staatsvermögens erzielt und eine erste Annäherung erreicht.

Sollte die am Montag getroffene Absichtserklärung tatsächlich umgesetzt werden, bedeutete dies das Ende der ethnischen Teilung. Vor allem Dodik hätte dann eine politische Kehrtwende vollzogen, hatte er doch in den vergangenen Jahren die Existenz der Republika Srpska hartnäckig verteidigt und immer wieder mit einer Volksabstimmung über die Loslösung der serbischen Teilrepublik gedroht. Im Einzelnen heißt es in der gemeinsamen Erklärung: "Bosnien und Herzegowina ist ein souveräner Staat in seinen international anerkannten Grenzen."

Der künftige Staat soll aus drei Ebenen bestehen. Unterhalb des gemeinsamen Gesamtstaates werden vier Regionen gebildet: Die Herzegowina (Mostar), Westbosnien (Banja Luka), Ostbosnien (Tuzla) und Zentrum (Sarajevo). Die Sonderzone Brcko bliebe in der Verantwortung des Gesamtstaats. Die dritte Ebene bilden die Gemeinden.

Würde dieser Vorschlag tatsächlich durchgesetzt - das Parlament muss mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen - wäre die Verfassung von Dayton überwunden. Das Friedensabkommen von 1995 wurde damals zur neuen Verfassung erklärt. Danach wurde ein schwacher Gesamtstaat geschaffen und das Land in zwei ethnisch definierte sogenannte Entitäten aufgeteilt, in die etwa gleich große serbische Teilrepublik "Republika Srpska" und die bosniakisch-kroatische Föderation.

Andere prominente Politiker meldeten sogleich Zweifel über die Ernsthaftigkeit von Dodik an. So vermutete das Mitglied der Präsidentschaft, der Vorsitzende der Partei für Bosnien und Herzegoswina, Haris Silajdzic, während der Fernsehdebatte, Dodik wolle nicht die Republika Srpska aufgeben, sondern nur die bosniakisch-kroatische Föderation in zwei ethnisch definierte Gebiete aufspalten. Auch der Vorsitzende der bosnischen Sozialdemkraten, Zlatko Lagumdzija, sieht diese Gefahr, will der Erklärung der Politiker aber eine Chance geben. Sulejman Tihic sagte, mit den von ihm angeregten Gesprächen auf dem richtigen Weg zu sein. "Wir müssen handeln, dürfen nicht nur wehklagen."

Dodik beeilte sich in der Tat, nach der gemeinsamen Erklärung serbischen Medien mitzuteilen, die Existenz der Republika Srpska sei nicht gefährdet. Trotzdem erklärten serbische Nationalisten, so die Führung der Nationalpartei SDS, er sei ein "Verräter an der Republika Srpska".

Der Schwenk des als sprunghaft und widersprüchlich geltenden Dodiks ist für den in Banja Luka lehrenden Philosophen Miodrag Zivanovic völlig überraschend gekommen. "Auf dem Balkan ist alles möglich, ich bleibe aber skeptisch, vielleicht ist alles nur Kosmetik", sagte er. Zivanovic hatte schon 1996 gefordert, Bosnien nach den jetzt genannten historisch gewachsenen Regionen aufzuteilen, in der keine Volksgruppe die absolute Mehrheit hat.

Der am Wochenende zurückgetretene, allerdings noch kommissarisch tätige Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Miroslav Lajcak, erklärte, wenn eine multiethnische Verwaltungsstruktur geschaffen würde, hätte er keinen Grund, dagegen einzuschreiten. Am 23. Februar wollen die drei bosnischen Politiker weiter über die Verfassung verhandeln.

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3 Kommentare

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  • M
    Mladen

    Anscheinend wurde vom Verfasser da was falsch verstanden. Es geht mehr darum das die Kroaten in Bosnien einen Teilstaat wie die Rep. Srpska erhalten. Es wurde nie um die verschiebung der Grenzen der Resp. Srpska gesprochen. Aber wie man sich gewohnt ist Bosnien hat jeder der drei Politiker eine andere Meinung was sie da unterschrieben haben. Es stellt sich immernoch die Frage ob so ein Land Zukunft hat? In nichts aber absolut nichts können die sich einigen...

  • N
    Nenad

    Hier höre ich zum ersten mal, dass das Abkommen vorsieht, dass Bosnien und Herzegowina in diese Regionen aufgeteilt werden soll. Dies wäre für alle drei Beteiligten eine 180°-Wende. Dodik fordert eine Stärkung der Republika Srpska, Čović fordert ständig ein Gleichberechtigung der Kroaten und ein kroatische Entität. Auch würde es mich wundern wenn Tihić, ein Konservativer, ein bosniakischer Nationalist, für multiethnische Regionen wäre, wie sie hier genannt sind.

     

    Herr Rathfelder, ich halte es für sehr viel wahrscheinlicher, dass diese "Überraschung" und "Sprunghaftigkeit" der Beteiligten, wie sie im Text geschildert werden, mal wieder bloß die Kollision Ihrer Projektionen mit der Wirklichkeit sind.

     

    Wenn man die Beteiligten und ihre in der Vergangenheit geäußerten politischen Ziele betrachtet (Und ich halte keinen der drei für besonders sprunghaft.) dann halte ich es am wahrscheinlichsten, dass die Republika Srpska (Banja Luka) fortbestehen wird als eine der vier Regionen, während die Föderation in ein kroatischen (Mostar) und ein bosniakischen (Tuzla) Teil gespalten wird. Dazu kommt noch Sarajevo (als multiethnisches Feigenblatt). Ich hielte diese Aufteilung für vorteilhaft, weil sich dann auch die Kroaten und Bosniaken stärker auf alltägliche wirtschaftliche Angelegenheiten kümmern könnten, ohne ständig nebenher auch Konflikte zwischen den beiden Völkern lösen zu müssen. Man könnte die Verantwortung für Probleme nicht mehr pauschal dem anderen Volk zuschieben.

  • M
    mak

    der liebe autor hat es vielleich nett gemeint aber mit dem artikel und titel "wende" übertrieben....es gab unzählige solcher treffen in Bosnien und die worden nicht eingehalten, denn dodik verspricht das eine und setzt aber parallel seinen eigenen plan um - dieser lautet "republika srpska über alles"