David Camerons EU-Rede verschoben: Der Premier schweigt gerne weiter

Erneut verschiebt Großbritanniens Premier Cameron seine Rede zur EU. Doch einige Auszüge sind bereits öffentlich. Dort wird vorm Abdriften aus Europa gewarnt.

Lippen zu und durch: David Cameron sagt vorerst nichts. Bild: dpa

DUBLIN taz | David Cameron hat seine mit Spannung erwartete Grundsatzrede zur Europäischen Union wegen der Algerienkrise verschoben. Der britische Premier sagte am Donnerstagabend seine Reise nach Amsterdam ab, wo er die Rede vor Unternehmern halten wollte. Stattdessen berief er in London seinen Krisenstab ein, um über die Geiselnahme in Algerien zu beraten, von der auch Briten betroffen sind. Die EU-Rede will er nachholen, sobald die Krise vorbei ist.

Teile der Rede hat er jedoch vorab veröffentlicht. Großbritannien werde „in Richtung Ausgang“ abdriften, falls bestimmte Machtbefugnisse der EU nicht auf Großbritannien zurückübertragen werden, heißt es in dem Manuskript: „Die EU gilt immer mehr als ein Gebilde, das den Bürgern etwas antut, statt sich für ihre Belange einzusetzen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Maßnahmen zur Lösung der Wirtschaftsprobleme.“

Die Menschen hätten genug davon, dass sie von den Entscheidungsprozessen immer weiter entfernt seien, meint Cameron, während ihre Steuern und die ihnen aufgezwungenen Austeritätsmaßnahmen dazu dienten, Regierungen am anderen Ende des Kontinents zu helfen.

In den Auszügen steht nichts über Neuverhandlungen des britischen Verhältnisses zur EU. Auch von einem Referendum über den Verbleib in der EU ist keine Rede. Cameron sieht drei Herausforderungen für die EU: die Eurokrise, die schwache Wettbewerbsfähigkeit und den Mangel an demokratischer Rechenschaftspflicht. Wenn man diesen Herausforderungen nicht begegne, würden diejenigen in Großbritannien gestärkt, die aus der EU austreten wollen.

Druck von zwei Seiten

Er meint damit vor allem seine Hinterbänkler. Sie sitzen ihm seit seinem Amtsantritt als Parteichef im Nacken und verlangen klare Worte zu Europa. Cameron kann dabei nur verlieren: bei seiner Partei, seinen Amtskollegen in der EU und mit seinem Kompromisskurs sogar bei beiden.

So hat er die Rede immer wieder aufgeschoben. Zuerst wollte er sie im vorigen Sommer halten, dann vor Weihnachten und zuletzt kommenden Dienstag. Da schritt Kanzlerin Angela Merkel ein: Dienstag sei der 50. Jahrestag des Élysée-Vertrags zwischen Deutschland und Frankreich. Die Feier wolle man sich nicht durch eine EU-kritische Rede verderben lassen. So zog Cameron seine Rede vier Tage vor, bis ihm die Krise in Algerien einen Strich durch die Rechnung machte.

Die EU-Gegner weisen oft auf Umfragen hin, wonach die Mehrheit der Briten der EU gern den Rücken kehren würde. Unter den 18- bis 34-Jährigen sind jedoch zwei Drittel für einen Verbleib in der Gemeinschaft, so eine Umfrage des Instituts YouGov. Unternehmensvertreter sind ebenfalls dafür.

Andrew Cahn, Exchef der staatlichen Behörde für Überseehandel, sagte dem Guardian: „Es gibt die quälende Angst, dass sich Großbritannien in eine unlogische Isolation zurückzieht.“ Oppositionschef Ed Miliband von der Labour Party höhnte, Cameron habe sechs Jahre gebraucht, um sich auf eine Rede vorzubereiten, die fünf Jahre Ungewissheit auslösen werde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.