Datenskandal in Frankreich: Supercomputer frisst alles

Erst die USA mit Prism. Dann Großbritannien mit Tempora. Nun auch Frankreich: „Le Monde“ enthüllt, wie der französische Auslandsgeheimdienst DGSE Daten sammelt.

Alles im Blick? Francois Hollande wird es schon wissen. Bild: ap

PARIS afp | Neben dem US- und dem britischen Geheimdienst zapft einem Pressebericht zufolge auch der französische Auslandsgeheimdienst DGSE in großem Umfang private Daten an. Der DGSE fange „die Gesamtheit der Kommunikation“ in Frankreich ab und speichere die Daten jahrelang ohne jegliche rechtliche Kontrolle, berichtete die Zeitung Le Monde am Donnerstag.

Die Enthüllungen über die Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA haben unterdessen das Vertrauen der Deutschen zu den USA laut einer Umfrage nachhaltig erschüttert.

Sämtliche elektromagnetischen Signale aus Computern in Frankreich würden systematisch gesammelt, berichtete Le Monde. Abgeschöpft würden auch die Datenflüsse zu Computern im Ausland. Die Informationen aus SMS, E-Mails, Telefonaten, Einträgen auf Twitter oder Facebook würden dann auf einem Supercomputer in der Pariser DGSE-Zentrale über Jahre hinweg gespeichert. Andere Behörden wie der Inlandsgeheimdienst DCRI oder der Zoll würden sich aus dem Datenwust herausziehen, was sie interessiere.

Das Büro von Premierminister Jean-Marc Ayrault erklärte am Donnerstagabend, der Bericht sei „nicht exakt“. Es gebe „mehrere Dienste“, die aus Sicherheitsgründen Daten abfingen, darunter der DGSE, der Inlandsgeheimdienst und der Zoll. Alle diese Spähmaßnahmen seien gesetzlich geregelt. Sämtliche Datenabfragen müssten von einem nationalen Kontrollgremium autorisiert werden und würden dokumentiert.

USA nicht mehr vertrauenswürdig

Der im Parlament für Geheimdienste zuständige sozialistische Abgeordnete Jean-Jacques Urvoas meldete Zweifel an dem Le Monde-Bericht an. Geheimdienstangelegenheiten würden sich nur schwer mit „Phantastereien und Ungenauigkeiten“ vertragen, erklärte er. Dass sämtliche Daten angezapft und gelagert würden, entspreche nicht der Realität, wie er sie kenne. Die Franzosen seien keineswegs einer massiven und dauerhaften Ausspionierung außerhalb jeder Kontrolle ausgeliefert.

Die Enthüllungen über das US-Spähprogramm „Prism“, insbesondere Berichte über das Abhören von EU-Einrichtungen und nationalen Botschaften, hatten in Frankreich zu großer Empörung geführt. Staatschef François Hollande hatte gar die Verschiebung von Freihandelsverhandlungen mit den USA erwogen, sollten die USA den Europäern nicht „garantieren“, dass sie ihre Spähaktivitäten einstellen.

Nach den Enthüllungen über die Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA sank laut einer Umfrage des ARD-DeutschlandTrends unterdessen die Zahl der Deutschen, die die USA als vertrauenswürdigen Partner Deutschlands bezeichnen, von 65 auf 49 Prozent. Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger befürchten der Umfrage zufolge, dass der deutsche Staat die Bürger nicht angemessen vor dem Ausspähen durch US-Geheimdienste schützen kann. Dennoch erwarten 78 Prozent, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegenüber den USA und Großbritannien deutlicher gegen die Überwachung protestiert.

Merkel spricht mit Obama

Merkel und US-Präsident Barack Obama hatten am Mittwoch über die Datenausspähung gesprochen. Anschließend hatte das Weiße Haus erklärt, die USA nähmen die Sorgen der europäischen Verbündeten sehr ernst.

Am US-Nationalfeiertag protestierten tausende US-Bürger gegen das Überwachungsprogramm „Prism“. Die Bewegung „Restore the Fourth“ zur Stärkung des vierten Verfassungsartikels hatte zu den Kundgebungen von New York über Philadelphia, Boston, Washington und Chicago bis nach San Francisco aufgerufen. Nach Ansicht der Aktivisten verstößt die systematische Abschöpfung privater Daten gegen die Verfassung, die den Schutz vor willkürlichen Untersuchungen und Festnahmen garantiert.

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