piwik no script img

Datenschutz bei StandorterkennungVerdächtig dank Fitnessapp

Risiken der freiwiligen Selbstvermessung: Ein Radfahrer wird wegen der Benutzung einer Tracking-App zum Verdächtigen in einem Einbruchsfall.

Hat, wer nichts zu verbergen hat, auch nichts zu befürchten? Datensammler mit Smartwatch Foto: Luke Chesser/Unsplash

BERLIN taz | Fitness-Tracker auf Smart­phones und anderen smarten Geräten sind praktisch und beliebt. Wer die Selbstdisziplinierung durch Schrittzähler und dergleichen mag, lebt vielleicht ein wenig gesünder. Doch die Risiken permanenter freiwilliger Datensammlung sind vorhersehbar. Datenschützer*innen und Netzaktivist*innen warnen immer wieder – und haben gerade eine neue Bestätigung ihrer größten Sorgen bekommen.

Zachary McCoy fährt regelmäßig Fahrrad. Um die geleisteten Strecken im Blick zu behalten, die er auf seinen Runden durch die Nachbarschaft in Gainesville, Florida, zurücklegt, nutzte er auf seinem Android-Handy die App RunKeeper. Deren Datenabgleich mit Google machte McCoy vom harmlosen Sportbegeisterten zum Verdächtigen in Ermittlungen zu einem Einbruch, wie NBC berichtet. Die App hatte ihn wiederholt in der Nähe eines Tatorts registriert, Anlass genug für die Polizei, seine Daten abzufragen. Diese Ermittlung zwingt den Verdächtigen nun, sich einen Anwalt zu nehmen, um die Übermittlung zu verhindern und im Zweifelsfall seine Unschuld nachweisen zu können.

Diese Umkehrung des Verdachtsprinzips ist auch die Crux mit der Quantifizierung unserer Leben. Das Mantra der Überwachungsapologie, dass wer nichts verbergen hat, auch nichts befürchten habe, ist nämlich gleich auf doppelte Weise absurd. Jemand wie McCoy hat in diesem konkreten Falle vielleicht wirklich nichts zu verbergen, was ihn aber nicht davor schützt, ins Visier der Polizei zu kommen. Jede Funkzellenabfrage der deutschen Polizei hat übrigens denselben Effekt auf unzählige Bürger*innen, nur dass sie im Regelfall nicht einmal von der Erfassung erfahren.

Das zweite Problem ist die Frage, ob jedes getrackte Ziel eines Spaziergangs oder einer Fahrradfahrt sich tatsächlich dazu eignet, ohne Scham oder Peinlichkeit einer externen Begutachtung ausgesetzt zu werden. Das Phänomen betrifft dabei nicht nur unser Privatleben. Die Option, Handys und smarte Geräte abzuschalten, mag individuell gegeben sein. Aber was tun in unserem Arbeitsleben, wo ständige Erreichbarkeit erwartet wird? Bei Lieferdiensten, dem am schnellsten wachsende Beschäftigungssektor, ist das Tracking sogar zwingender Bestandteil der Arbeitserfassung. Die Polizei wird’s freuen: Ein schönes Paket an Verdächtigen, inklusive Lieferung frei Haus.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Auf der Strava Heatmap läßt sich gut erkennen, wieviel Radfahrer völlig verbotenerweise durch die Fußgängerzonen radeln. Das Amt für öffentliche Ordnung, Dienststelle Verkehrsüberwachung wird’s freuen: Ein schönes Paket an Verdächtigen, inklusive Lieferung frei Haus, komplette Datensätze mit Tat und Täter. Verglichen mit Parkraumüberwachung, kein Personalaufwand vor Ort, voll automatisierbar, große Mengen, einfache Zuordnung und einträglich.

    • @Werner S:

      Wie gut, dass das in D nicht erlaubt ist.