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Datenschützer über neues Polizeigesetz„Eine Privilegierung der Polizei“

Das geplante Hamburger Polizeigesetz berührt auch Befugnisse der Datenschutzbehörde. Deren Leiter Johannes Caspar erklärt, was das bedeuten würde.

Muss um seine Kompetenzen fürchten: Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar Foto: dpa
André Zuschlag
Interview von André Zuschlag

taz: Herr Caspar, wie wirkt sich der Entwurf des neuen Hamburger Polizeigesetzes auf Ihre Arbeit aus?

Johannes Caspar: Ein erster Entwurf sah vor, die Anordnungskompetenz der Datenschutzbehörde im Bereich der Strafverfolgung zu beseitigen.

… also die Befugnis, eine Unterlassung auszusprechen, statt nur zu rügen.

Diese Änderung hätte auf das derzeitige Gerichtsverfahren gegen die Löschanordnung der G20-Biometrie-Datenbank Auswirkungen gehabt.

… da streiten die Datenschutzbehörde und die Innenbehörde darüber, ob die bei G20 zum ersten Mal eingesetzte Gesichtserkennungssoftware legal ist.

Nach dem ersten Entwurf des Polizeigesetzes wäre die Kompetenz als Basis unserer Löschanordnung dann nachträglich weggefallen. Der Entwurf ist dann wieder fallen gelassen worden.

Also alles gar nicht so dramatisch?

Im Bereich der präventiven Polizeiarbeit soll es aber keine Anordnungskompetenz geben. Das ist problematisch, sieht die EU-Richtlinie zum Datenschutz doch die Schaffung von wirksamen Befugnissen der Aufsichtsbehörden vor.

Im Interview: Johannes Caspar

57, ist seit 2009 Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und lehrt Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Hamburg.

Also haben Sie künftig bei der Strafverfolgung weiter die Anordnungsbefugnis, bei der präventiven Polizeiarbeit bekommen Sie sie aber nicht?

Ja. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Befugnisse, je nachdem, ob die Polizei strafverfolgend oder straftatenverhütend tätig wird, erschwert die Rechtsanwendung. Im Bereich der Straftatenverhütung bliebe eine bloße Feststellungskompetenz, die vor Gericht geltend zu machen ist. Eine Feststellungsklage ist ein deutliches Weniger gegenüber der Anordnungskompetenz. Wir wären in die Klägerrolle gezwungen. Damit ließe sich eine Löschung von rechtswidrig erlangten Daten nicht mehr unmittelbar anordnen. Gegenüber anderen öffentlichen Stellen erfährt der polizeiliche Bereich hier eine Privilegierung.

Der Senat argumentiert, Ihre Anordnungsbefugnis sei nicht mit „dem Bedürfnis nach ständiger Verfügbarkeit rechtmäßig erhobener Daten und Datenverarbeitungs­anlagen“ vereinbar.

Die Argumentation suggeriert, dass wir die Anordnungskompetenz als Standardinstrument nutzen und die polizeiliche Arbeit ständig behindern. Hierdurch entsteht ein schiefes Bild der Arbeit meiner Behörde. Tatsächlich haben wir bislang lediglich ein einziges Mal in den letzten eineinhalb Jahren – anlässlich der G20-Fahndung und dem Aufbau einer Biometrie-Datenbank – von dieser Maßnahme Gebrauch gemacht.

Seither wird die Datenbank jedoch weiter genutzt.

Da wir keine Kompetenz haben, die sofortige Vollziehung anzuordnen, ist rechtlich für den Schutz der Betroffenen nicht mehr drin. Von einer Behinderung der polizeilichen Arbeit kann also beim besten Willen keine Rede sein.

Die Löschanordnung hat voriges Jahr für große Diskussionen gesorgt. Die Innenbehörde hat gegen Ihre Anordnung geklagt.

Für die Biometrie-Datenbank sehe ich keine rechtliche Grundlage. Anordnung und Klage vor dem Verwaltungsgericht sind der geordnete Gang rechtlicher Verfahren.

Das heißt, Rechte von Betroffenen werden solange verletzt, bis ein Urteil gesprochen wird?

Streng genommen sogar bis ein letztinstanzliches Urteil ergeht – das kann Jahre dauern. Ich finde es schade, wie schwer es der unabhängigen Kontrollstelle nach wie vor gemacht wird, zum Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger rechtsbewahrend einzugreifen.

Sie sprachen an, dass die polizeilichen Kompetenzen im Bereich der präventiven Arbeit ausgebaut werden. Warum gibt Ihnen das zu denken?

Die automatisierte Datenanalyse zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung stellt eine Ermächtigungsnorm für umfassende Datenauswertungen dar. Auch unstrukturierte Datenmengen können zu einem Gesamtbestand zusammengefügt und automatisch analysiert werden. Dahinter können sich Big-Data-Anwendungen im polizeilichen Bereich und letztlich Ansätze für das Verfahren des Predictive Policing, der „Vorhersagenden Polizeiarbeit“, verbergen. Das halte ich für bedenklich.

Warum?

Die Norm könnte ein Scharnier zwischen einzelnen Datenbeständen darstellen. Sie könnten dadurch zu automatisiert auswertbaren Massendatenbeständen verknüpft werden. Ohne Begrenzung der Datenarten, der zeitlichen und örtlichen Bezüge, besteht die Gefahr, dass dadurch großflächige Analysen von Bewegungsprofilen im öffentlichen Raum entstehen und die Auswertung der Daten sich auf Gefährdungen weit im Gefahrenvorfeld beziehen.

Laut dem Entwurf sollen Sie auch neue Kompetenzen erhalten.

Richtig, etwa bei der regelmäßigen Datenschutzkontrolle. Leider bleibt Ausstattung zur Umsetzung außen vor. Derzeit ist unklar, wie mit dem aktuellen Personalbestand die neuen Aufgaben erfüllt werden können.

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