Datensammeln im Netz: Facebook soll zahlen
Google, Facebook und all die anderen Internetkonzerne machen Geld mit den Daten ihrer Nutzer. Ich will meinen Anteil.
Endlich eine Zahl: 156 Milliarden Dollar. So viel sollen 2012 amerikanischen Unternehmen mit Konsumentendaten verdient haben. Das ist doppelt so viel, wie die USA für all ihre Geheimdienstaktivitäten ausgeben. Teilt man diese beachtliche Summe durch die Einwohnerzahl der USA, sind das 492,11 Dollar pro Kopf. Für Deutschland gibt es keine vergleichbare Zahl. Die Firmen, die so genau über meine Konsum- und Surfgewohnheiten Bescheid wissen, schweigen, wenn es um ihre Finanzen geht. Doch klar ist: Auch bei uns wird mit persönlichen Daten viel Geld verdient.
Warum mich das interessiert? Ganz einfach: Ich möchte meinen Teil davon. In bar.
Wenn – wie oft behauptet wird – Information das Schweröl des 21. Jahrhunderts ist, dann sind persönliche Daten das hochoktanige Super-Plus-Benzin. Sie sind nicht nur der Kraftstoff, der die Geschäfte in der postindustriellen Gesellschaft auf Hochtouren laufen lässt, sie sind auch Grundlage der märchenhaften Vermögen, die einige Unternehmen mittlerweile angehäuft haben.
„Was soll ich mich engagieren in Russland, ändern kann ich sowieso nichts“, sagt Olympia-Teilnehmer Maximilian Arndt. Viele Sportler sehen das wie er und schweigen zu Putins Politik. Welche Gründe sie haben und wer den Mund aufmacht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. Februar 2014 . Außerdem: Die EU-Staaten überlegen, wie sie in der Zentralafrikanischen Republik intervenieren können. Eine schnelle Eingreiftruppe hätten sie: die EU Battle Group trainiert seit fast zehn Jahren, eingesetzt wurde sie noch nie. Ein Besuch bei Europas vergessener Armee. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Google mag in der Öffentlichkeit als Suchmaschine bekannt sein und Facebook, das am 4. Februar seit genau zehn Jahren online ist, als soziales Netzwerk – tatsächlich aber sind sie gigantische Datenbanken voll persönlicher Informationen ihrer Kunden, die diese Internetunternehmen höchst profitabel monetarisieren. Wer Social-Media-Dienste – scheinbar umsonst – benutzt, mag glauben, dass er mit Freunden in der ganzen Welt Fotos vom Nachwuchs oder dem Sushi-Teller vom letzten Sonntag austauscht. Tatsächlich wird jedes „Like“ und jeder Status-Update in einem Persönlichkeitsprofil gespeichert, um die Nutzer mit passgenauer Werbung bombardieren zu können.
Außer Facebook wollen auch andere Social-Media-Firmen – von Twitter über Foursquare bis Yelp – Profite erwirtschaften, indem sie aus dem Mitteilungsbedürfnis der Menschen ganz selbstverständlich ein Geschäftsmodell machen. Von diesen Gewinnen (zu denen Leute wie ich mit ihren Informationen entscheidend beitragen) hätte ich gerne meinen Anteil.
Meine Daten gehören mir
In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 im Volkszählungsurteil entschieden, dass das Recht auf informationelle Selbststimmung ein Grundrecht ist. Ich verstehe das als juristischer Laie so, dass meine Daten mir gehören. Wenn sie jemand will, um damit Geschäfte zu machen, müsste ich daher das Recht haben, etwas dafür zu verlangen. Ich stelle mir das so ähnlich wie Blutspenden vor: Ich gebe ein Stück von mir, dafür kriege ich Cash.
Ich schlage vor, dass wir uns das Geld, das diese Firmen mit meinen Daten verdienen, fifty-fifty teilen. Eine Art Gema müsste diese Gelder verwalten, die ich Daten-Tantiemen nennen will. Die würde die Gewinne, die die datensammelnde Industrie weltweit jährlich erwirtschaftet, verrechnen mit meinem Beitrag zu deren Datenbanken: je nach Zahl meiner Instagramme, Foursquare-Logins oder Tumblr-Postings bekäme ich einmal im Jahr einen Scheck samt Abrechnung.
Was ich mit so einem Deal verdienen würde, ist schwer zu sagen. Ein Adressensatz mit Informationen aus dem Telefonbuch kann man für weniger als einen Cent kaufen. Aber je genauer die Informationen über mich und meine Konsumgewohnheiten sind, desto wertvoller werden sie.
Wie wertvoll genau? Es kommt drauf an, wie man rechnet. Aus einem Selbsttest auf der Website der Financial Times ergibt sich, dass meine Daten einer Internetwerbefirma 2,84 Dollar wert sind. Wenn man den Unternehmenswert von Facebook von über 100 Milliarden Dollar verteilen würde an seine gute Milliarde Nutzer – und die sind ja das wichtigste Kapital der Firma – wären das rund 100 Dollar für jeden. Rechnet man mit den Nettoeinnahmen von Facebook – magere 523 Millionen im Jahr 2013 – blieben pro Nase ein halber Dollar. Die Website Backupify will errechnet haben, dass der Wert eines Tweets unter einem US-Cent liegt, der eines Facebook-Shares bei 2 US-Cent, der einer Kritik bei Yelp bei 9 Dollar.
Minifirmen verdienen mit
Das klingt erst mal nach wenig Geld, doch Kleinvieh macht auch Mist: Neben Google, Facebook und Co verdienen noch unzählige Minifirmen mit an Daten. Ohne mich um Erlaubnis gefragt zu haben, haben sie auf meinem Rechner eine Unzahl von kleinen Datensätzen gepflanzt, die dort ein veritables Eigenleben entwickeln. Seit ich zum Beispiel neulich auf E-Bay nach einem gebrauchten E-Piano geguckt habe, suchen mich im Internet auf Schritt und Klick Werbeeinblendungen für Klaviere und Noten heim. Auch Turnschuhe, Fondue-Sets und Bücher haben mich so schon wie das bucklicht Männlein durchs Netz begleitet.
Die Unternehmen, die dafür verantwortlich sind, würden hierzu wahrscheinlich sagen, dass sie diese Daten nicht mit mir persönlich in Verbindung bringen, sondern nur mit der IP-Adresse meines Computers, und sich ansonsten an die deutschen Datenschutzbestimmungen halten. Aber wie die NSA-Affäre zeigt, kann man aus Meta-Daten viele Rückschlüsse über eine scheinbar anonyme Person ziehen. Und was den deutschen Datenschutz betrifft, kann man die gewonnen Daten zur Analyse leicht ins Ausland transferieren. Macht der BND ja auch.
Grund für die Konsumprodukte, die mich im Netz verfolgen, sind winzige, „Cookie“ genannte Dateien, die Informationen über mein Surfverhalten auf meinem Rechner speichern, wo sie von anderen Websites gelesen werden können. Was für ein Biotop von ungebetenen Geistern sich unerlaubt auf dem eigenen Rechner breitgemacht hat, sehe ich in meinem Browser. Je nach Software verbirgt sich irgendwo unter „Extras“ oder „Optionen“ eine Liste der Websites, die Cookies auf dem Computer versteckt haben. (Wenn es einem gelingt, die Cookies zu finden, kann man sie auch löschen.)
Von den meisten dieser Firmen habe ich noch nie gehört, geschweige denn bewusst ihre Website besucht. Besonders verdächtig sind Internetadressen, die mit „Ad“ wie in „Advertising anfangen: Adtraxx.de, Adverserve.com, Adtech.net und so weiter. Sie sind die kleinen Geschwister von großen Brüdern wie Google und Facebook – meist mittelständische Unternehmen, die von „targeted advertising“ profitieren wollen.
Es ist Geld für alles da
Irgendjemand verdient hier also Geld. Und zwar nicht nur Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der 2012 ein Jahreseinkommen von 2,28 Milliarden Dollar bezog. Google hat durch seine Einnahmen aus Onlinewerbung eine uferlose Kriegskasse angehäuft. Die erlaubt es dem Unternehmen nicht nur, seinen Angestellten Mondgehälter zu bezahlen und Lehrstühle an der Humboldt-Uni einzurichten. Es finanziert auch aufwendige Entwicklungsprojekte wie Google Glass oder selbstlenkende Autos. Auch für den Aufbau neuer Geschäftszweige– etwa im Bereich der Robotik und der Gesundheit – ist reichlich Geld vorhanden.
All das natürlich – wie man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen sollte –, ohne dass Google für seine Gewinne in Europa nennenswerte Steuern zahlt. Zukunftsweisend war darum im vergangenen Jahr ein Gesetzesentwurf in Frankreich, der die Gewinne aus Datensammlungen besteuern sollte, die Unternehmen wie Google einsacken. Leider ist die Initiative versandet.
Man könnte einwenden, dass eine marktwirtschaftliche Lösung wie die hier vorgeschlagene nicht der richtige Weg ist, dass vielmehr der Staat und das Gesetz gefragt seien. Doch ich benutze das Internet seit fast zwei Jahrzehnten. In dieser – in Netzjahren unendlich langen – Zeit konnten weder die deutsche Bundesregierung noch die EU unterbinden, dass sich – mir vollkommen unbekannte – Unternehmen mit Hilfe meiner persönlichen Informationen bereichern. Genauso wenig wie der ganze Bohei mit Datenschutzverordnungen und -beauftragten verhindert hat, dass NSA & Co umstandslos mein Kommunikationsdaten speichern. Vergessen wir’s also.
Um den Wert seiner Datenspur im Netz einschätzen zu können, machte der Italiener Federico Zannier 2013 ein Experiment. Für 2 Dollar konnte man alle digitalen Daten kaufen, die er an einem beliebigen Tag produzierte. Nach einem Monat hatte er 2.733 Dollar verdient. Das Projekt war eher Performance-Kunst als ernstgemeintes Forschungsprojekt. Trotzdem muss man Zannier zustimmen: Seine persönlichen Daten zu verkaufen mag verrückt sein. Sie umsonst herzugeben ist es erst recht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW