Das wird: Linker will Mitschuld Hamburgs klären
Am Dienstag will der Linken-Abgeordnete Martin Dolzer im Justizausschuss thematisieren, ob die Hamburger Staatsanwaltschaft eine Mitschuld an der fälschlichen Inhaftierung eines 26-jährigen Syrers in Kleve trägt. Amad Ahmad war im September letzten Jahres nach einem Brand in seiner Zelle in der nordrhein-westfälischen JVA gestorben. Im Juli 2018 hatte ihn die Polizei von Kleve festgenommen, nachdem ihn eine Gruppe Frauen wegen sexueller Belästigung an einem Badesee angezeigt hatte.
Bei der Festnahme stellen die Klever Polizisten fest, dass ein Haftbefehl der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen einen Mann namens Amed Amed vorliegt und bitten um die Übersendung der Haftbefehle. Das geschieht. Aber: Der Haftbefehl richtet sich gegen Amed Amed, der, anders als Amad Ahmad nicht im syrischen Aleppo, sondern in Mali geboren ist. Auf dem Foto der Fahndungsdatenbank ist ersichtlich, dass er schwarzer Hautfarbe ist – nicht hellhäutig wie der Festgenommene.
Genau an diesem Punkt wird es strittig: Laut dem Linken-Abgeordneten Dolzer hätte die Staatsanwaltschaft Hamburg als zuständige Vollstreckungsbehörde „die Pflicht gehabt, zweifelsfrei zu klären, ob die richtige Person inhaftiert wurde“. Die sei in Hamburg bekanntermaßen überlastet, sagt der Hamburgische Strafrechtler Ernst Medecke. Auch er sieht es als Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Identität des in Kleve Festgenommenen zu klären. Hätte sie beispielsweise ein Foto angefordert, wäre die Verwechslung schnell aufgefallen.
Die Behörde weist die Vorwürfe zurück. „Die Identitätsprüfung ist Aufgabe der Polizei“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. „Wir machen die Ausschreibung, damit hat es sich.“ Dass die Staatsanwaltschaft zwei Wochen nach der Festnahme einen Brief nach Kleve schickte, in dem sie anfragte, ob dort Nachweise für die Identitätsfeststellung vorlägen, habe einem anderen Zweck gedient: In Hamburg seien Hinweise auf eine weitere Alias-Identität von Amed Amed aufgetaucht, dies habe man prüfen wollen.
In Kleve befasst sich inzwischen die Staatsanwaltschaft mit der Inhaftierung von Amad Ahmad. Sie ermittelt gegen sechs örtliche Polizeibeamte wegen Freiheitsberaubung. Das Vorgehen der Hamburger Staatsanwaltschaft habe man „im Blick“, so sagt der Sprecher der Klever Staatsanwaltschaft, Günter Neifer. „Es gibt im Augenblick aber keinen Anfangsverdacht.“ Ob die Identitätsfeststellung Aufgabe der Vollstreckungsbehörde sei? „Das ist Gegenstand der Ermittlungen“, sagt Neife. Die Vorschriften dazu seien „komplex“.
Friederike Gräff
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