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■ Hämische BerichterstattungDas war eine mediale Hinrichtung

betr.: „Özdemier abgeschmiert“, „Immerhin, die Rente ist ihm sicher“ u. a., taz vom 27. 7. 02

Es hat mich schon sehr erschreckt, in welch hämischer und menschlich abstoßender Weise über die so genannte „Affäre Özdemir“ von Ihnen berichtet wurde. Was war denn schon groß passiert? Der Kredit von Moritz Hunzinger? Mit „Eselei“ von der grünen Parteispitze ganz richtig beschrieben: eine Dummheit, aber eben noch keine Korruption, und schon gar keine vom Ausmaß der Kohl’schen und Koch’schen Schwarzgeldkonten oder dem Kölner Müllklüngel der SPD. Die Bonusflüge? Sicherlich ein Grund zum Rücktritt, aber auch allenfalls mit der Süßmuth’schen Dienstwagenaffäre vergleichbar, schlimmer nicht.

[…] Hatte jemand allen Ernstes geglaubt, in dieser Partei würde nie jemand einen Fehltritt begehen? Solange derart schnell Konsequenzen gezogen werden und vor allem vom Beschuldigten selbst: meine Hochachtung, daran sollten sich andere Parteien bei Affären ruhig ein Beispiel nehmen.

Sicherlich hat Cem Özdemir einen Fehler gemacht, und es ist Aufgabe von Zeitungen wie der taz, darüber zu berichten und dies zu kritisieren. Das hier war aber keine Kritik mehr, das war eine „mediale Hinrichtung“ (im Übrigen im merkwürdigen Einklang mit Organen der Springer-Presse), und so etwas zeugt von einem Denken, wie ich es eher bei George W. Bush oder den Taliban erwartet hätte. […] ALEXANDER SCHMIDT-BRÜCKEN, Köln

Cem Özdemir hat sich etwas vorzuwerfen, und sein Schritt war richtig. Auch wenn er diesen Schritt ohne Wahlkampf und schlechter Wahlprognosen nicht gegangen wäre. Da sind aber noch andere, die sich in Aufsichtsräten und Vorständen, Lobbyistenklubs, Rüstungsgemeinschaften, Klüngelrunden und anderen Konglomeraten der widerwertigsten Art nebenbei ein Zubrot verdienen. Özdemir kann nur ein Beispiel sein wie Transparenz im Parlament zur Wirklichkeit wird. […] JÖRG F. KÜSTER, Lingen

Anstelle fast ausschließlich das offensichtliche Fehlverhalten des Abgeordneten an den Pranger zu stellen, hätte man gut daran getan, die Konsequenzen, die er daraus zug, in Relation zu anderen Politikern zu stellen und Dankbarkeit darüber zu äußern, dass es noch Volksvertreter gibt, die ihr Handeln mit kognitiven Folgen verknüpfen und in der Lage sind, die daraus erwachsene Konsequenz zu realisieren, während andere, allen voran Männer wie Schäuble und Kohl, als Folge des Realitätsverlustes einfach weitermachen wie bisher. PETER THIESS, Hamburg

Wenn ich mich aufregen will, ärgere ich mich nicht über privat verbrauchte Miles, sondern über Vorstandsgehälter und Vorstandsabfindungen, die gigantisch sind, während die Angestellten, die dies ermöglichen, zum Sozialamt gehen können. Wem kommt diese Scheindebatte um Miles eigentlich gerade recht?

MARION REMMEL, Frankfurt/Main

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