Das war die Woche in Berlin I: Lieber den Ruf retten
Im Kreuzberger Häuserkampf um die Lausitzer Straße haben die MieterInnen gegen den Immobilienkonzern Taekker einen Stich gemacht.
Dass sie so schnell Erfolg haben könnten, hatten die MieterInnen der Lausitzer Straße 10 und 11 selbst nicht gedacht: In einem Gespräch am Mittwoch, das sie überhaupt erst durch eine Protestaktion erzwungen hatten, sicherte ihnen die Eigentümerfirma Tækker zu, den Verkauf der Häuser vorerst zu stoppen. Man sei an einer langfristigen Lösung gemeinsam mit den MieterInnen interessiert, lässt das dänische Unternehmen verlauten.
Was das bedeutet, ist noch unklar. Trotzdem: Ausgerechnet Tækker, jahrelang als Heuschrecke Nummer eins auf dem Berliner Immobilienmarkt verschrien, lenkt ein. Was ist da los?
Auf den zweiten Blick ist das Verhalten der Dänen nicht mehr ganz so unerklärlich. Denn zum einen hätten die protestwilligen und -erprobten MieterInnen – das Haus wird vor allem von linken Organisationen und AktivistInnen genutzt – tatsächlich kaufwillige Interessenten abschrecken können.
Außerdem, und das ist der wichtigere Grund, scheint Tækker, anders als noch vor kurzer Zeit, nicht mehr auf so enorme Profitspannen angewiesen zu sein: Das Ziel des Konzerns, sich nach großen Verlusten im Zuge der internationalen Finanzkrise am Berliner Immobilienmarkt gesundzusanieren, scheint erreicht. Den Großteil der hier erworbenen Häuser hat Tækker inzwischen bereits mit beträchtlichem Gewinn weiterverkauft, dem Vernehmen nach will der Konzern sich aus dem Berliner Immobilienmarkt zurückziehen.
Still und leise noch die eigentlich anvisierten 19 Millionen für das Gebäude in der Lausitzer Straße einzustreichen – dagegen hätte der Konzern sicher trotzdem nichts gehabt. Das aber haben die MieterInnen mit ihrer schlauen Öffentlichkeitsarbeit unmöglich gemacht. Stattdessen war klar: Der angestrebte Verkauf würde mit einem gewaltigen Imageschaden für die Dänen einhergehen, die doch gerade erst den Staffelstab, die böseste Immobilienfirma Berlins zu sein, an andere Unternehmen weitergereicht haben. Auf einen Teil des Gewinns zu verzichten und dafür den Ruf zu retten, scheint für das nach außen sehr auf Nachhaltigkeit bedachte Unternehmen da die bessere Strategie zu sein. Genau so kann Mieterprotest Erfolg haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!